Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Main-Spessart
Icon Pfeil nach unten
Marktheidenfeld
Icon Pfeil nach unten

WERTHEIM: Brandanschlag auf Asylunterkunft

WERTHEIM

Brandanschlag auf Asylunterkunft

    • |
    • |
    Brandanschlag: Im baden-württembergischen Wertheim zündeten Unbekannte in der Nacht auf Sonntag nach Angaben von Polizei und Stadtverwaltung eine geplante Notunterkunft – die Turnhalle der früheren Polizeiakademie – an.
    Brandanschlag: Im baden-württembergischen Wertheim zündeten Unbekannte in der Nacht auf Sonntag nach Angaben von Polizei und Stadtverwaltung eine geplante Notunterkunft – die Turnhalle der früheren Polizeiakademie – an. Foto: Foto: Rene Engmann, dpa

    Wer steckt hinter dem Brandanschlag auf Notunterkünfte für 330 Flüchtlinge im Wertheimer Stadtteil Reinhardshof? Dass sich Brandstifter sogar an eine Turnhalle der Polizei wagen (hier war ursprünglich die Akademie zur Ausbildung von Ordnungshütern in Baden-Württemberg zuhause) zeigt, wie stark die Enthemmung inzwischen ist.

    Unter Hochdruck forscht eine zehnköpfige Sonderkommission mit dem Landeskriminalamt seit Sonntag im gelöschten Brandherd nach Hinweisen. Denn der Fall steckt voller Brisanz: In Wertheim im Main-Tauber-Kreis war die Lage in den vergangenen Tagen stark eskaliert.

    Bewegt hatten selbst die Feuerwehren, deren Mitglieder bis zum Umfallen schufteten, Klage darüber geführt, dass man an der Leistungsgrenze angekommen sei. Denn in der Stadt mit 22 500 Einwohnern sind bereits 600 Flüchtlinge in einer Notunterkunft untergebracht – in einem Ortsteil auf der Höhe über der Stadt mit 900 Einwohnern.

    In diesem Notquartier – ein ganzes Stück entfernt vom jetzigen Brandherd – kümmern sich ehrenamtliche Helfer, Rotes Kreuz (DRK) und Technisches Hilfswerk (THW) mit viel Engagement um die Flüchtlinge. Sie fühlen sich aber vom Land allein gelassen, weil die Notunterkunft noch nicht offiziell in eine Landeserstaufnahmeeinrichtung umgewandelt worden ist. Es fehlt Personal und Struktur, die freiwilligen Helfer sind laut Oberbürgermeister „mit ihren Kräften am Ende“. Deshalb hatte der Oberbürgermeister Stefan Mikulicz (CDU) vor einigen Tagen in einem Brandbrief gewarnt: „Das kann nicht gut gehen. Weitere Flüchtlinge im Stadtteil Reinhardshof aufzunehmen, würde zu einem Kollaps führen. Die Folgen sind nicht abzuschätzen. Bitte nehmen Sie davon Abstand!“

    Doch die Landesregierung hörte nicht auf ihn. Am Freitag gegen 19.30 Uhr ereilte den Oberbürgermeister die Hiobsbotschaft – er müsse weitere Flüchtlinge unterbringen: „Die Turnhalle der Polizeiakademie im Stadtteil Reinhardshof soll als Notquartier für rund 400 Flüchtlinge vorbereitet werden. Eine Belegung steht für Sonntag zu erwarten.“ Es hieß ausdrücklich, dies sei „keine weitere Zuweisung für Wertheim“. Vielmehr ginge es um eine reine Notunterbringung zur Vermeidung von Obdachlosigkeit.

    Rauchentwicklung bis ins Dach

    Da half dann auch der Besuch von Baden-Württembergs Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) am Samstag in Wertheim nicht weiter. Sie stellte zwar in Aussicht, neu ankommende Flüchtlinge sollten zunächst in Mannheim untergebracht werden. Aber auch Öney wollte nicht ausschließen, „dass in den nächsten Tagen weitere Flüchtlinge nach Wertheim kommen könnten.“

    Um Mitternacht brannte dann die Turnhalle in Wertheim, in der die Flüchtlinge zumindest vorläufig ein Dach über dem Kopf haben sollten. Um 0.43 Uhr wurde über Notruf der Brand gemeldet. Die Feuerwehr wurde um 0.50 Uhr alarmiert. Vor Ort stellte sie einen Brand im Gebäude mit Rauchentwicklung bis ins Dach fest. Zur Brandzeit hätten sich keine Personen in der Halle aufgehalten, sagten Vertreter der Feuerwehr. Bundeswehr-Soldaten hätten vor Ort bei der Absperrung des Brandherdes geholfen und so verhindert, dass viele Unbeteiligte zu Schaden kamen. Zwei Angestellte eines benachbarten Altenpflegeheims seien mit Verdacht auf Rauchgasvergiftung in eine Klinik gebracht worden. Das Feuer war um 1.22 Uhr gelöscht. Das Gebäude ist einsturzgefährdet und nicht mehr nutzbar. An der Rückseite wurden Beschädigungen festgestellt, die auf einen Einbruch hindeuten.

    Offenbar wurde ein Fenster eingeschlagen, um ins Gebäude zu kommen oder den Brand zu entzünden. Zeugen wollen eine Person gesehen haben, die von der Turnhalle zur Tatzeit weglief, in ein dunkles Auto stieg und wegfuhr. Am Sonntag fanden sich grüppchenweise bereits hier lebende Flüchtlinge am Brandherd ein und musterten das mannshohe, klaffende Loch an dem Gebäude. Nein, sie hätten keine Angst und fühlten sich sicher, sagte einer. Aber sie wollten so schnell wie möglich registriert werden, damit das Asylbewerberverfahren für sie und ihre Familien beginnen könne, sagte eine Frau.

    Perfider Weise haben der oder die Brandstifter das Ziel erreicht: „Es kommen keine weiteren Flüchtlinge nach Wertheim, da es die Notunterkunft nicht mehr gibt“, sagte der Stabsstellen-Chef der Landesregierung, Hermann Schröder, am Sonntag. Oberbürgermeister Stefan Mikulicz ist „bestürzt und erschüttert“, aber auch entschlossen: „Wir werden weitermachen, und die Reihen werden sich noch fester schließen.“

    Die Kirchen und Politiker verurteilen den Brandanschlag. Die örtliche Bundestagsabgeordnete Dorothee Schlegel sagte: Wer Asylunterkünfte angreift, ist kein besorgter Bürger, sondern kriminell. Ich hoffe sehr, dass die Täter schnell gefasst und bestraft werden.“ Die Chancen dafür stehen allerdings schlecht: In diesem Jahr registrierte die Polizei bisher 61 Brandstiftungen mit möglichem fremdenfeindlichen Hintergrund, allein 37 waren es seit Mitte Juli. Nur in jedem sechsten Fall, nämlich bei zehn Gelegenheiten, konnten die Beamten Verdächtige feststellen. Das ergaben Recherchen von NDR, WDR und der „Süddeutschen Zeitung“.

    Brand in geplanter Asylbewerberunterkunft in Rostock

    Ein zur Unterbringung von Flüchtlingen geplantes Mehrfamilienhaus im Landkreis Rostock ist am Sonntag von Unbekannten angezündet worden. Ob das derzeit unbewohnte Haus an einer Bundesstraße bei Laage weiterhin als Flüchtlingsunterkunft genutzt werden kann, sei derzeit noch unklar, teilte die Polizei am Sonntag mit. Auf dem Dachboden des Hauses brannte eine etwa zwei mal zwei Meter große Fläche. Der Staatsschutz ermittelt wegen eines potenziell fremdenfeindlichen Hintergrundes. Ende August hatte der Landkreis Rostock laut Polizei in einer Bürgerversammlung über den geplanten Umbau zur Flüchtlingsunterkunft informiert. Text: dpa

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden