Es ruckelt und schaukelt in der Kabine, und das, obwohl Reinhard Böhm unter sich rund 30 Tonnen Maschine hat und im Rücken auch noch einmal rund 20 Tonnen Fracht. „In normalen Jahren merkst du von solchen Bodenunebenheiten gar nichts“, da schluckt das rund 770 PS starke Ungetüm mit seinen sechs mannshohen und breiten Reifen an drei Achsen die kleinen Spurrillen oder Verwerfungen auf dem Rübenfeld. Aber normal ist in diesem Jahr eh nichts auf den Feldern. Auch nicht auf den Zuckerrübenäckern. Durchs Fenster der Kabine deutet der Fahrer des Roders hinaus auf die Zuckerrüben: „Es ist alles wie ausgebrannt“, sagt er. Schon von Weitem sind Risse im ausgetrockneten Boden zu sehen. Überall dort, wo die Rüben kaum über die Größe eines Rettichs hinausgewachsen sind.
Was auf dem Feld an den Blättern der Rüben abzulesen ist, spiegelt sich auch am Rübenhaufen ab. Klar liegen dort auch Rüben, halbwegs normal entwickelte, aber unterm Strich „ist es vielleicht gerade mal die Hälfte einer normalen Ernte“, sagt Landwirt Winfried Löhr aus Unterhohenried, der gerade mit seinem Sohn Tobias das Ernteergebnis in Augenschein nimmt. „Es kam bei uns einfach kein Regen an“, sagt der 64-jährige Landwirt. Seit Jahrzehnten baut er Zuckerrüben an, aber so eine lange Trockenheit mit so heißen Tagen – dass es so etwas schon mal gab, das hat er noch nicht erlebt. Auch nicht, dass der Rübenroder eine Staubfahne nach sich zieht, fast wie beim Getreidedreschen im Sommer.
Nicht anders empfindet es Ernst Merz von der Rübenabteilung der Zuckerfabrik in Ochsenfurt. Seit 35 Jahren arbeitet er in diesem Metier, „aber eine so intensive Trockenperiode habe ich noch nicht erlebt“. Nicht 1976, im sogenannten Dürre-Jahr, und auch nicht im Jahr 2003, als es extrem trocken und heiß gewesen ist. Bis in eine Tiefe von 50 Zentimetern ist an manchen Stellen kein Wasser mehr vorhanden. Selbst wenn es dann regnet, binde erst einmal der Boden das Wasser. Die Pflanzen könnten davon kaum profitieren. Für Merz ist die Situation in diesem Jahr bedenklich. Es bräuchte 14 Tage Regen am Stück, um die Situation zu entspannen.
Allerdings ist die Situation nicht überall die Gleiche. Auf besseren Böden, wo die Rüben länger durchgehalten haben, könne noch mit einer leicht unterdurchschnittlichen Ernte gerechnet werden. Derzeit liegt im Bereich Haßberge der Ertrag bei rund 50 Tonnen pro Hektar. In einem normalen Jahr liegt der langjährige Durchschnitt bei knapp 70 Tonnen pro Hektar. Der überdurchschnittlich hohe Zuckergehalt gleiche den geringeren Ertrag ein wenig aus: Der Zuckergehalt liegt derzeit bei rund 23 Prozent, in normalen Jahren ist der Wert bei rund 18 Prozent. Das gleiche die fehlende Menge zwar ein wenig aus, aber es ist weit entfernt von einem normalen Erlös, so Merz. Positiv ist zumindest, dass die Rüben in diesem Jahr kaum Erdanhang haben: Dieser liegt bei rund zwei bis drei Prozent, in normalen Jahren ist dieser Wert bei etwa sechs Prozent.
Der durchgetrocknete Boden sorgt dafür, dass beim Roden kaum noch Erde mit auf dem Rübenhaufen landet. Das hört sich positiver an, als es tatsächlich ist, denn: Wie schon zu Beginn der Kampagne gibt es inzwischen Bereiche in der Region, in denen das Roden angesichts der harten Böden bald nicht mehr möglich sein wird, sagt Tino Scheithauer vom Maschinenring Haßgau in Hofheim: „Jeden Tag wird es schlechter.“ Und der harte Boden bedeutet auch, dass sich der Verschleiß am Roder erhöht, die Schore müssen öfters gewechselt werden, „weil im Boden kein Wasser da ist, das schmiert“.
Der harte Boden stellt auch die Rode-Logistik vor Herausforderungen, berichten Scheithauer und Alexander Krauser von der Zuckerrüben-Rodegemeinschaft Haßgau. Normalerweise geht das Roden genau nach Plan. Fallen dann aber ganze Bereiche weg, wie zu Beginn etwa im Bereich von Gerolzhofen, dann müssen der Roder und dann auch die Rübenmaus quasi im Zickzack-Kurs durch die Region fahren, immer zu den Feldern, wo das Roden und die Abfuhr noch möglich sind. Die Abfuhrpläne da ständig neu zu gestalten, sei schwierig.
Vorbei sein soll die Kampagne an den ersten Januartagen des neuen Jahres. Daran glauben mag Alexander Krauser allerdings nicht unbedingt, denn die Zuckerfabrik habe bei der anzuliefernden Menge ja auch einen Zuwachs eingerechnet, aber angesichts der anhaltenden Trockenheit „wird der nicht kommen“, so die Einschätzung von Krauser. Und damit könnte es durchaus sein, dass die Kampagne früher endet.
So auch die Einschätzung von Scheithauer: „Der Ertragszuwachs dürfte nicht so sein, wie er in Rechenmodellen aus früheren Jahren ermittelt wird. Der Boden ist leer, es fehlt das Wasser, ob der Tau reicht, ist ungewiss.“
Was bei fast allen Feldfrüchten in diesem Jahr zu bemerken war, trifft unterdessen auch auf die Zuckerrüben zu, berichtet Scheithauer weiter: die extremen Schwankungen beim Ertrag. Mitunter gebe es Zuckerrübenfelder, auf denen gerade mal 30 Tonnen geerntet werden, oftmals werde der Ertrag bei rund 50 Tonnen liegen und nur selten um die 70 Tonnen.
Weit unter einem normalen Jahr liegt deshalb auch der Ertrag auf dem Feld von Winfried Löhe zwischen Sylbach und Uchenhofen. Und das ist bitter, denn auch das Ernteergebnis von Winterweizen und Raps lag weit unter dem Ertrag eines normalen Jahres. Hinzu kommt bei den Rüben, dass die Landwirte auch noch mit dem Preisverfall zu kämpfen haben, „und jetzt noch die schlechte Ernte“, sagt Winfried Löhe. Und sein Sohn Tobias ergänzt: Wenn sich solche Jahre häuften, dann werde es auch für die Zuckerrübenanbau schwierig. Sein Vater Winfried blickt zurück: „Die Zuckerrübe war früher die Stütze des Betriebs.“