Eines der außergewöhnlichsten Büros im Landkreis Haßberge hat sicherlich Steuerberater Olaf Ernst in Untersteinbach. Sein Schreibtisch war einmal der Läuterbottich einer Brauerei und er steht im ehemaligen Sudhaus. Für die Wiederbelebung des historischen Brauhauses mitten im Ortskern von Untersteinbach haben Andrea und Olaf Ernst jetzt den Förderpreis der Kulturstiftung des Bezirks Unterfranken erhalten. Bezirkstagspräsident Erwin Dotzel würdigte mit der Übergabe der Auszeichnung am vergangenen Dienstag die Verdienste um die Erhaltung historischer Bausubstanz.
Steiniger Weg voll Arbeit und Bürokratie
Das Gebäude, in dem sich heute die Steuerkanzlei von Olaf Ernst und drei Ferienwohnungen befinden, fristete lang ein Schattendasein und der Weg zum heutigen Prachtstück war mit viel Arbeit und Bürokratie gepflastert. Doch heute sind Andrea und Olaf Ernst glücklich mit ihrer Entscheidung, die Feriengäste sind begeistert. "Ein Paar, das mehrfach bei uns war, hat mittlerweile in Rauhenebrach einen Bauplatz gekauft und wird seinen Hauptwohnsitz hierher verlegen", erzählt Ernst nicht ohne Stolz. Als Mitglied des Gemeinderates in Rauhenebrach liegt ihm auch viel an der Entwicklung der Gemeinde insgesamt.

Brauereibesitzer Georg Zeck hatte 1928 den Bau eines neuen, für die damalige Zeit sehr modernen Brauereigebäudes beantragt, Architekt und Bauleiter war der Urgroßvater von Olaf Ernst, Karl Rüttinger (1880 – 1952). Das neue Brauhaus war noch nicht einmal verputzt, da trafen die Wirtschaftskrise und der Tod seiner Frau Elsa. In den 1950er Jahren verkaufte Zeck das gesamte Anwesen mit Gaststätte und Brauhaus an die Brauerei Kesselring aus Marktsteft. Das Gasthaus wurde weiterbetrieben, die Brauerei fiel in einen Dornröschenschlaf. Zeit und Witterung setzten dem Gebäude zu, innen wurde zunehmend mehr Unrat abgelagert.
der Urgroßvater war der Architekt
Ab Herbst 2010 befasste sich Olaf Ernst mit dem Gedanken, das Bauwerk seines Urgroßvaters zu "retten" – allerdings musste er erst noch seine Ehefrau Andrea mit seiner Begeisterung anstecken. Als er in Gespräche mit der Brauerei Kesselring tritt, hat er ein Nutzungskonzept im Kopf, das auch die Gemeinde Rauhenebrach und das Bayerische Innenministerium überzeugt, so dass das Vorhaben in das Städtebauförderungsprogramm zur Revitalisierung von Gewerbebrachen aufgenommen wurde.

2013 kaufte er das Gebäude und das angrenzende Grundstück, das durch den Abbruch der früheren Schreinerei frei wurde. So wurde auch ein Garten möglich.
Wochenlang musste Schutt entfernt werden
Im Frühjahr 2014 begann der Umbau mit einer riesigen Schlepperei, denn "wir haben erstmal Wochen lang Schutt geschleppt. Reifen, Maschinenteile, Einrichtungsfragmente, mehrere große Mulden wurden abgefahren", erinnert sich Olaf Ernst. Sämtliche Räume erhielten eine innen liegende Wärmedämmung, der Dachstuhl musste ausgebessert werden, die Schleppgauben wurden von einem ortsansässigen Zimmerer originalgetreu nachgebaut.

Der äußerliche Charakter des eigenwilligen Gebäudes, das zur Hauptstraße hin ganz schmal in die Höhe ragt, von der Rückseite her erst seine wahre Größe zeigt, blieb erhalten, viele Stilelemente treten jetzt erst richtig deutlich zu Tage. Vor allem die beiden hohen, gebogten Fenster prägen die Fassade. Moderne Isolierscheiben liegen jetzt hinter den original Metall-Sprossen.
Rillenputz als echte Herausforderung
Eine Herausforderung war die Putzfassade. Es handelt sich dabei um einen für damalige Industriegebäude typischen, aber heute kaum noch erhaltenen Rillenputz, für dessen Wiederherstellung eigens Kirchenrestauratoren beigezogen werden mussten.

Und auch innen sorgen die erhaltenen Elemente der einstigen Nutzung für den besonderen Charakter der Räume, ob in den Ferienwohnungen in der früheren Mälzerei oder in den Büroräumen im einstigen Sudhaus. Zwar ist der Sudkessel aus Platzgründen entfernt worden, aber aus einem Segment des Läuterbottichs entstand Olaf Ernsts neuer Schreibtisch. Eine Glasplatte im Boden gleich neben dem Eingang zu seinem Büro gibt den Blick frei auf den beleuchteten acht Meter tiefen Brunnen, den Olaf Ernst und seine Helfer in mühevoller Arbeit von Unrat befreit und abgestrahlt haben.

Ferienwohnungen werden gut angenommen
Auch in den Ferienwohnungen, die auch jetzt im Herbst noch alle drei vermietet sind, kommen ehemalige Brauerei-Gegenstände zu neuer Funktion. So wurde der frühere Hopfenseiher aus dem Kühlschiff ein ganz besonderer Wohnzimmertisch, Teile der Schrotmühle wurden restauriert und fügen sich nun optisch nahezu perfekt in die neu entstandenen Büroräume ein. Immer wieder werden die weiß verputzten Wände von Ziegel-Details oder Rundungen des früheren Kamins unterbrochen. Der Berieselungskühler, der einst die Würze abkühlte, wurde zum Brunnen im Garten.

Die Auszeichnung macht Andrea und Olaf Ernst stolz – und motiviert für den nächsten Schritt. Beim Blick aus dem Fenster steht da die einstige Gastwirtschaft mit dem angrenzenden Tanzsaal, die ebenfalls zum Areal gehört – und in der schon lange kein Essen mehr serviert wird. Verschiedene Ideen hat Olaf Ernst für dieses Gebäude entwickelt. "Da muss ich noch allerhand Gespräche führen", erzählt er. Jetzt braucht er erstmal mindestens eine/n Auszubildende/n für seine Steuerkanzlei. Die läuft seit fünf Jahren im Steigerwald genauso gut wie vorher im Maintal, denn "die Infrastruktur gerade auch in Sachen Internet ist hier bei uns hervorragend" – und wer hat schon seinen Schreibtisch in einer Brauerei stehen.

