Physiotherapiepraxen gelten baurechtlich im Allgemeinen als unproblematisch – auch bei der Genehmigung in einem reinen Wohngebiet. Vor dem Würzburger Verwaltungsgericht hat dennoch der unmittelbare Nachbar einer solchen Praxis gegen eine weiteren Zubau von Parkplätzen geklagt. Dabei ging es um eine Genehmigung des Landratsamts, das dem Betreiber einer Praxis im Raum Gemünden zugesteht, weitere 17 Stellplätze auf einem unmittelbar angrenzenden, bislang unbebauten Grundstück zu errichten. Auch die Gemeinde hatte ihr Einvernehmen erteilt. Bei Fertigstellung verfügt die Praxis damit über insgesamt 30 Stellplätze. Laut Betreiber sind diese auch nötig. Die Praxis beschäftige 26 Mitarbeiter, von denen ungefähr 15 gleichzeitig in der Praxis arbeiten. Der 2015 genehmigte Betrieb wird auch wegen seiner Angebote zum Fitness-Training heute deutlich stärker genutzt als noch in den Anfangsjahren.
Gericht sieht eher Misch- als Wohngebiet
Der Nachbar begründete seine Klage gegen die zusätzlichen Parkplätze mit einem Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme und mit dem Gebietserhaltungsanspruch. Die Zufahrt für die größte Anzahl der Parkplätze erfolgt über eine Stichstraße und einen Wendehammer am Ende der Straße. An diesen grenzt auch das Grundstück des Klägers. Das Gericht konnte dem jedoch nicht folgen.
Zum einen zeigt ein Lärmgutachten, dass der Bauherr dem Bauantrag beigefügt hatte, dass die Lärmwerte auch unter den strengen Vorgaben eines reinen Wohngebiets eingehalten werden. Der besonders schützenswerte Bereich des Grundstücks befinde sich, so der Vorsitzende Richter, zudem hinter dem Haus, also auf der von der Lärmquelle abgewandten Seite. Ebenso ist fraglich, ob es sich bei dem Gebiet überhaupt um ein reines Wohngebiet handelt. Laut Richter setze diese Einstufung bei einem Gebiet ohne Bebauungsplan eine "homogene Gebietsstruktur" voraus. Diese sei jedoch sehr fraglich: Im unmittelbaren Umfeld befinden sich mehrere gewerbliche Betriebe, vom Putz- und Malerbetrieb bis zum Metallbauer. Das Gebiet trage daher den Charakter eines Mischgebiets. Auch sei die Physiotherapiepraxis allein schon aufgrund ihrer Größe prägend für das Gebiet. Das Gericht hatte sich im Vorfeld bei einem Ortstermin von der Situation selber überzeugt.
Kompromiss: Praxis pflanzt dichte Hecke als Lärmschutz
Dem Kläger blieb schließlich kaum eine andere Wahl, als einer gütlichen Einigung mit seinem Nachbarn zuzustimmen. Dieser hat sich dazu verpflichtet, entlang der gemeinsamen Grenze eine dichte Hecke anzupflanzen. Der Bau einer Lärmschutzwand gilt dem Gericht dagegen als unverhältnismäßig und zu teuer. Zu den Auflagen gehört dagegen eine am Boden angebrachte Beschriftung, die die Mitarbeiterparkplätze klar festlegt. Auch sollen an diese Parkausweise ausgegeben werden, mit dem Hinweis, langsam auf den Parkplatz zu fahren. Der Bauherr will außerdem mit Rampen dazu beitragen, dass sie Bordsteinkante leiser zu überfahren ist. Die in der Einigung festgelegten Auflagen soll zum Bestandteil eines überarbeiteten Bescheids des Landratsamts werden.