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RIENECK: Jetzt darf an Kriegsverbrechen erinnert werden

RIENECK

Jetzt darf an Kriegsverbrechen erinnert werden

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    Angefeindet: Drohungen und Beleidigungen sieht sich Elfriede Krutsch in Rieneck ausgesetzt, seit sie ihrer Heimatstadt eine Gedenktafel zur Erinnerung an die Ermordung von fünf Kriegsgefangenen am 29. März 1945 stiften will. Die nunmehr revidierte Ablehnung der Gedenktafel durch den Stadtrat und die Begründungen dafür haben dem 2000-Einwohner-Ort landesweite Aufmerksamkeit eingebracht.
    Angefeindet: Drohungen und Beleidigungen sieht sich Elfriede Krutsch in Rieneck ausgesetzt, seit sie ihrer Heimatstadt eine Gedenktafel zur Erinnerung an die Ermordung von fünf Kriegsgefangenen am 29. März 1945 stiften will. Die nunmehr revidierte Ablehnung der Gedenktafel durch den Stadtrat und die Begründungen dafür haben dem 2000-Einwohner-Ort landesweite Aufmerksamkeit eingebracht. Foto: Foto: Michael Fillies

    Nach zweimaliger Ablehnung hat der Stadtrat von Rieneck (Lkr. Main-Spessart) am Montagabend die Aufstellung der umstrittenen Gedenktafel zur Erinnerung an ein Kriegsverbrechen am 29. März 1945 im 2000-Einwohner-Ort beschlossen. Wohl die Mehrheit der Ratsmitglieder entschied sich weniger aus Überzeugung, sondern damit „Frieden im Ort“ einkehren könne, wie einige Redner äußerten. „Was wir wollen, ist ganz einfach unsere Ruhe“, sagte stellvertretender Bürgermeister Hubert Nickel.

    Leicht machte es sich der Stadtrat nicht. Vor etwa 50 Zuhörern, so vielen wie nie – zum Schluss kam noch der Landtagsabgeordnete und vormalige Würzburger Oberbürgermeister Georg Rosenthal nach der Würzburger Anti-Pegida-Demo dazu –, diskutierten die Stadträte knapp eine Stunde im überfüllten Sitzungssaal. Ein Gutteil der Zuhörer war allerdings wegen anderer Tagesordnungspunkte gekommen.

    Beschlossen wurde schließlich ein Kompromissvorschlag von Gertrud Herrmann (Fraktion „Allianz für Rieneck“): Die Gedenktafel wird aufgestellt (zwölf gegen eine Stimme); der Gedenkort wird nicht direkt an der Straße des Tatorts sein, sondern etwa 50 Meter entfernt im Wald an einem noch anzulegenden Fußweg zum Rienecker Friedwald (gegen zwei Stimmen); den Text soll die Stadtverwaltung zusammen mit dem Kreisheimatpfleger und der Antragstellerin und Stifterin Elfriede Krutsch formulieren (gegen zwei Stimmen).

    Ratsmitglied Josef Walter (Bürger-Forum) hatte auf der bisherigen Ablehnung beharrt: „Die Mehrheit hat entschieden. Das ist doch demokratisch!“ Der Antragstellerin unterstellte er eine Profilneurose. Keinesfalls dürfe die Erschießung von fünf sowjetischen Kriegsgefangenen vor 70 Jahren ohne Gerichtsverfahren auf Befehl des Würzburger SA-Chefs Hans Olpp durch fünf Rienecker Hitler-Jungen und zwei Soldaten als „Ermordung“ bezeichnet werden, sagte er unter Beifall etwa eines Drittels der Zuhörer.

    Nötig geworden war die erneute Beratung im Stadtrat, da das Gremium voriges Jahr mit dem Beschluss zu einer nichtöffentlichen Sitzung gegen den Demokratie-Grundsatz der Öffentlichkeit verstoßen hatte. Das Landratsamt Main-Spessart hatte auf den Verstoß hingewiesen. Sechs Stadträte hatten daraufhin die erneute Beratung und Zustimmung zur Gedenktafel beantragt.

    In den Diskussionsbeiträgen am Montagabend bestritten Stadträte, die Geschichte vertuschen zu wollen. Sie bezogen sich auf das Schwurgerichtsurteil von 1950 gegen Hans Olpp. Der war wegen Totschlags verurteilt und anschließend auch noch begnadigt worden, „ohne Mörder zu sein“, wie das Gericht damals urteilte. Folglich könne bei dem „schlimmen Geschehen“ von Mord und Nazi-Terror, wie es Elfriede Krutsch und diese Zeitung werten, keine Rede sein. Durch die einseitige Berichterstattung sei der Stadtrat skandalisiert worden.

    Ein Zuhörer, dem der Stadtrat Rederecht einräumte, wandte sich direkt an die 65-jährige Antragstellerin Elfriede Krutsch: Die Angehörigen der (sämtlich verstorbenen) Täter hätten so viel mitgemacht wegen der „Jugendsünde“, da sollte Krutsch nach 70 Jahren zu der Einsicht gelangen, „den Rieneckern nicht auch noch eine Gedenktafel zuzumuten“. Er wünsche nicht, dass der 65-Jährigen das zustoße, was ihr Angehörige der Täter wünschen.

    Stadtrat Peter Elzenbeck (Allianz für Rieneck), der die Gedenktafel befürwortet, versuchte die Diskussion zu versachlichen: „Es geht nur um ein Täfelchen. Es soll an Unrecht – und es war unbestritten Unrecht – erinnern.“ Das sei die Aufgabe seiner Generation, denn, so Elzenbeck: „Wenn wir uns nicht erinnern, macht's keiner mehr.“ Es gehe nicht darum, warum wer die fünf Männer erschossen hat.

    Der stellvertretende Bürgermeister Hubert Nickel (Allianz für Rieneck) formulierte letztlich die Mehrheitsmeinung: Wenn die Aufstellung der Gedenktafel für Ruhe sorge, solle man zustimmen: „Wir müssen endlich wieder aus den Negativschlagzeilen der Presse kommen.“ Allerdings dürften auf der Tafel nicht die Worte Nazi-Terror und Mord stehen. Elfriede Krutsch hat sich als Inschrift gewünscht: „Hier wurden fünf russische Männer durch Naziterror ermordet. Wir gedenken der Opfer.“

    Bürgermeister Wolfgang Küber (Rienecker Junge Wähler-Union), der schon 2012 als einziger und auch voriges Jahr für die Tafel gestimmt hatte, enthielt sich einer Stellungnahme.

    ONLINE-TIPP

    „Fünf verdrängte Morde von Rieneck“ – Nachdenkliches und Bewegendes:

    www.mainpost.de/online-tipp

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