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Karbach: Vor 200 Jahren legten die Karbacher Juden ihren Friedhof an

Karbach

Vor 200 Jahren legten die Karbacher Juden ihren Friedhof an

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    Karbachs jüdischer Friedhof wurde vor 200 Jahren, 1819, angelegt. 
    Karbachs jüdischer Friedhof wurde vor 200 Jahren, 1819, angelegt.  Foto: Josef Laudenbacher

    Gleich zweier 200. Jahrestage wird heuer in Karbach gedacht: Zum gab das Großherzogtum Baden  das "Amt Steinfeld", zu dem auch Karbach gehörte, an das Königreich Bayern zurück, zum anderen wurde 1819 der jüdische Friedhof auf dem Mühlberg angelegt. 344 Beerdigungen sind dort registriert. Das jüdische Leben in der Gemeinde, das nachweislich 1699 begonnen hatte, endete im Mai 1942 mit der Deportation der noch im Ort verblieben 27 jüdischen Männer, Frauen und Kinder in die Vernichtungslager.

    Auf dem 3830 Quadratmeter großen Friedhof stehen 235 Grabsteine in 16 Reihen, im Westen beginnend und nach Osten, Richtung "Jeruschaleim" ausgerichtet. Der älteste Grabstein erinnert an die mit 73 Jahren gestorbene Marktheidenfelderin Reitz Rosenband; die letzte Beerdigung war der am 19. Oktober 1938 im Alter von 49 Jahren verstorbene Karbacher Max Guttmann. Auf den Grabsteinen abgelegte Steine erinnern an Besucher. Sie bedeuten „Ich war da“ oder erinnern an den Auszug aus Ägypten, als die Israeliten ihre Toten in der Wüste beerdigen mussten und zum Schutze von Tieren mit Steinen abdeckten. Das Grab eines Juden ist unantastbar und wird nie weiter belegt. 

    Späte Konsequenz des "Badischen Amtes"?

    Der Friedhof wurde im März 1819 angelegt, nachdem die israelitische Kultusgemeinde das unwegsame Gelände für vier Gulden erworben hatte – damals sehr viel Geld. Möglicherweise war die Anlage eine späte Folge des "Badischen Amtes", das von 1806 bis 1819 bestand, und wodurch den Karbacher Juden die Beisetzung auf dem Bezirksfriedhof in Laudenbach - im bayerischen Ausland - erschwert war. Die Leichentransporte waren mit Pferdefuhrwerken mühsam, der Grenzverkehr kompliziert und die Zeit war knapp, lautete die Vorschrift doch: "Noch am gleichen Tag (24 Stunden), nach Ritualwäsche, protokollarischen Vorschriften, Einkleiden, Sargbeschaffung usw. sollt ihr Sie/Ihn beerdigen". Die Karbacher waren deshalb vorübergehend auf die Friedhöfe im badischen Wenkheim, Külsheim oder Wertheim angewiesen. 

    Der Friedhof in Karbach wurde bis 1852 allein von der jüdischen Gemeinde in Karbach genutzt. Ab 1851/52 bestatteten auch die jüdischen Gemeinden in Homburg und Marktheidenfeld, die bis dahin den Friedhof in Külsheim genutzt hatten, in Karbach. Grabsteine waren erst für Kinder ab dem fünften Lebensjahr üblich. Im Register sind die Kindergräber üblicherweise mit „KR“ gekennzeichnet, was vielleicht Kinderruhestätte bedeutet. Die gesamten Gräber hat Historiker Dr. Leonhard Scherg (Marktheidenfeld) in mühevoller Kleinarbeit erfasst.

    Letzte Beerdigung im Oktober 1938

    81 Jahre ist es her, dass die letzte Mensch hier beerdigt wurde: Max Guttmann. 1910 lebten in Karbach noch 57 jüdische Mitbürger, 1939 waren es noch 45. Die Guttmanns – von ihnen gab es fünf geachtete Familien – waren alle Viehhändler mit jeweils eigenen Geschäftsbereichen. Insgesamt fanden in Karbach 16 Guttmanns ihre letzte Ruhestätte.

    Der Friedhof war von Anfang an mit einem Holzzaun umgeben. Steinerne Torpfosten sicherten den Eingang. Wie eine Inschrift am steinernen Türpfosten von 1887 festhält, hat die neue Mauer auf "eine Lenge und 318 Füsse" zum ewigen Andenken Jehuda, Sohn von Abraham und Ehefrau Scheva, Tochter von Wolf Ha Choen Adler gespendet.

    Als Ausnahme in der Chronologie und als einzige Nachbarn stehen hier die Gräber von Vater und Sohn Isaak und Josef Heimann, die beide an einer Krankheit verstorben waren, nebeneinander. Beide deuten mit einem Fingerzeig aufeinander.
    Als Ausnahme in der Chronologie und als einzige Nachbarn stehen hier die Gräber von Vater und Sohn Isaak und Josef Heimann, die beide an einer Krankheit verstorben waren, nebeneinander. Beide deuten mit einem Fingerzeig aufeinander. Foto: Josef Laudenbacher

    Die Verstorbenen wurden in der Reihenfolge ihres Todes beigesetzt. Eine der wenigen Ausnahmen zeigen die beiden Gräber von Vater und Sohn Heimann, die beide an einer Seuche starben. Auf ihren Grabsteinen steht "Du bist mein Vater, hier bin ich angekommen, wer gibt mir eine Feder, Ich werde fliegen bis zu Deinem Tempel" und "Unsre Seelen werden ruhen im Guten. Die Seele mögen ruhen mit allen Lebenden Amen". 

    Wandel in der Grabsteingestaltung

    Die ältesten Grabsteine zeigen einfache romanische Formen und sind nahezu völlig mit hebräischen Schriftzeichen bedeckt. Nur die Grabsteine der letzten vier Reihen tragen zum Teil auch schon deutsche Inschriften. In der 16. Reihe sind auch einige Einfassungen zu sehen wie auf christlichen Friedhöfen üblich. In vielen Einzelheiten lässt sich deutlich die Assimilierung der jüdischen Bürger bezüglich der Vornamen und anhand zeitgenössischer Schmuckelemente feststellen.

    Interessant sind die Symbole auf den Grabsteinen wie die Krone als Zeichen der Priesterschaft und eines guten Namens, segnende Hände für die Priesterschaft Kohanim, der Wasserkrug als Kennzeichen der Zugehörigkeit zum Stamme Levi, der Davidschild oder Magen David (Davidstern), die Gesetzestafeln oder allgemeine Symbole wie Kranz, Girlande und gebrochener Zweig oder Rose, als Symbol für das Ende eines jungen Lebens. Das Schofarhorn, das zum Neujahrstag geblasen wird, zeigt, dass hier ein Schofarbläser begraben liegt. Auf vielen Grabsteinen finden sich besondere Symbole, die das Leben des Verstorbenen kennzeichnen.

    Friedhofsschändungen 1938 und 1948

    1938 wurden bei den Novemberpogromen Steine aus der Umfassungsmauer gerissen und Grabsteine umgeworfen, Inschrifttafeln zerstört. 1941 forderte NSDAP-Kreisleiter Max  Sorg (Marktheidenfeld) in einem Brief eine „Bereinigung“ des ihm unerträglichen Zustands, dass im Kreisgebiet Marktheidenfeld-Karlstadt noch zwei Judenfriedhöfe“ (Karbach und Laudenbach) bestünden. Für ganz Mainfranken reiche einer, meinte er. 1943 kündigte das Bayerischen Innenministerium an, die (unter Zwangsverwaltung stehende) Reichsvereinigung der Juden in Deutschland werde alle „Friedhöfe, die nicht mehr belegt werden“ verkaufen und vorrangig den Gemeinden anbieten. Einschränkungen der künftigen Nutzung seien weder nötig noch erwünscht.

    Nach dem Kriegsende forderte die Gemeinde Karbach frühere Parteimitglieder mehrmals auf, auf dem Friedhof umgeworfene Grabsteine wieder aufzustellen. Aber nichts geschah. Erst im März 1946 konnte der von der Militärregierung eingesetzte Bürgermeister Adalbert Hain melden, die Steine stünden wieder. Im Mai waren auch die fehlenden Abdeckplatten auf der Friedhofsmauer wieder ersetzt. Da aber im März/April 1948 erneut eine Friedhofsschändung erfolgte, wurde der Friedhof 1948/49 regelmäßig von der Besatzungsmacht bewacht.  1951 wurde der Friedhof an die Jewish Restitution Successor Organisation übertragen. Heute befindet sich das Denkmal jüdischer Vergangenheit im Besitz des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinde Bayern.

    Dr. Leonhard Scherg bei seiner Ansprache am Totensonntag, 20. November 1983, auf dem jüdischen Friedhof in Karbach. Von rechts: Senator David Schuster, Altbürgermeister Ruprecht Hart (Karbach), Bürgermeister Armin Grein (Marktheidenfeld) und Bürgermeister Rudolf Scheurich (Triefenstein).
    Dr. Leonhard Scherg bei seiner Ansprache am Totensonntag, 20. November 1983, auf dem jüdischen Friedhof in Karbach. Von rechts: Senator David Schuster, Altbürgermeister Ruprecht Hart (Karbach), Bürgermeister Armin Grein (Marktheidenfeld) und Bürgermeister Rudolf Scheurich (Triefenstein). Foto: Josef Laudenbacher

    Gedenkstein als ewiges Mahnmal

    Mit dem Wortlaut "den Toten zur Ehre und zum ewigen Andenken an unsere jüdischen Mitbürger, an ihre Verfolgung, an ihr Leid und ihren Tod" beginnt die Inschrift eines Gedenksteines, der am Totensonntag 1983 im jüdischen Friedhof enthüllt wurde. 50 Jahre nach der Machtergreifung  gedachten die Gemeinden Karbach, Marktheidenfeld und Triefenstein ihrer jüdischen Mitbürger, Nachbarn und Freunde, die unter den Nazis zu leiden hatten.

    Historiker und Heimatpfleger Dr. Leonhard Scherg hatte die Aufstellung des Gedenksteines angeregt. Senator David Schuster, Vater des jetzigen Präsidenten des Zentralrates der Juden Deutschlands Josef Schuster, dankte im Namen der jüdischen Kultusgemeinde Würzburg und erinnerte an die Leiden der jüdischen Bevölkerung. Der Gang über den Friedhof macht auch heute die meisten Besuchern nachdenklich in Erinnerung an das brutale Ende des jahrhundertelangen Zusammenlebens von Juden und Christen sowie an die grausame Ermordung von Millionen von jüdischen Mitbürgern.

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