"Sind 40 Jahre Suchtberatung und 50 Jahre Kreuzbund ein Grund zum Feiern?", fragte sich Kreiscaritas-Geschäftsführerin Angelika Ochs. "Sind es", fand sie selbst und hieß zahlreiche Gäste zu einem Jubiläumsfest im Alten Amtshaus willkommen.
Die Kreisgeschäftsführerin dachte in diesem Moment vor allem an die Mitarbeiter und ehrenamtlichen Helfer, die manch schweres menschliches Schicksal miterleben und verarbeiten mussten. Und ein Name fiel in diesem Zusammenhang gleich mehrfach bei den Festrednern: Dieter Schwenkert, jahrzehntelang das Gesicht der Suchtberatung und erst vor wenigen Tagen in den Ruhestand verabschiedet. Wie seine Arbeit und die seiner Kollegen aussieht, schilderte Susanne Till, Leiterin der Suchtberatung.
Suchtkranke werden seit 55 Jahren im Landkreis beraten
Die Sozialpädagogin berichtete, dass es seit 55 Jahren Suchtberatung im Landkreis gibt. Offiziell wurde eine Sucht aber erst 1968 als Krankheit anerkannt. Elf Jahre später war die Geburtsstunde einer flächendeckenden psychosozialen Beratungsstelle, und erster Ansprechpartner wurde Dieter Schwenkert.
Damals waren 90 Prozent der Hilfesuchenden Alkoholabhängige und bis auf zehn Prozent Männer. Suchten damals rund 100 Betroffene die Beratungsstelle pro Jahr auf, sind es jetzt 630 und noch dazu mit einem weit differenzierterem Suchtspektrum.
Suchtbild ist ständig im Wandel
1980 kam eine Beraterin hinzu, was dazu führte, dass auch mehr Frauen Hilfe in Anspruch nahmen. Susanne Till selbst stieg vor 24 Jahren ein und eine weitere Mitarbeiterin vor 18 Jahren. Die Nachfolge von Dieter Schwenkert trat Julia Jörg an.
Während das Team über die Jahre konstant blieb, veränderte sich das Suchtbild laufend, fuhr die Caritas-Mitarbeiterin fort. Zum Alkoholmissbrauch kam das "Schnüffeln" hinzu, das Thema Essstörungen setzte in den 80er-Jahren ein, zum Heroin kamen in der jüngeren Vergangenheit chemische Drogen wie Ecstasy und Crystal Meth. Doch nach wie vor ist Alkohol die Droge Nummer eins. Für Menschen, die den Weg in die Beratungsstelle noch nicht schaffen, wird seit kurzem auch Onlineberatung angeboten.
Der Kreuzbund als wichtiger Partner
Als "essentieller Partner" verstärke der Kreuzbund die Arbeit mit Alkohol- und Medikamentenabhängigen, beteuerte Susanne Till. In vier Selbsthilfegruppen treffen sich regelmäßig Betroffene, um gemeinsam der Erkrankung entgegenzutreten und neue Lebenskraft zu sammeln.
Angesichts solcher Zahlen und solcher Entwicklungen fragte sich Domkapitular Clemens Bieber in seiner Andacht, ob neben der alles überlagernden aktuellen Auseinandersetzung um die Ökologie und Ökonomie andere gesellschaftliche Themen nicht auf der Strecke geblieben sind: "Nicht darüber reden, heißt nicht, dass das Thema Sucht nicht mehr vorhanden ist".
Für die heitere Note sorgte zwischenzeitlich Fredi Breunig, der als Moderator die einzelnen Festredner ankündigte und dabei Eva Maria Linsenbreder begrüßte, die stellvertretende Bezirkstagspräsidentin. Der von der Gruppe Saitenklang musikalisch begleitete Festakt wurde vervollständigt durch ein Grußwort von Landrat Thomas Habermann sowie von Karl-Heinz Rau, ehemaliger Vorsitzendes des Kreuzbund-Diözesanverbandes. Mit der Schilderung der subjektiven Seite der Selbsthilfe rundete Dr. Karl Scheerer vom Kreuzbund das Programm ab und leitete in den geselligen Teil über.