Nachhaltigkeit. Kaum ein Bereich im Leben kommt ohne diesen Begriff aus. Er steht symbolisch für die Übernahme von Verantwortung und grünes Bewusstsein. Vielen Menschen ist die Umwelt wichtig, auch beim Reisen. Andere wollen im Moment einfach nur endlich wieder einmal in den Urlaub, egal wie. Wie unterscheiden sich Theorie und Praxis beim Thema Nachhaltigkeit, wenn es ums Reisen geht?
"Wir könnten jede Buchung mit Zusatzleistungen kompensieren", so Nicole Joa, Inhaberin vom TUI Reise Center Reisewelt Joa in Karlstadt. Oft genutzt werde das jedoch nicht. "Jetzt ist für so was vielleicht der falsche Zeitpunkt", meint sie. Denn ihre Kundinnen und Kunden seien gerade nur froh, dass sie nach der Zwangspause durch Corona überhaupt wieder rauskönnen. Das Prädikat "nachhaltig" müsse außerdem bezahlt werden. "Es ist alles sowieso sehr teuer geworden", meint sie.
Nachfrage nach ökologischem Reisen in Karlstadt gering
Hinzu kommt ein Henne-Ei-Problem: Einerseits werde das "grüne" Reisen nicht nachgefragt. Andererseits könne sie ökologische Angebote nicht aktiv bewerben, da die Zeit fehle. "Wir schlagen uns im Alltag mit Corona-Einreisebestimmungen rum."
Positiv fällt ihr auf, dass heute mehr Menschen eine Anreise mit dem Zug nutzen. Bei manchen Reiseveranstaltern fließen ökologische Aspekte automatisch in den Buchungsprozess ein. So bei einer Skischule in Innsbruck. Die CO2-Kompensation der Reise ist automatisch enthalten. Transfers werden mit öffentlichem Nahverkehr oder Taxis organisiert. Die Gäste wohnen in kleinen Hotels. Joa schätzt, dass etwa zehn Prozent ihrer Kundinnen und Kunden, die dort buchen, dies aus Umweltgründen tun.
Raiffeisen-Touristik bietet nachhaltige Aspekte beim Reisen
Hilmar Ullrich, Bereichsleiter Marketing & Kommunikation bei der Raiffeisenbank, äußert Verständnis für das Dilemma normaler Reisebüros. "Die müssen nun nach der langen Durststrecke wieder Geld verdienen." Die Raiffeisenbank Main-Spessart richtet die Raiffeisen-Touristik, die Reisen für Genossenschaftsmitglieder anbietet, seit April etwas mehr auf Nachhaltigkeit aus.
Für dieses Ziel wurden Leitlinien erarbeitet, die soziale und ökologische Aspekte umfassen. So besuchten die Reisenden beispielsweise lokale Hilfsprojekte, wohnten häufig in zertifizierten Öko-Hotels und -Lodges, nutzten nach Möglichkeit die öffentlichen Verkehrsmittel und bewegten sich im Land mit der Bahn fort, heißt es von der Raiffeisenbank. Auch Flugreisen hat die Raiffeisenbank im Angebot. Dabei würden Direktflüge Umsteigeverbindungen vorgezogen. Bei der Auswahl von Fluggesellschaften, werden laut Raiffeisenbank solche mit guter CO2-Effizienzklasse vorgezogen und CO2-Ausgleichszahlungen geleistet.
Reisen der Raiffeisen-Touristik dienen der Mitgliederbindung
Für die Raiffeisenbank seien Reisen und Mitgliederangebote "eine schöne Ergänzung zur Mitgliederbindung an ‚ihre‘ Genossenschaft", sagt Ullrich. Die Raiffeisenbank achte allein aufgrund ihrer regionalen Ausrichtung auf ökologische und ökonomische Werte, so auch bei den Freizeit- und Reiseangeboten. "Wenn wir hier das Bewusstsein für nachhaltiges Handeln schärfen können", so Ullrich, "haben wir wieder ein Ziel erreicht."
Dabei stehe die Raiffeisenbank-Touristik aber noch am Anfang der neuen Strategie. Zunächst müssten Erfahrungen gesammelt werden. Ullrich: "Wir beschreiten hier, vermutlich als erste Agentur in der Region, einen neuen Weg."
Nachhaltigkeit in der kommunalen Jugendarbeit
Nachhaltigkeit wird auch in die Angebote der kommunalen Jugendarbeit des Landkreises Main-Spessart eingebaut. Bei Freizeiten stünden zwar die Kinder und Jugendlichen im Fokus, so Sprecherin Tina Starck vom Landratsamt. Doch werde neben pädagogischen Aspekten auch auf Nachhaltigkeit wert gelegt. Starck: "Wir übernehmen hier eine Vorbildfunktion."
Nachhaltig sei das Angebot, da der Großteil der Freizeiten im eigenen Landkreis stattfinde, beispielsweise beim Zeltcamp auf Gut Erlasee. Auch die Unterstützung lokaler Unternehmen wie Bäckerbetriebe, Getränkehandel und Freizeiteinrichtungen gehöre dazu. "Wir achten darauf", so Starck, "möglichst wenig Müll zu produzieren, Materialien wiederzuverwenden und bei Alltagssituationen wie dem Spülen des eigenen Geschirrs für das Thema zu sensibilisieren."
Heuer finde erstmals das Zeltcamp unter dem Motto "Natur erleben" statt. Es beschäftigt sich intensiv mit dem Thema. Beim Wandern, Basteln mit Naturmaterialien oder allein durch die Übernachtung in der Natur sollen Kinder spielerisch an die Grundprinzipien der Nachhaltigkeit herangeführt werden.