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ELTMANN: Leichenflecken kann man wegschminken

ELTMANN

Leichenflecken kann man wegschminken

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    Das Werden und Vergehen in der Natur wird als normal empfunden. Tod und Bestattung sind allerdings oft ein „Tabu-Thema“. Über den Tod nachzudenken, ist nicht leicht – schon gar nicht über den eigenen. Mit dieser schweren Materie beschäftigten sich die Neuntklässler der Wallburg-Realschule Eltmann im Religionsunterricht vor den freien Tagen nach „Allerheiligen.

    Viele Jugendliche haben zwar schon erlebt, dass Verwandte sterben. Möglicherweise waren sie schon auf Beerdigungen. Noch mehr kennen sie Leiden, Tod und Sterben aber aus den Medien. Trotzdem kommt die Auseinandersetzung mit diesem Thema oft zu kurz. Deswegen griffen die Lehrkräfte unter Leitung von Corinna Hartwich-Beck im Rahmen des Ethik- und Religionsunterrichtes die Möglichkeit zu einem Projekt auf, bei dem als Fachkräfte von außerhalb drei Bestattungsunternehmer aus dem Landkreis an die Schule kamen. Und wie die Schüler über Bestatter denken, zeigte sich gleich bei den ersten Fragen: „Wie kommt man damit zurecht, dass man oft einen Toten sieht? Kann man da noch fröhlich sein?“

    Bestattungsunternehmerin Petra Schuhmann antwortete, man müsse trennen können zwischen Beruf und Privatleben. „Das ist unser Job und ich habe Gefühle, aber die lasse ich nur bis zu einem gewissen Punkt zu.“ Natürlich sei auch die Trauer wichtig, die man zulassen müsse. „Aber man muss auch wissen, dass auch mein Leben dazu gehört und das geht weiter.“ Bestattungsunternehmer Jürgen Hetterich verwies auf andere Berufe, denen es durchaus ähnlich gehe, wenn sie nicht mehr helfen könnten, wie Ärzte, Krankenschwestern oder das Personal auf einer Palliativstation, Rettungssanitäter oder Pfarrer, die viele Tote beisetzten: Alle diese Berufe erlebten viel Leid.

    Tanja Kremer, die als Bestatterin neue Wege geht und Verstorbenenversorgung und eine Zeit der Aufbewahrung auch zu Hause anbietet, rückte nicht allein das Leid in den Vordergrund, sondern auch die Möglichkeit, dass Angehörige einen individuellen Abschied nehmen können.

    „Warum haben Sie sich für diesen Beruf entschieden?“, wollten die Schüler von ihren Besuchern wissen: Jürgen Hetterich und Petra Schuhmann, beide im Bestattungsunternehmen Hetterich aufgewachsen und tätig, meinten, dass sie praktisch in diesen Beruf hineingeboren wurden, weil ihre Eltern ihn schon ausgeübt hätten. Der Vater hatte früher eine Schreinerei, in der er Särge selbst hergestellte.

    Tanja Kremer hat diesen Beruf einfach gelernt. Das aber hatte einen besonderen Grund. „Meine Schwester ist schon als Kind verstorben, ebenso mein Opa. Und ich verlor mit 18 Jahren meine erste große Liebe durch einen Unfall. Schließlich kam noch der Tod einer weiteren Schwester dazu, so dass ich eigentlich von klein auf mit dem Tod und dem Sterben in Berührung kam.“ Da sie sich nicht von ihrer Schwester verabschieden konnte, habe sie den Tod auch nicht begreifen können. Deswegen sei ihr heute die Zeit des Abschiedes ganz wichtig; aus diesen Erfahrungen heraus habe sie den Beruf gewählt.

    Damit war das Eis bei den Schülern gebrochen, sie fanden Vertrauen zu den Bestattern und kamen mit vielen weiteren Fragen. Und sie ließen sich Begriffe wie Leichenflecken, Leichen- und Totenstarre erläutern. Bevor aber der Bestatter seine Arbeit aufnehmen könne, müsse ein Arzt den Tod feststellen. Natürlich werde der Leichnam auch für den Sarg hergerichtet, womit die Einstellung zum Schminken angesprochen war. Hierzu gebe es unter den Angehörigen wie Bestattern unterschiedliche Meinungen. Manche Hinterbliebene legten Wert auf Schminken, andere nicht. Wunden oder Flecken im Gesicht könne man sicher kaschieren.

    Was geschehe, wenn jemand im Ausland sterbe und und es Wochen dauere, bis er überführt werden könne, war eine weitere Frage. Die Schüler erfuhren, dass es hier Vorschriften gibt und der Leichnam einbalsamiert werde. Hierzu gebe es sogar eine Zusatzausbildung zum „Thanatopraktiker“, der es beherrsche, den Verwesungprozess zu verzögern. Auch am Flughafen in Frankfurt gebe es Räume, in denen Verstorbene für den Transport in ein anderes Land versorgt würden.

    Ausgiebig wurde über Bestattungskultur und Grabkultur diskutiert, die in verschiedenen Ländern und in den jeweiligen Orten unterschiedlich sei. Der Trend gehe zu immer mehr Feuerbestattungen, vor allem in den Städten. Die Realschüler erfuhren, dass es in Deutschland eine Bestattungs- und Beisetzungspflicht gibt.

    Wie die Schüler selbst sahen, können Männer und Frauen den Beruf des Bestatters ausüben, den es erst seit dem Jahre 2003 gibt. Seit 2010 kann man die Meisterprüfung ablegen. Sollte sich ein Schüler für den Beruf entscheiden, käme er zur Ausbildung nach Münnerstadt, wo es das Bundesausbildungszentrum und einen europaweit einzigartigen Lehrfriedhof gibt. Den praktischen Ansatz des Projektes erfuhren die Schüler in Eltmann durch die Vorstellung von Urnen und den Totenwagen mit der Sargausstattung.

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