
Luca kickt, John wirft, Lena schlägt zu. Und schon liegen drei Erwachsene, die sie zuvor vermeintlich gehänselt haben, auf dem Boden. Beim Jubiläumsabend des Karate-Dojo Untermerzbach (KDU) gab es nicht nur einiges zu hören, sondern auch zu sehen: Die erfahrenen Karateka, die sich demnächst neuen Schwarzgurt-Prüfungen stellen wollen, demonstrierten ihre Körperspannung (Kime) mit der Enpi, einer der ältesten überlieferten Bewegungsabfolgen (Kata) im Karate – und der Nachwuchs zeigte, dass es auch in den kommenden Jahren wohl nicht schlecht bestellt sein wird mit Karate in Untermerzbach. Dabei ließen die Anfänge des KDU ganz und gar nicht vermuten, dass er es einst auf eine so lange Geschichte und vor allem so weit bringen wird.
Von einer "exotischen Sportart" geht 1973 die Kunde auf den Straßen in Untermerzbach. Die ersten Karatekas werden nicht nur einmal als "Verrückte" bezeichnet. "Komische Schreie" sind regelmäßig aus dem Nebenraum der Gastwirtschaft Schramm zu hören. Immer mehr junge Fußballer kommen nicht mehr zum Training oder fehlen am Wochenende bei Spielen. Das gefällt nicht jedem. "Es war eine knüppelharte Zeit. Ich war sogar schuld, dass die Leute nicht zum Gesangverein zum Singen kamen", erinnert sich der langjährige Vorsitzende und Trainer des KDU, Dietmar Renner, an die schweren Anfänge. Die heutige Vorsitzende, Anke Schmidbauer, konstatiert derweil froh: "Es gibt ihn noch heute."
Zahnarzt brachte die japanische Kampfkunst in den Ort
Zahnarzt Dr. Henry Seufferlein ist es , der die japanische Kampfkunst mit seiner zweijährigen Vertretungszeit in der Praxis von Dr. Armin Schilling Anfang der 1970er Jahre nach Untermerzbach bringt. Seufferlein selbst ist zu dem Zeitpunkt Gelbgurt und spricht den jungen Sportler Renner während einer Behandlung an. Er habe überlegt, eine Karate-Abteilung zu gründen, erklärt der Zahnarzt und bittet Renner, mal im Freundeskreis herumzufragen, ob sich nicht mehr Untermerzbacher noch für einen anderen Sport als Fußball begeistern könnten. Gesagt, getan. Kurze Zeit später nehmen die ersten regelmäßige Trainings auf.
Als Zahnarzt Seufferlein nach Ebern weiterzieht, ziehen die Karatekas zunächst mit. In der Frauengrundhalle entwickelt sich das Training für die Untermerzbacher allerdings schnell zu "ebernlastig". So gründen Dietmar Renner, Horst Morgenroth, Eva Greiff, Peter Kachelmaier, Günther Edling, Klaus Malcharek und Karin Renner am 31. Januar 1975 in der Gaststätte Hunneneiche das 1. Karate-Dojo 1975 Untermerzbach e.V. Noch im Gründungsjahr stoßen zudem Stefan Wüst und Erhard Büchner zu den "Glorreichen 7", wie sich die Truppe damals selbst nennt, hinzu.
Der kleine Verein steigt in die Spitze des Karate auf
Keine vier Jahre später holt Dietmar Renner 1978 den ersten Bayerischen Meistertitel in die Unterfränkische Provinz, 1979 wird erstmals bei einer Deutschen Meisterschaft gestartet. Spätestens 1981 dann steigt der kleine Verein in die absolute Spitze des Karate auf: Am ersten Tag der Deutschen Meisterschaften in Peine holt Bernd Bartelmann den 1. Deutschen Meistertitel im Einzel nach Untermerzbach, am zweiten Tag wird auch noch die Junioren-Mannschaft des KDU Erster. Aus der Lautsprecher-Anlage in der Halle, die aus Versehen noch angeschaltet ist, hört man unterdessen die Kampfrichter fragen: "Untermerzbach, wo ist denn Untermerzbach?"
Eine Woche später ist Erfolgstrainer Renner im Fernsehen im damaligen "Blickpunkt Sport" zu sehen – und ganz Untermerzbach stolz auf seine Karateka. Die Frage, wo der kleine Ort denn wohl liegt, stellt sich in den folgenden Jahren kaum jemand mehr in Karatekreisen. Denn zahlreiche KDU-Sportler erringen bis heute viele weitere Titel. Davon zeugen während der Geburtstagsfeier in der Itzgrundhalle unter anderem zwei Fensterbretter voller funkelnder Pokale.
Doch weniger die Erfolge als vielmehr die Gemeinschaft sind es, die den kleinen Sportverein zu etwas ganz Besonderem machen. Das betont auch der Präsident des Deutschen Karate-Bundes, Wolfgang Weigert, in seinem Grußwort und bezeichnet den KDU als "Aushängeschild unseres Verbands", der seit Jahrzehnten wertvolle Basisarbeit leistet und – noch viel wichtiger – gegenseitigen Respekt vermittelt.
Am 15. März feiert der Karateverein sein Jubiläumsjahr weiter: mit einem besonderen Lehrgang in Ebern, bei dem auch seltene Schwarzgurt-Prüfungen abgenommen werden. Im Mai soll es zudem noch ein weiteres Event für die zahlreichen Kinder geben, die das Vereinsleben seit der Gründung einer neuen, stark nachgefragten Kindergruppe wieder zahlreich bereichern.
Weitere Infos unter: www.karate-untermerzbach.de
