Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Haßberge
Icon Pfeil nach unten
Haßbergkreis
Icon Pfeil nach unten

Kreis Haßberge: Wie der "schönste Tag im Leben" wirklich persönlich wird

Kreis Haßberge

Wie der "schönste Tag im Leben" wirklich persönlich wird

    • |
    • |
    2017 veranstalteten die Hochzeitsplaner von Wendy Weddings erstmals eine Freie Trauung. Das Bild zeigt (von links): Videograf Eugen Koch, Brautpaar Lydia und Viktor Babin, Hochzeitsplanerin Irma Schmidtke und Trauredner Vadim Koslow.
    2017 veranstalteten die Hochzeitsplaner von Wendy Weddings erstmals eine Freie Trauung. Das Bild zeigt (von links): Videograf Eugen Koch, Brautpaar Lydia und Viktor Babin, Hochzeitsplanerin Irma Schmidtke und Trauredner Vadim Koslow. Foto: Ismail Hacivelioglu

    Die Hochzeit wird oft als "schönster Tag im Leben" bezeichnet. Doch beim Ablauf einer Trauung sind Brautpaaren oft enge Grenzen gesetzt; zu eng für manche Paare, zumal für viele eine religiöse Zeremonie in der Kirche nicht infrage kommt. Wer dennoch eine schöne Zeremonie möchte, die über die Möglichkeiten bei einer standesamtlichen Hochzeit hinausgeht, hat mit einer Freien Trauung die Gelegenheit dazu.

    "Die Deutsche Mentalität ist ja: Du brauchst für alles eine Erlaubnis", sagt Vadim Koslow. Deswegen erklärt der Trauredner auch immer am Anfang seiner Reden, was es mit einer Freien Trauung auf sich hat. Denn rechtsgültig sind die Trauungen, die er durchführt, nicht – ebenso wenig wie eine kirchliche Trauung. Wer in Deutschland vor dem Gesetz ein Ehepaar sein möchte, mit allen steuerlichen und rechtlichen Vor- und Nachteilen, die das mit sich bringt, wird nicht an der standesamtlichen Trauung vorbeikommen. Vielen Paaren reicht das. Andere wünschen sich eine feierlichere Zeremonie, abseits des reinen Verwaltungsaktes. Für religiöse Paare ist das üblicherweise die kirchliche Trauung durch einen Priester. Doch die Möglichkeiten sind wesentlich vielfältiger.

    Da die persönliche Zeremonie keine Rechtswirkung hat, gibt es bei deren Gestaltung auch keine Grenzen und Vorgaben; und es ist auch keine offizielle Ausbildung oder amtliche Genehmigung nötig, um eine solche Hochzeit zu leiten. So kann beispielsweise auch ein Freund des Brautpaars die Rolle des "Priesters" übernehmen – oder eben ein professioneller Trauredner wie Vadim Koslow.

    Einfühlungsvermögen ist wichtig

    Auch wenn theoretisch jeder ohne Vorkenntnisse, Ausbildung oder Genehmigung die Rolle übernehmen dürfte, betont Koslow, dass ein Trauredner gewisse Fähigkeiten mitbringen sollte. Unter anderem sei ein gewisses Einfühlungsvermögen wichtig. "Da vertraut dir jemand seine ganz persönliche Geschichte an." Aus den Infos, die er in solchen Gesprächen erhält, schreibt Koslow dann seine Rede, die er bei der Hochzeit hält.

    Seine erste Freie Trauung hat er 2017 durchgeführt. Schon vorher gehörte er zum Team von "Wendy Weddings", einer Firma für Hochzeitsplanung in Knetzgau. Als dann mit Lydia und Viktor Babin ein heiratswilliges Paar nach einer Freien Trauung fragte, aber keinen Redner fand, der die beiden wirklich ansprach, ließ sich Vadim Koslow schnell von diesem Konzept überzeugen und übernahm selbst die Rolle des Redners. Zur Vorbereitung besuchte er einen mehrtägigen Workshop, seitdem gehören die Freien Trauungen zum Angebot der "Wendys". Nicht ausschließlich, denn die Hochzeitsplaner um Irma Schmidtke, die laut der Website "der Kopf und das Herz von Wendy Weddings" ist, bieten auch weiterhin die Möglichkeit, nach kirchlichen oder standesamtlichen Trauungen lediglich die Feier zu organisieren. Am besten gefällt es Vadim Koslow allerdings, das "Gesamtpaket" anzubieten.

    Aufgekommen ist die Nachfrage nach Freien Trauungen bei der Knetzgauer Firma auch dadurch, dass Schmidtke und Koslow oft multikulturelle – vor allem deutsch-russische – Hochzeiten ausrichten. Der Spagat zwischen verschiedenen Kulturen, Traditionen, Religionen und Konfessionen sei bei kirchlichen Trauungen nur schwer machbar, während freie Trauredner einen wesentlich größeren Spielraum haben.

    Die Rede bleibt eine Überraschung

    "Das ist etwas für alle, die zum Standesamt noch einen schönen zeremoniellen Rahmen suchen, für die die Kirche aber nicht infrage kommt", fasst Lina Schramm den Kundenkreis für Freie Trauungen zusammen; von geschiedenen Katholiken, die kein weiteres Mal kirchlich heiraten dürfen, über Menschen, die mit Religion nichts anfangen können oder aus anderen Gründen aus der Kirche ausgetreten sind, bis hin zu homosexuellen Paaren. Lina "Traulina" Schramm ist selbst Traurednerin, im Gegensatz zu Vadim Koslow gehört die Knetzgauerin allerdings nicht zum festen Team einer Hochzeitsplanungsfirma. Angefangen hat es bei ihr damit, dass sie als Musikerin bei Hochzeiten auftrat. Dann machte die Sängerin ein Coaching. Nun übernimmt sie, nach einem Coaching bei einer anderen Traurednerin, seit 2016 auch die Aufgabe, Paare zu vermählen.

    Wenn sie ihre Reden schreibt, bezieht sie nicht nur das mit ein, was ihr das Brautpaar über sich selbst erzählt hat, sondern spricht auch mit den "liebsten Menschen", also Freunden und Verwandten des Paares, um einen anderen Blickwinkel auf die beiden zu bekommen. Dann gibt es Vorgespräche, in denen mit dem Brautpaar der Ablauf der Trauung besprochen wird. "Aber die Rede bleibt für das Paar die Überraschung", sagt Schramm. Die Traurednerin hat unter dem Titel "Persönlich heiraten" auch ein Buch geschrieben, in dem sie die Vorteile und Gestaltungsmöglichkeiten von Freien Trauungen aufzeigt.

    Familien sind oft positiv überrascht

    Das Konzept der Freien Trauung ist noch immer recht unbekannt. Dementsprechend skeptisch seien gerade viele Verwandte von Brautpaaren im Vorfeld einer solchen Hochzeit, berichtet Vadim Koslow. Hinterher werde er aber oft von begeisterten Hochzeitsgästen angesprochen. Insgesamt seien Freie Trauungen viel persönlicher, da sich hier wirklich alles in erster Linie um das Brautpaar dreht. Dabei betonen Vadim Koslow und Irma Schmidtke, dass sie sich nicht als Konkurrenz zur Kirche betrachten und auch das Konzept der Freien Trauung nicht bewerben wollen, indem sie die kirchliche Hochzeit schlechtreden oder abwerten. Vielmehr geht es ihnen darum, Alternativen aufzuzeigen für die, die noch nicht das Richtige für sich gefunden haben.

    Vadim Koslow versucht als Trauredner, eine möglichst persönliche Rede für das Brautpaar zu halten.
    Vadim Koslow versucht als Trauredner, eine möglichst persönliche Rede für das Brautpaar zu halten. Foto: Andreas Kraitzek

    Die Nachfrage ist mittlerweile so gestiegen, dass "Wendy Weddings" seit diesem Jahr neben Vadim Koslow eine zweite Traurednerin im Team haben: Lydia Babin, die bei der ersten von Koslow durchgeführten Trauung die Braut war, ist von dem Konzept so überzeugt, dass sie nun selbst Paar traut. Den Workshop, in dem sie lernte, was sie dafür wissen muss, belegte sie bei Vadim Koslow. Lydia Babin sagt, sie habe damit ihre Leidenschaft gefunden. Über ihren "Lehrmeister" sagt sie: "Ich bin froh, dass ich jemanden gefunden habe, der mich an die Hand nimmt." Der betont, dass sie beim Redenschreiben einen ganz anderen Stil habe als er. Und das sei auch gut so, denn so könne sich jedes Brautpaar den passenden Redner aussuchen, mit dem die Chemie stimmt.

    Koslow selbst bezeichnet es als spannende Herausforderung, das eine oder andere Ereignis der Kennenlerngeschichte, das das Brautpaar selbst als negativ empfindet, in etwas Positives umzudeuten. Als Beispiel berichtet er, dass es vielen Paaren peinlich ist, wenn sie sich über das Internet kennengelernt haben. Dabei lasse das auch positiv ausdrücken: Das Internet bietet Möglichkeiten, Menschen kennenzulernen, die man sonst nie kennengelernt hätte. Zudem versuche er gerne, auch persönliche Vorlieben der Paare in den Reden zu verarbeiten. So erinnert er sich an die Hochzeit von zwei großen Fans der Band "Die Toten Hosen", bei der er die Rede mit Zitaten aus deren Liedtexten garnierte. Auch Lydia Babin betont: "Die Paare sollen sich in der Rede wiederfinden."

    Die Regeln stecken noch in vielen Köpfen

    "Die Paare merken oft erst im Gespräch, dass sie es machen können, wie sie wollen", erzählt Vadim Koslow. Denn nicht nur bei den Reden ist der Spielraum größer als bei traditionellen Hochzeiten, auch was Ort und Gestaltung der Veranstaltung angeht, sind der Fantasie kaum Grenzen gesetzt. So erinnern sich die Hochzeitsplaner beispielsweise an eine Trauung, die mitten in einem Weinberg zwischen den Rebstöcken stattfand, oder an eine, bei der sich ein Paar auf dem eigenen Grundstück, "also quasi zuhause", trauen ließ. Oft stecken in den Köpfen immer noch Regeln, die aus der Welt der kirchlichen und standesamtlichen Trauungen stammen, die sich aber bei einer Freien Trauung problemlos über den Haufen werfen lassen. So müssen die Paare nicht mit dem Rücken zu den Gästen sitzen und können sich auch eigene Rituale ausdenken, die ihre Liebe symbolisieren.

    Eines, das mittlerweile sehr beliebt ist, ist das Sandritual, das auch zusammen mit den Eltern des Paares durchgeführt werden kann: Hier gibt es Gläser, die mit Sand in verschiedenen Farben gefüllt sind. Zunächst füllen die Eltern etwas davon in eine Vase – als Symbol für die Basis, die durch die Familie gelegt wurde. Dann füllt das Brautpaar gleichzeitig Sand in die Vase. Die verschiedenen Farben durchmischen sich, gleichzeitig behält jedes Sandkorn seine Farbe - als Symbol dafür, wie die Eigenschaften der Partner ineinander greifen, ohne dass die Individualität verloren geht.

    Auch bei Lydia Babins Hochzeit gab es dieses Ritual. Heute steht die Vase in ihrem Büro, in dem sie nun ihre Kunden empfängt und ihnen die Möglichkeiten einer Freien Trauung näherbringt.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden