Afrikanische Lässigkeit trifft auf Hohenrother Herzlichkeit: Die vergangene Woche war für die SOS-Dorfgemeinschaft etwas ganz Besonderes. Und das lag vor allem an ihren besonderen Gästen.
Die Dorfgemeinschaft hat Künstler als Kulturbotschafter aus dem südafrikanischen Land Simbabwe nach Hohenroth eingeladen. Diese sollen den Bewohnern, Mitarbeitern und deren Angehörigen in zwei Workshops Musik, Tanz und Kunst ihres Landes näherbringen und gleichzeitig mit Veranstaltungen Spenden für das SOS-Kinderdorf in Bulawayo, Simbabwe, sammeln.
Arbeit mit Behinderten
Die 41-jährige Ronika Tandi ist aus Harare, der Hauptstadt Simbabwes mit rund 1,5 Millionen Einwohnern. Die Steinbildhauerin arbeitet seit sechs Jahren gemeinsam mit Menschen mit Behinderungen. Schon seit 2001 ist sie regelmäßig in Deutschland, möchte hier den Menschen die Kunst ihrer Heimat nahebringen und bietet daher jedes Jahr Workshops in Schulen und Einrichtungen wie der Dorfgemeinschaft an.
„Klack, Klack, Klick, Klick.“ Schon von Weitem hört man, wie sich Hammer, Meißel und Gestein treffen. Vor einer großen Scheune hat jeder der angehenden Steinmetze seinen Arbeitsplatz. Die großen, noch unförmigen Steine, sind ordentlich auf Holzstämme gelegt. Konzentriert stehen sie vor ihrem Projekt, jeder Schlag wirkt überlegt. Fertige Ecken und Kanten werden sogar schon geschliffen oder poliert. Tandi geht umher, schaut, wo sie helfen kann, oder gibt den einen oder anderen Tipp.
Stolze Steinbildhauer
Meistens klappt es mit ihren Deutschkenntnissen, manchmal muss aber ein Mitarbeiter zum Übersetzen einspringen. Nicht nur die Konzentration ist zu spüren. Die Gesichter der Steinbildhauerlehrlinge strahlen, wenn von der Künstlerin ein Lob kommt. Immer wieder helfen sich Bewohner und Besucher untereinander, tauschen sich aus. Und stolz präsentieren sie ihre Skulpturen. Besonders oft sind es Tiere, die die Workshopteilnehmer ausarbeiten. Fische, ein Affenkopf oder eine Eule, aber auch Herzen oder Sterne entstehen.
„Sie reden miteinander, arbeiten zusammen, teilen Werkzeug. Sie sind wirklich gut!“, sagt die Künstlerin. Die Begeisterung sei zu spüren: „Sie sind immer pünktlich, manchmal schon eine halbe Stunde vor mir da.“ Sie sieht das Ganze auch nicht als Einbahnstraße: „Wir tauschen Ideen aus. Sie haben so viele Ideen, auf die wäre ich nie gekommen“, sagt Tandi.
Traditionelle Tänze und Musik
Doch nicht nur die Steinbildhauer sind bei der Arbeit. Zur gleichen Zeit findet nämlich der zweite Workshop statt. Dieser widmet sich traditionellen Tänzen und Musik der Kulturbotschafter. „Let's try to move our bodies!“, ruft Tänzerin Babra Tandare enthusiastisch. Auf Deutsch: Lasst uns versuchen, unsere Körper zu bewegen. Kaum sind die Worte ausgesprochen, schon bebt der Boden der großen Halle. Erst sind die Männer dran: Sie stehen in einer Reihe, bereit für das Kommando von Tandare, die auch die Schritte vortanzt. „Eins, zwei, drei und vier“ schallt es mit Akzent durch den Raum. Das linke Bein geht hoch, dann das rechte. Die Hände kommen zusammen, wandern links über die Schulter, dann mit Schwung nach rechts. Es sind nicht gerade die einfachsten Schritte, doch mit der Zeit klappt es immer besser.
Gleichzeitig trommeln die Frauen gemeinsam mit zwei Bandmitgliedern von „Pamuzinda“ den Takt. „Die Tänze, die wir ihnen beibringen, heißen Dinhe“, erklärt Babra Tandare. „Das sind traditionelle Tänze aus Simbabwe.“ Im Anschluss der Wechsel: Jetzt gehen die Frauen an den Start und die Männer trommeln.
Aus einer Township vor Harare
Die Gruppe Pamuzinda besteht aus acht Mitgliedern, drei von ihnen sind in Hohenroth dabei. Alle stammen aus einer Township vor den Toren der Hauptstadt Harare. Mit Musik- und Tanzeinlagen möchten sie die traditionelle Kultur in ihrer Heimat wachhalten, erklärt Bandchef Michael Kamunda. Jedes Jahr seien sie zusätzlich für drei Monate in Deutschland unterwegs, spielen auf Konzerten und Festivals, oder arbeiten mit Menschen mit Behinderungen. Nach dem Tanz ist daher vor dem Konzert: Direkt nach dem Workshop heißt es proben für das Abschiedskonzert des Trios von „Pamuzinda“ – gemeinsam mit Hohenrother Musikern. Die Deutschen legen los, noch etwas unbeholfen klingen Akkordeon, Tuba und Kontrabass. Bandchef Kamunda schaut erst kritisch. Doch nach zwei, drei Minuten steigen auch die drei afrikanischen Musiker mit ihren Malimbas, Instrumente ähnlich einem Xylofon, ein. Die Vorfreude auf das Konzert ist groß: „Das wird bestimmt ganz toll!“, sagt ein Bewohner.
Vor voller Festhalle
Und die Vorfreude wird nicht enttäuscht: Rappelvoll ist die Halle, mehr als 160 Leute sind gekommen, um das Trio von Pamuzinda zu hören. Es ist der Höhepunkt einer aufregenden Woche. Das Trio zeigt sein Können an den Mailmbas, den Trommeln und mit seinen kräftigen Stimmen. Auch für das Auge ein besonderer Anblick: Gelb, grün, rote Farben zieren die Instrumente, die Musiker tragen Federschmuck als Kopfbedeckung. Es wird getanzt, stolz werden dabei auch die Tanzkünste aus dem Workshop präsentiert.
In der zweiten Hälfte kommen die Hohenrother auf die Bühne. In Lederhose bläst Mitarbeiter Matthias Ospald auf der Tuba durch den Saal; Tim Gökalp und Yvonne Schlüter, ebenfalls Mitarbeiter, begleiten mit Cello und Akkordeon. Auch die Bewohner Stefan Juchen an der Querflöte und Stefan Prechtel am Xylofon sorgen dafür, dass das Konzert nicht ohne Zugabe über die Bühne geht.