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GRÄFENDORF: Wo der Hecht das Maul aufreißt

GRÄFENDORF

Wo der Hecht das Maul aufreißt

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    Eine alte Postkarte aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg zeigt das Haus von Gabriele Göckeritz in Gräfendorf, das damals Pension Bürger hieß. Repro: Archiv Elisabeth Auth
    Eine alte Postkarte aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg zeigt das Haus von Gabriele Göckeritz in Gräfendorf, das damals Pension Bürger hieß. Repro: Archiv Elisabeth Auth Foto: Elisabeth Auth

    Der Hecht an der Wand reißt ganz schön das Maul auf. Und der daneben sogar noch weiter. Er ist noch ein Stück größer als der erste. Beide waren mal kapitale Burschen, als sie noch in Saale und Schondra auf Raubzug gegangen sind. Doch seit etlichen Jahren schmücken ihre präparierten Köpfe die Wand im Aufenthaltsraum der früheren Pension Göckeritz in der Hauptstraße von Gräfendorf.

    Es sind nur zwei einer ganzen Reihe von Andenken, die die Wände des Raums zieren. Hinterlassen wurden sie von Anglern, die Stammkunden von Gabriele Göckeritz waren.

    Weil in einem anderen Betrieb nicht genügend Betten frei waren, waren erstmals Angler an sie vermittelt worden. Und die fühlten sich bei Gabriele Göckeritz so wohl, dass sie wiederkommen wollten. Sie regten an, doch mal in einer Anglerzeitung inserieren. Göckeritz befolgte den Rat und fand in den Anglern fortan eine treue Kundschaft, die bei ihr auch die Anglerkarten erwerben konnten, die sie für die Inhaber der Fischereirechte ausgab.

    Rekordfang und Jubiläumsbesuch

    Die langjährige Verbundenheit der Angler mit Gabriele Göckeritz belegen nicht nur die beiden präparierten Hechtköpfe an der Wand, sondern auch viele Zeitungsausschnitte, die sie im Lauf der Jahre aufgehängt hat, weil darin über sie und die Angler berichtet wurde. Mal war es ein besonders dicker Fisch, der an Land gezogen worden war, dann wieder waren Gäste gewürdigt worden, weil sie schon zum 20. Mal nach Gräfendorf gekommen waren.

    Die Wand gegenüber ziert eine ganze Sammlung von Wandtellern, die Pensionsgäste aus ihren Heimatorten mitgebracht haben. „Einer hat angefangen“, erzählt Gabriele Göckeritz. Er hat ihr als Andenken an seinen Aufenthalt in Gräfendorf einen Wandteller überreicht. Sie hat ihn aufgehängt, und da wollten dann andere Gäste nicht zurückstehen. „Da müssen wir auch hin“, sagten sie, und brachten ebenfalls Teller aus ihren Heimatorten mit. So wuchs die Sammlung im Lauf der Zeit.

    Wartburg und Schwebebahn

    Da hängt Berlin neben Mainz, Hamburg-Finkenwerder neben Bayreuth und Erlangen. Bekannte Städte wie Schwäbisch Hall und Wilhelmshaven finden sich neben unbekannten Dörfern wie Stommeln in Niedersachsen, Dörnigheim und Seelbach in Hessen oder Schwalbach und Ottweiler an der Saar.

    Auf dem Teller aus Eisenach ist die Wartburg als Wahrzeichen des Ortes zu sehen, auf dem aus Wuppertal die Schwebebahn. Eine Besonderheit ist der Teller aus Wintersdorf in Thüringen. Weil es in diesem Stadtteil von Meuselwitz keine Teller gab, wurde eigens einer für die Andenkenwand von Gabriele Göckeritz angefertigt.

    Mit der Aufnahme von Pensionsgästen führte Göckeritz in ihrem Haus eine Tradition der Familie fort. Denn das Gebäude fungierte früher schon als Pension, damals noch unter dem Namen Bürger. Elisabeth Auth, geborene Bürger, die Tante von Gabriele Göckeritz, inzwischen 95 Jahre alt und in einem Seniorenheim in Marktheidenfeld zu Hause, kann sich noch gut an die 30-er und 40-er Jahre des 20. Jahrhunderts erinnern. Damals brachte die Eisenbahn Übernachtungsgäste in die von ihren Eltern betriebene Pension im „Luftkurort Gräfendorf“.

    Modernisierte Zimmer

    Als Adolf Oftring, der Vater von Gabriele Göckeritz, und seine Frau Hermine das Haus 1951 übernahmen, konzentrierten sie sich auf das Geschäft, das schon früher in dem stattlichen Gebäude untergebracht war. Der kleine Laden in der Ecke wurde vergrößert, bekam große Schaufenster.

    Nach dem Tod ihrer Eltern ging das Haus in Gabriele Göckeritz' Besitz über. Sie gab den Laden, der unter anderem eine Zeit lang eine Agentur des Versandhauses Quelle beherbergte, auf. Heute stellt in den Schaufenstern die Gräfendorfer Gruppe Kunst und Kultur ihre arbeiten aus. Göckeritz wollte das große Gebäude aber trotzdem nutzen.

    Deswegen modernisierte sie mit ihrem Mann Jürgen die Zimmer. Alle bekamen Warm- und Kaltwasser. Gabriele Göckeritz eröffnete wieder eine Pension im Haus. Der Neubeginn ließ sich verheißungsvoll an. Schon nach nur einer einzigen Annonce in der Berliner Morgenpost waren ihre Zimmer in der ersten Saison ausgebucht.

    Tagsüber am Wasser, abends im Gasthaus

    Die Angler, die danach kamen, blieben oft lange und brachten ihre Frauen mit. Diese begleiteten ihre Männer ans Wasser, erinnert sich Gabriele Göckeritz. Die Paddler und Radler, die später häufiger zu Gast waren, blieben oft nur noch über Nacht, bedauert sie. Abends bevölkerten die Angler, die in der Pension nur Übernachtung mit Frühstück bekamen, die Gasthäuser des Ortes, etwa den Gasthof„Zum Schiff“, gleich im nächsten Haus an der Hauptstraße.

    Bis auf einen Tag in der Woche. „Am Donnerstag beißen die Fische nicht“, lautete der Spruch, mit dem Gabriele Göckeritz ihre Gäste auf den Grillabend aufmerksam machte. Jeden Donnerstag stellen sie und ihr Mann Tische und Bänke im Garten auf und schürten für die Pensionsgäste den Grill an. „Im Lauf der Nacht sind die Fische manchmal immer größer geworden“, erinnert sie sich.

    Die Aufnahme von Pensionsgästen in der Sommersaison hat die inzwischen 79-Jährige seit dem vergangenen Jahr aufgegeben. Doch manche der Angler halten ihr noch heute die Treue und kommen gelegentlich zu Besuch. Sie sind längst von Pensionsgästen zu Freunden geworden, die Gabriele Göckeritz schon mal ein Hochbeet bauen, weil sie sich wegen Rückenproblemen nicht mehr so bücken kann, und ihr auch im Haus zur Hand gehen, wenn etwas zu reparieren ist.

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