Karin Schorrs Buch „Festhalten in meiner Lebensachterbahn“ ist ein mutiges Buch. Um anderen Menschen ein Beispiel zu sein, beschreibt die Autorin, wie sie Wege aus einer tiefen Lebenskrise gefunden hat. In diesem Sinne darf man der Zeilerin die Daumen drücken, dass ihr Buch eine große Leserschaft findet.
Mutig ist das Buch aber vor allem deshalb, weil Schorr offen damit umgeht, dass ihr Weg aus dem Tief derjenige in eine neue Partnerschaft war. So leben ihr schwer behinderter Ehemann, ihr Freund und sie heute zusammen unter einem Dach. Auch wenn Karin Schorr und ihre Freund Wolfgang Sandler bekunden, in ihrem Umfeld fast nur positive Signale für ihre Dreiergemeinschaft zu empfangen, so dürfte doch klar sein: das kann nicht jedem gefallen. Und so ist „Festhalten in meiner Lebensachterbahn“ auch ein interessanter Ansatz für einen gesellschaftlichen Diskurs. Was ist erlaubt, was nicht? Darf das sein, so eine Konstellation aus Frau gesund, Ehemann krank, Freund gesund?
Die Antwort darauf ist eindeutig: Es gibt keine grundsätzliche Antwort. Es sei denn, man unterwürfe sich blind moralischen oder religiösen Regeln und hinterfragte nicht deren Rechtfertigung und Sinn für das eigene Leben. Der Ansatz, den die Zeiler Protagonisten gewählt haben, scheint indes der lebensnähere und zugleich verantwortungsvollere zu sein. Sie wollen nicht auf ihr Glück verzichten. Aber sie stellen sich kritisch die Frage, ob ihr Tun fair ist, sprich ob und wem es nutzt und wem es schadet. Daraus haben sie eine Form des Zusammenlebens geschmiedet, von der jeder profitiert, aber auch Verzicht üben muss.
Ähnliche Modelle mag es viele geben, aber es wird kaum darüber gesprochen. Das zu ändern, auch dazu könnte Schorrs Buch ein wichtiger Beitrag werden. Die Moral von der Geschicht' wäre, dass es keine Moral gibt, die von außen übergestülpt werden kann. Faires Handeln liegt in der Eigenverantwortung eines jeden Menschen.