Gewiss haben in Retzstadt noch am Sonntagmorgen die Häuser gebebt und die Koniferen in den Vorgärten gerockt. Mit Sicherheit aber wird dem Dorf die aufregende Frühsommernacht auf dem „Platz der Freundschaft“ mit dem großartigen Konzert der „Spider Murphy Gang“ unvergesslich bleiben. Schließlich passte an diesem Abend einfach alles: eine perfekte Organisation, optimales Wetter, eine tolle Stimmung bei den Gästen und die sensationelle Schau der Altrocker um Barny Murphy und Günther Sigl. Ein wirklich vollendetes Geschenk für den Geburtstag des Musikvereins und für ganz Retzstadt.
Beachtliche Fitness
Schee dass mer no da san“, witzelten Murphy und Sigl, die beiden Gründungsmitglieder der „Gang“ unter Anspielung auf ihr fortgeschrittenes Alter, beteuerten aber gleichzeitig: „Mir zieahn's net aus, unsere Rock'n'Roll-Schuah“. Dieses Versprechen hielten sie tatsächlich voll ein. Mehr als 100 Minuten setzten die sechs Rocker die rund 1600 Besucher auf dem Festplatz unter Volldampf und ließen ihnen kaum eine Verschnaufpause.
Allein das ist schon eine Meisterleistung, wenn man bedenkt, dass sich Günther Sigl schon im 72. Lebensjahr befindet. Auch nach 40 Jahren zeigt die „Spider Murphy Gang“ kaum Abnutzungserscheinungen – zumindest nicht auf den ersten Blick. Die Herren stecklen noch voller Freude an ihrem Tun und stecken damit auch mühelos ihre Fans an.
Doch es war längst nicht nur der Drive, den die Herren auf der abendlichen Bühne zeigten. Es war auch musikalisches Können vom Feinsten. Da waren die irren Gitarrenläufe von Barny Murphy, für die das ohnehin enthusiastische Publikum in schiere Beifallsstürme ausbrach. Auch der Alt-Hippie Otto Stailoi sorgte mit atemberaubenden Soli auf dem Saxofon für Jubelrufe aus anderthalb tausend Kehlen. Den Vogel aber schoss der fulminante Drummer Andreas Keller ab – mit kaum 51 Jahren der jüngste in der Truppe: Sein Trommelsolo über gefühlte zehn Minuten hinweg brachte die Stimmung auf dem Platz zum Sieden. Mit dabei waren zudem Ludwig Seuss am Piano, der elektronischen Orgel und auf dem Akkordeon, und Willie Duncan, der „einzige Schotte weltweit, der bayrisch singt“.
Die Spiders erfüllten die Erwartungen ihres Publikums bezüglich ihrer Hits aus 40 Jahren Bandgeschichte. Da war der „Frosch im Hals und Schwammerln in die Knia“, da nahmen sie Abschied von der Elisabeth mit ihrem Wasserbett. Sie entführten ins „Schickeria“ und machten sich erneut lustig über den „Skandal im Sperrbezirk“. In dieselbe Kategorie fielen auch die „Peep-Show“ und der Club der einsamen Herzen in dem es bei Nichtgefallen „Liebe zurück“ gibt. Insgesamt zeigten sie deutlich: „Mir san a bayrische Band“, und immer noch von hoher Qualität.
Das bewies nicht nur die hohe Besucherzahl, sondern vor allem die Alterszusammensetzung der Gäste. Es gab zwar ganz klar eine Menge von Altrockern aus der Zeit der großen Open-Air-Konzerte, doch in der Mehrzahl fanden auch weitaus jüngere Fans den Weg nach Retzstadt. Erstaunlich viele davon hätten als begeisterte Teens sogar die Enkel der Musiker sein können – ein weiterer Beweis der anhaltenden Ausstrahlung der „Spider Murphy Gang“.
Zwei Vorgruppen
Der Musikverein Retzstadt hat sich mit diesem Konzertabend ein wunderschönes Geburtstagsgeschenk als Abschluss seiner Jubelfeiern zum 25-Jährigen gemacht. Das gilt umso mehr, weil man auch den Mut hatte, am späten Nachmittag mit dem Projektorchester Würzburg und den „Wirtshaus-Vielharmonikern“ zwei Klangkörper zu präsentieren, die als Vorgruppen fast schon zu schade waren, sondern für sich alleine einen würdigen musikalischen Rahmen hätten abgeben können.
Unter der Leitung von Markus Hein präsentierte das sinfonische Blasorchester ein Konzertprogramm aus dem Bereich der Film- und Musicalmusik auf hohem Niveau. Die zweite Gruppe unterhielt mit pfiffigen, fröhlichen Stücken aus der böhmisch-mährischen Tradition und Schlagern der 60er und 70er Jahre.
