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HAßFURT: Streiflicht: Braucht die Lokalpolitik eine Frischzellenkur?

HAßFURT

Streiflicht: Braucht die Lokalpolitik eine Frischzellenkur?

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    Unsere stark repräsentative Demokratie muss sich ein Stück weit neu erfinden, hat am Dienstag Oliver Kunkel, der bei den Kommunalwahlen 2020 für die Grünen als Landrat kandidieren will, im Gespräch mit dieser Redaktion gesagt. Und gemeint hat Kunkel damit tatsächlich die kommunale Ebene. Hier hat er eine Beteiligungsdemokratie gefordert.

    Der Zeiler Politikneuling hat große Ideen für die Reformation der Begegnung von Politik und Bürgerschaft, für das Einbeziehen der Bevölkerung in den Prozess der Willensbildung und politischen Entscheidungsfindung. Der Wahlkampf wird nach den Sommerferien beginnen, dann wird Kunkel versuchen, die Haßbergler von seinen Vorstellungen zu überzeugen – und sich umgekehrt einen kritischen Blick auf seine Vision gefallen lassen müssen.

    Es lohnt sich aber schon jetzt, die Frage zu stellen, ob die (repräsentative) Demokratie auf Ebene der Gemeinden bei uns eine Frischzellenkur bräuchte. Die Antwort lautet eindeutig: Ja! Und zwar nicht in großen hypothetischen Modellen, sondern im praktischen Leben. Zwei Beispiele sollen hier genügen.

    Beispiel Eins: die Bürgerversammlungen. Landauf landab erwecken die Bürgermeister den Eindruck, dass ihnen diese Veranstaltungen lästige Pflichterfüllung und nicht Chance zum Dialog mit ihren Bürgern sind. Deshalb verfolgen die Rathauschefs immer dasselbe Konzept: Sie texten ihre Zuhörer so gewaltig und lange mit„allgemeinen Daten zur Entwicklung der Gemeinde“ zu, dass diese nach dem dritten Bier im Vereinsheim und infolge der fortgeschrittenen Zeit viel zu müde sind, um noch eine echte Diskussion zu entfachen. Abhilfe: Der Spieß wird umgedreht. Erst bringen die Bürger ihre Anliegen vor. Und wenn nach der Diskussion noch Zeit ist, kann der Gemeindechef ja seine übliche Vorlesung halten.

    Beispiel Zwei: die Ratssitzungen. Selbst deren öffentliche Teile sind fast nie öffentlich, weil sich kaum Zuhörer in die Ratssäle verirren. Natürlich informiert die Presse über den Kern der Versammlung (und im Vorfeld über die Tagesordnung). Doch es ist schon etwas anderes, live dabei zu sein. Und wenn doch einmal ein Interessierter am Besuchertisch Platz nimmt? Dann steht manchem Rat der Ausruf „Hilfe, ein Bürger!“ ins Gesicht geschrieben. Da ist man doch lieber unter sich.

    Das aber ist die falsche Einstellung. Denn es gibt nichts Heilsameres für unsere Demokratie, als dem Bürger politische Entscheidungen und den oft steinigen Weg dorthin transparent zu machen. Ihn abzuholen und mitzunehmen, wie es immer heißt. Probates Gegenmittel also: Die Gemeinden könnten ihre Bürger viel aktiver zu Gemeinderatssitzungen und der Landkreis zu Kreistagssitzungen einladen als bisher. Und für die Tagesordnungspunkte regelrecht werben. „Heute große Entscheidung über...“ Mal könnten die Gremien speziell Schulklassen oder Auszubildende einladen, mal Unternehmer oder Arbeitnehmer. Und es gibt tatsächlich auch Fälle in Bayern wie in Münnerstadt, wo ein Stadtrat seine Sitzung mit einer Bürgerfragestunde kombiniert. Demokratie muss hier nicht neu erfunden, sie muss wiederbelebt und am Leben gehalten werden.

    Andernfalls könnte auch im Lokalen der Eindruck immer mehr überhand nehmen, dass „die da oben über unsere Köpfe hinweg regieren“. Und zu was das landauf, landab führt, ist an Nichtwählern und Wutbürgern allzu deutlich zu erkennen.

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