Werner Burger ist überzeugt: "Smart Home ist im Kommen." Deshalb sitzt der Knetzgauer am Montagvormittag im Mehrgenerationenhaus (MGH) in Haßfurt. Er entstammt einer Generation, die nicht mit Handys und Internet aufgewachsen ist. Einer Generation, die sich oft schwertut damit, sich in fortgeschrittenem Alter noch in die moderne Technik hinein zu fuchsen. "Das Interesse ist schon da, aber alleine traut man sich nicht, was auszuprobieren", schildert Julia Sterlings, stellvertretende Koordinatorin des Mehrgenerationenhauses, das Problem. Hier will die Einrichtung dazu beitragen, Berührungsängste abzubauen.
Förderung durch das Bundesfamilienministerium
Seit Mai 2023 darf sich das MGH in Haßfurt offiziell KI-Lernort im Projekt "KI für ein gutes Altern" nennen. Dieses wurde von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) ins Leben gerufen. Der vom Bundesfamilienministerium geförderte Verein will mit dem Projekt dazu beitragen, "dass ältere Menschen sich in aktuellen Diskussionen über ChatGPT, Mustererkennung oder selbstlernende Algorithmen aktiv einbringen können, und dafür sorgen, dass sie in Forschung und Entwicklung von KI-Systemen stärker wahrgenommen und berücksichtigt werden", heißt es auf der Internetseite der BAGSO.

Das Haßfurter Mehrgenerationenhaus ist einer von deutschlandweit 42 Standorten, die den Titel als Lernort für Künstliche Intelligenz tragen dürfen. Das bedeutet, dass die BAGSO die Einrichtung nun dabei unterstützt, ihren Besucherinnen und Besuchern Wissen und Fähigkeiten im Umgang mit KI-Geräten zu vermitteln.
KI-Kenner bieten Eins-zu-eins-Beratung
So gab es Workshops, in denen acht Haupt- und Ehrenamtliche des MGH sich als sogenannte KI-Kennerinnen und -Kenner qualifizieren konnten. Diese Workshops fanden online statt, das Mehrgenerationenhaus bot seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aber an, in den Räumlichkeiten der Einrichtung am Haßfurter Marktplatz gemeinsam daran teilzunehmen.
Einer dieser KI-Kenner ist Rüdiger Denninger. Er hat damit die Aufgabe übernommen, älteren Besucherinnen und Besuchern des MGH aufzuzeigen, welche Erleichterungen Künstliche Intelligenz für ihr Leben bringen kann, wie sie die betreffenden Geräte bedienen können, aber auch, welche Gefahren darin liegen. "Wir bieten Eins-zu-eins-Beratung", sagt er. "Man versucht, den Leuten zu helfen."
Ausprobieren ist wichtig: Senioren können mit Leihgeräten experimentieren
Neben den Workshops, in denen die KI-Kennerinnen und -Kenner ausgebildet werden, bietet die BAGSO den Standorten noch weitere Unterstützung, wenn es darum geht, ältere Menschen an moderne Technik heranzuführen. So stellt der Verein unter anderem Geräte zur Verfügung, die die lernwilligen älteren Menschen ausprobieren oder ausleihen können. Vom Smartphone über Sprachassistenten wie Alexa bis hin zu Haustierrobotern: Im Mehrgenerationenhaus haben die Interessierten nun die Möglichkeit, diese Geräte selbst in die Hand zu nehmen und sich ihre Bedienung erklären zu lassen.

Nützlich sei auch die Vernetzung mit den anderen Standorten, die durch das Projekt entstehe, berichtet Julia Sterlings vom MGH. "Man kann sich mit den anderen Lernorten austauschen und über Erfahrungen sprechen."
Erste Erfahrungen mit Sprachassistenten: "Man muss ja nur reinsprechen"
Die Zahl an Angeboten der Einrichtung, mit denen die Seniorinnen und Senioren etwas über den richtigen Umgang mit KI-Geräten lernen können, ist vielfältig. Die entsprechenden Themen wurden in verschiedene bereits vorher bestehende Veranstaltungsreihen integriert, wie beispielsweise das Digital-Café oder die Rentenschmiede. Dort gab es schon Vorträge von Expertinnen und Experten zu Künstlicher Intelligenz, sowie die Möglichkeit, gemeinsam die Geräte auszuprobieren.
Teilnehmer Werner Burger ist bei der Rentenschmiede unter anderem begeistert von den Möglichkeiten, die ihm der Sprachassistent eröffnet. "Ich hätte nicht gedacht, dass das so einfach ist", sagt er. "Man muss ja nur reinsprechen." Und ihm gefällt die Art, wie das Team des MGH die Inhalte vermittelt, beispielsweise im Vergleich zu Kursen an der Volkshochschule (Vhs).
Kein Kurs mit festem Lehr- oder Zeitplan
"Ein Kurs an der Vhs ist gut für Leute mit Vorbildung", meint er. Doch viele Seniorinnen und Senioren, die etwas über die moderne Technik lernen wollen, wären in einem durchorganisierten Kurs, der einen Plan einhalten muss, überfordert, findet er. Ganz anderes sei das beim Mehrgenerationenhaus, das sich für alle Teilnehmenden Zeit nehmen könne. Hier könnten alle in ihrem eigenen Tempo lernen, was sie interessiert. "Man kann kommen, so oft man möchte. Bis man sagt: Ich fühle mich sicher damit", sagt Christina Raithel von der Zukunftswerkstatt Digitalisierung am MGH.

Ziel sei bei allen Programmen, in denen KI-Wissen vermittelt wird, die Menschen so niedrigschwellig wie möglich an die Themen heranzuführen. "Wichtig ist: Sie sollen es ausprobieren können", sagt Raithel. Gerade deshalb seien die Geräte so wichtig, die das MGH zur Verfügung gestellt bekommen hat. "Die Leute können kommen und fragen. Es ist immer jemand da." Das gilt nicht nur, wenn gerade KI-thematische Veranstaltungen stattfinden. Für Einzelberatung gibt es auch die Mediensprechstunde, für die es meist recht kurzfristig noch Termine gebe.
Wie Tierroboter gegen Vereinsamung im Alter helfen sollen
Beim Besuch unseres Reporters in der Rentenschmiede steht ein Sprachassistent auf dem Tisch. Die Teilnehmenden testen unter anderem, wie sie das Gerät Musik abspielen lassen können. Auch zwei Haustierroboter – ein Hund und eine Katze – sind an diesem Tag dabei. Die lebensgroßen Plüschtiere ahmen einige Bewegungen ihre realen Vorbilder nach, können beispielsweise den Kopf drehen, das Maul öffnen oder den Schwanz bewegen. Unter anderem in Pflegeeinrichtungen kommen sie zum Einsatz, als Begleiter, die Menschen vor dem Gefühl der Vereinsamung bewahren sollen.

So lernen die Besucherinnen und Besucher der Rentenschmiede verschiedene Bereiche kennen, in denen Künstliche Intelligenz zum Einsatz kommt. Eine Woche früher, so berichtet Julia Sterlings vom MGH, haben sie zusammen Kuchen gebacken, um zu zeigen, wie sich im Internet Rezepte finden lassen. Eine andere KI-Anwendung ist Teilnehmerin Agnes Niesner aus Fatschenbrunn besonders in Erinnerung geblieben: Eine App zur Pflanzenbestimmung, die sie vor einigen Wochen in der Haßfurter Promenade ausprobieren konnten.
MGH-Team will ältere Menschen "mitnehmen in die digitale Zeit"
"Ich finde das super, dass wir uns immer mehr entwickeln zum Vorteil der Menschen", sagt Günther Bald aus Haßfurt, ein weiterer Teilnehmer der Rentenschmiede. Allerdings hat er auch Angst davor, was mit der modernen Technik alles möglich sein könnte. "Ich sehe es weitgehend positiv, aber man darf es nicht missbrauchen."
So sagt auch Hannah Baunacher, die als duale Studentin zum Team des Mehrgenerationenhauses gehört: "Ängste und Vorbehalte sind da, aber wir sagen: Wir schaffen das, die Leute mitzunehmen in die digitale Zeit. Wichtig ist, dass sie nicht abgehängt werden."