Im Historischen Museum der Stadt Bamberg ist aktuell die durch Deutschland tourende interaktive Wanderausstellung "Liebe oder Last?! Baustelle Denkmal" der Deutschen Stiftung Denkmalschutz zu erleben. Quasi als Pendant dazu gibt es die "Ausstellungsintervention Rosa Brunner. Feldforschung." – eine Präsentation von Werken der Bamberger Steinbildhauerin Rosa Brunner.
Was hat die eine Schau mit der anderen zu tun? Das Historische Museum befindet sich mitten in der historischen Bamberger Altstadt am Domplatz, gegenüber dem romanischen Dom, der mit seinen vier Türmen und dem Bamberger Reiter im Inneren als das beherrschende Bauwerk des Weltkulturerbes gilt. Vermutlich in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts ist das steinerne Reiterstandbild aus Schilfsandstein gehauen worden.
Das Material dafür stammte aus einem Bruch ganz in der Nähe: dem Steinbruch Hermannsberg in Sand am Main, der sich heute im Besitz des Bamberger Natursteinwerks Hermann Graser befindet. Somit schließt sich der Kreis, denn Rosa Brunner schafft moderne Skulpturen aus eben diesem Material und präsentiert diese in unmittelbarer Nachbarschaft des Doms mit dem Bamberger Reiter.
Den Sander Steinbruch Hermannsberg als Labor genutzt
Begonnen hat alles mit ihrem Kunstprojekt "Feldforschung.", womit sie seit gut einem Jahr Steinbrüche in den Fokus nimmt, wie Brunner berichtet. Im Sommer 2022 machte sie den Steinbruch Hermannsberg in Sand am Main für einige Wochen zum Labor, untersuchte Wände, Bruchstücke, Spuren, Licht, Geräusche und Strukturen, spürte in einem künstlerischen Prozess ihren Eindrücken nach.

Die Etappen führten sie vom Sammeln der Ideen mit Fotos, Skizzen und Videos und dem Umsetzen in die entsprechende Form, beispielsweise eine Skulptur, schließlich zur Dokumentation des Prozesses sowohl online als auch in Katalogform. Die Arbeiten präsentiert sie öffentlich. Demnächst wird sie ihre Untersuchungen in weiteren Steinbrüchen fortsetzen, da sie "Feldforschung." als ihr Langzeitprojekt betrachtet. Die "Ausstellungsintervention" im Historischen Museum Bamberg sei dabei lediglich die erste Station.
Zeitgenössische Kunst nicht erlaubt am historischen Domplatz
Auf der Rampe vor dem Museum wollte Rosa Brunner eigentlich zudem ihre "Kipppunkte" ausstellen. Es handelt sich dabei um Entwürfe für eine große Installation aus Sander Schilfsandstein. Leider habe sie jedoch erfahren, dass hier, am historischen Domplatz, das Ausstellen von zeitgenössischen Kunstwerken nicht gestattet sei.
Die Entwürfe haben etwa A4-Maße und sind von ihr aus Schilfsandstein gehauen worden, so wie sie auch "die Großen" schaffen möchte. Diese würden dann eine Höhe von 2,50 bis 3,50 Meter haben, seien aber "noch ungeborene Kinder", betont sie. Allein der Auf- und Abbau würde wohl etwa 25.000 Euro kosten, habe sie von Martin Graser erfahren, dem Jüngeren der beiden Brüder, die seit 2009 die Geschäfte des Bamberger Natursteinwerks führen.

Mit Geschäftsführer Martin Graser kooperiert Rosa Brunner nach eigener Aussage seit einiger Zeit, was ihr nicht zuletzt den Zugang zum Steinbruch in Sand ermöglicht habe. Sie könne sich vorstellen, dass in den Mainauen zwischen Bamberg und Haßfurt, dort wo am südlichen Flussufer die Gemeinde Sand und der Steinbruch Hermannsberg sowie auf der anderen Seite des Mains weitere Steinbrüche des Bamberger Unternehmens Graser liegen, auch gute Plätze für ihre großen Skulpturen wären.
Das regionale historische Bildhauermaterial im Fokus
Vorerst gibt es die "Kipppunkte" im Mini-Format in der Ausstellung zu sehen. "Die Idee dazu stammt nicht von mir", bekennt Rosa Brunner, "aber sie gefällt mir." Sie beruhe auf dem Vorschlag von Dr. Kristin Knebel, Direktorin der Museen der Stadt Bamberg. Knebel habe auch den Titel "Ausstellungsintervention" formuliert, weil Brunners "Feldforschung." in direkter Nähe zum Dom und somit in Gegenüberstellung zu den bedeutenden Kunstschätzen den Fokus auf das regionale historische Bildhauermaterial richtet.

Die Bezeichnung "Kipppunkte" für ihre Skulpturen wählte die Künstlerin selbst. Es habe sie fasziniert, die tonnenschweren Bruchsteine beim Abbau als scheinbar schwebendes Material zu erleben, fragil und jederzeit bedroht, umzukippen. Die Skulpturen geben sozusagen Momentaufnahmen wieder.
Das Naturmaterial Schilfsandstein wurde in den vergangenen Jahrhunderten verschiedentlich von Bildhauern eingesetzt. Auch Rosa Brunner schwärmt von diesem Naturstein, bezeichnet ihn als "ein hervorragendes Bildhauermaterial, homogen und feinkörnig, aber auch fragil und empfindlich gegen Umwelt- und Witterungseinflüsse". Ihre großen, monumental geschichteten "Kipppunkte" stünden am Domberg wie eine Gegenüberstellung zu den historischen Skulpturen, sinnbildlich für unsere Zeit – aktuell jedoch "nur" im Kleinformat im Historischen Museum (bis zum 30. November 2023).
Über den Sander SchilfsandsteinDer grüne Mainsandstein, auch als Sander Schilfsandstein bekannt, ist aufgrund seiner charakteristischen Farbe und Textur sowie dessen vielseitigen Anwendungsmöglichkeiten besonders geschätzt. Bei zahlreichen historischen und neuzeitlichen Objekten fand und findet dieses Material sowohl im Innen- als auch im Außenbereich Verwendung. Aufgrund der physikalischen und technischen Eigenschaften dieses Steines stellt die geprüfte und bestätigte Witterungsbeständigkeit ein weiteres wichtiges Kriterium dar. Der Sander Schilfsandsteinbruch ist bereits über 1000 Jahre im Abbau und heute einer der letzten aktiven Steinbrüche des grünen Mainsandsteins in Deutschland.Quelle: www.bamberger-natursteinwerk.de
Über die KünstlerinRosa Brunner arbeitet seit 40 Jahren als freischaffende Bildhauerin. Nach einer Steinmetzlehre an der Dombauhütte in Bamberg studierte sie Bildhauerei an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart und anschließend Szenographie an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam-Babelsberg. Als Gewinnerin des Kunststipendiums Bamberg 2022 beschäftigt sie sich mit dem Material Naturstein als Ausgangspunkt eines zeitgenössischen Diskurses. Der Steinbruch Hermannsberg im Haßbergkreis ist die erste Station des Projekts.Quelle: www.rosa-brunner-feldforschung.de