Das 1882 im Saaletal gegründete Fischgut Seewiese im Gräfendorfer Ortsteil Schonderfeld blickt auf eine lange und interessante Geschichte zurück. Es dürfte die erste Einrichtung in Deutschland gewesen sein, in der Forellen in einem Bruthaus gezüchtet wurden.
Im Frühjahr 2021 plante das Bayerische Fernsehen für die Serie vom "Zwischen Spessart und Karwendel" einen Bericht über die Seewiese, was Johannes Sitter auf den Plan rief. Der ehemalige Gräfendorfer Bürgermeister und Bezirksrat a. D. wurde um Hilfestellung gebeten und spätestens die Übergabe von zwei prall gefüllten Aktenordnern mit historischen Unterlagen aus den Händen der Besitzerfamilien Thurn und Heinlein weckten seine Neugier. Er recherchierte weiter und fand Unterstützung für sein Vorhaben, die Geschichte der Seewiese umfassend dazustellen. Am Ende wurde es ein Buch mit 96 Seiten im übersichtlichen DIN-A 4-Format, illustriert mit Fotos, alten Zeitungsartikeln, Inseraten und Dokumenten. Beiträge der Gastautoren Willi Dürrnagel aus Würzburg und Michael Fillies aus Gemünden runden das gelungene Werk zur Heimatgeschichte ab.
Zunehmende Widrigkeiten in der Fischerei
Als Gäste zur Buchpräsentation begrüßte Sitter im Michelauer Gasthaus "Saalestuben" unter anderem Bezirkstagspräsident Erwin Dotzel, Landrätin Sabine Sitter, Bürgermeister Johannes Wagenpfahl und Kreisheimatpfleger Bruno Schneider. Erwin Dotzel wies auf die Verantwortung des Bezirks Unterfranken für die Fischerei hin, die es vor allem wegen zunehmender Widrigkeiten wie der überhand nehmenden konkurrierenden Tierpopulationen oder dem Klimawandel nicht einfach hat. Er dankte Johannes Sitter herzlich und nannte das Buch eine hervorragende Dokumentation über die Bedeutung der Fischerei und einen wichtigen Beitrag zur Regionalgeschichte.
Schon in der Vergangenheit wurde immer wieder in Fachzeitschriften und in Regionalzeitungen zu Themen rund um Forellen, Karpfen, Flussperlmuscheln und andere Wasserbewohner über das Fischgut berichtet. In der Gründerzeit vor über 130 Jahren vor allem darüber, welche Bedeutung diese neuen Zuchtmöglichkeiten für die gesunde Ernährung der wachsenden Bevölkerung haben. Schließlich überzeugten sich im beginnenden Industriezeitalter davon vor Ort auch Reichskanzler Otto von Bismarck und der bayerische Prinzregent Luitpold.
Der Gründer der Fischzuchteinrichtung
Als Gründer der Fischzuchteinrichtung gilt der in Kronach geborene und später in Würzburg tätige und dort wohnhafte Jurist Friedrich Zenk. Er kaufte 1882 die Fischrechte am Fischbach, dem Grenzbach zwischen Gräfendorf und Schonderfeld, sowie die anliegenden Grundstücke. Der Vorsitzende des "Unterfränkischen Kreisfischerei-Vereins" wird von Zeitgenossen als "innovative, fachlich versierte und sprachgewandte Persönlichkeit" charakterisiert und als "Forellenzüchter aus Leidenschaft." Bereits ein Jahr später gab es die ersten Veröffentlichungen über die Anlage und schon im Juli 1883 stellte Zenk seine "Seewiese" in London in der Royal Albert Hall einem weltweiten Fachpublikum vor.
1889 verkaufte der Besitzer aus gesundheitlichen Gründen die Anlage mit den damals 30 Zuchtteichen an den Oberstleutnant Wilhelm von Derschau. Ihm folgten die Familien Schellhorn-Wallbillich, Buhl und Hieke als Eigentümer, beziehungsweise Miteigentümer. Nach wechselnden Besitzverhältnissen und bewegten Zeiten im 20. Jahrhundert, erwarb 1970 das Frankfurter Spediteurs-Ehepaar Siglinde und Alois Heinlein die verwaiste Seewiese. Sie reaktivierten die Fischzucht, die heute von Tochter Petra und ihrem Mann Wolfgang Thurn im Nebenerwerb betrieben wird.