Seit Anfang Mai bis Ende Oktober ist im Neuen Schloss in Ingolstadt die Bayerische Landesausstellung zu sehen, die das Haus der Bayerischen Geschichte in Augsburg veranstaltet. Sie steht unter dem Motto „Napoleon und Bayern“. Gezeigt werden auf 1200 Quadratmeter rund 400 Exponate. Die Schau wurde auch vom Rhön-Grabfelder Kreisheimatpfleger Reinhold Albert unterstützt, der sich in der Vergangenheit bereits ausführlich mit diesem Thema beschäftigt und Beiträge in Heimatjahrbüchern, den Heimatblättern und Ortschroniken veröffentlicht hatte.
Immer noch blickt man in Bayern mit gemischten Gefühlen auf das Bündnis mit Napoleon (1769 -1821). Seine Person, seine Kriege und seine Herrschaft lösen bis heute große Emotionen aus. In vielen Gegenden Bayerns ist die Erinnerung an den Kaiser der Franzosen und die Kriege noch greifbar, so auch hierzulande.
Projektleiterin Margot Hamm und ihr wissenschaftlicher Mitarbeiter Volker Bräu vom Haus der Bayerischen Geschichte waren ob der Fülle schriftlicher Unterlagen über diese Zeit, die ihnen Albert übersandt hatte, so beeindruckt, dass Bräu den Landkreis Rhön-Grabfeld besuchte, um bei einer Rundfahrt mit dem Heimatpfleger Zeugnisse aus dieser turbulenten Zeit in Augenschein zu nehmen (wir berichteten).
In der Ausstellung wird folglich auch auf das bekannte Reder-Kreuz bei Bad Neustadt-Herschfeld verwiesen (siehe anderer Bericht), das zudem in der Internetvorstellung der Ausstellung unter www.hdbg.de/napoleon/ napoleon_napoleon-entdecken.php Erwähnung findet.
Enorme Ausgaben für den Krieg
Auf einer Tafel werden in der Landesausstellung die Einnahmen und Ausgaben von Wülfershausen in der Zeit von 1807 bis 1813 exemplarisch gezeigt. Während die normalen Ausgaben und Einnahmen der Gemeinde damals rund 2300 Gulden betrugen, waren allein 1813 zusätzliche Kriegsausgaben von sage und schreibe 7500 Gulden erforderlich. In den Jahren zwischen 1796 und 1815 stiegen diese Kriegskosten kontinuierlich. Man kann sich vorstellen, wie lange die Gemeinde nach den napoleonischen Kriegen brauchte, um die Schuld abzuzahlen.
Besonderes Interesse von Volker Bräu rief das Tagebuch des Mühlfelder Müllers Simon Braungart hervor. Auszüge daraus sind in einer Hörstation in der Ausstellung veröffentlicht. In diesem Tagebuch findet insbesondere auch der verheerende Russlandfeldzug 1812 Erwähnung. Überliefert ist, dass am 22. April 1812 in Mühlfeld ein Hauptmann, ein Leutnant und 80 Soldaten einquartiert waren. In der „Grande Armee“, mit 610 000 Soldaten, damals das größte Heer der Geschichte, befanden sich allein aus Bayern 30 000 Soldaten. Die Armee wurden in Russland aufgerieben. Hunger, Kälte und Krankheiten lösten die zusammengeschrumpfte Armee (nur noch 30 000 Soldaten) vollends auf.
Viele Tote aus dem Grabfeld
Der Kaiser der Franzosen verließ seine Armee, um sein wankendes Regime in Paris zu festigen und neue Heerscharen aufzustellen. Ende 1812 erreichten die Trümmer der Hauptarmee (angeblich nur 1000 Mann mit 60 Pferden und neun Geschützen) deutschen Boden. Die Katastrophe, der auch viele Rhöner und Grabfelder Bewohner zum Opfer fielen, wurde weithin als Gottesurteil empfunden, was der über viele Jahrzehnte gängige Spruch „Mit Mann und Ross und Wagen, hat sie der Herr geschlagen.“ unterstreicht. Der Hut, den Napoleon bei diesem Feldzug trug, ist übrigens ebenfalls in der Landesausstellung zu sehen.
In der folgenden Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813 mit über 100 000 Toten und Verwundeten, vollzog sich der allgemeine Abfall von Napoleon. Die Erhebung erstreckte sich auch auf das Frankenland. Es wurde zur Landwehr und zum Landsturm gemustert, galt es doch den geschlagenen Feind nach Frankreich zu verfolgen.
Auch jetzt waren Einquartierungen an der Tagesordnung. Diesmal waren es Preußen und ihre Verbündete, die Russen. Laut Simon Braungart waren 1813 allein in Mühlfeld 2685 Soldaten und 73 Offiziere einquartiert. Die Verpflegungskosten hatte die Gemeinde zu tragen. Übrigens, der von Bayern zu tragende Blutzoll in den Kriegen zwischen 1796 und 1815 war verhältnismäßig höher als im 1.Weltkrieg 1914-18.
In der Ausstellung werden viele Beispiele für Schicksale in dieser unruhigen Zeit gezeigt, etwa den dramatischen Kirchenbucheintrag einer Frau, die zuerst von einem Franzosen vergewaltigt und schwanger wurde. Zwei Jahre später vergewaltigte sie ein österreichischer Soldat. Zwei Kinder zog die allein stehende Frau auf.
200 Jahre nach der Niederlage Napoleons bei Waterloo 1815, seiner endgültigen Abdankung und seiner Verbannung nach St. Helena war es also an der Zeit, die Geschichte des Feldherrn und Kaisers der Franzosen aus dem Blickwinkel des ehemaligen Verbündeten Bayern zu erzählen.
Bis heute blickt man hier mit gemischten Gefühlen auf das Bündnis mit Napoleon. Einerseits führte es in die Katastrophe, wie beim Russlandfeldzug. Andererseits erfüllte sich für Bayern der Traum von militärischem Glanz und außenpolitischer Größe. Napoleon führte Bayern – anders als Preußen – nicht in die Niederlage, sondern zum Sieg. Das Bündnis mit dem Kaiser der Franzosen brachte Bayern die Königskrone, ein vergrößertes Territorium (unter anderem Franken) und die erste liberale Verfassung. Damals begann das moderne Bayern – und sein „Geburtshelfer“ war Napoleon.