Auf Spurensuche begaben sich 99 Schüler des Rhön-Gymnasiums Bad Neustadt an der einstigen innerdeutschen Grenze. Schon seit einigen Jahren ist dies ein besonderer Wandertag. Die Jugendlichen waren sowohl an den Relikten der früheren DDR-Sicherungsmaßnahmen bei Schlechtsart, als auch im Museum für Grenzgänger. Hier übernahm Hartmut Brunner, der Initiator dieser Grenzführungen, selbst die Führung zusammen mit Kreiskulturreferent Hanns Friedrich. Er berichtete den Schülern über die Selbstschussanlage SM-70, deren Aufbau, Anordnung und Wirkung der verschossenen scharfkantigen Stahlwürfel. Diese sind vergleichbar mit Dum-Dum-Geschossen und führen zu großen Wunden im Körper des Betroffenen. "Das kann dann durchaus dazu führen, dass der Flüchtling verblutet." Für die DDR sei es wichtig gewesen, dass der Getroffene so schwer verletzt werde, dass ein Entkommen praktisch nicht mehr möglich war.
Brunner wusste, dass im Zusammenhang mit dem 1983 vom damaligen Bayerischen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß eingefädelten Milliardenkredit an die DDR erreicht wurde, dass bis Ende 1984 die rund 1,3 Millionen verlegten Minen und die etwa 71 000 Selbstschussanlagen entfernt wurden. Brunner fügte allerdings hinzu: "Es ist aber davon auszugehen, dass bei der Räumungsaktion etwa 30 000 Minen nicht gefunden wurden." Wichtig sei es deshalb bei der Besichtigung von Grenzanlagen auf dem Kolonnenweg zu bleiben. Tobias Greubel und Katharina Utz waren als Begleitpersonen dabei. Utz stammt aus dem Münchner Raum und für sie war es eine Überraschung, wie die DDR einst durch Zaun und Minen abgesichert war.
Brunner ist das Thema deutsch-deutsche-Teilung eine Herzensangelegenheit
Im Gespräch mit dieser Redaktion sagte Brunner, dem das Thema einstige deutsch-deutsche Teilung sehr am Herzen liegt, dass neben dem Tag an der früheren DDR-Grenze eine Berlin-Fahrt eingeplant ist. „Wir werden einiges tun, um den Schülern der 10. Jahrgangsstufe die neuere deutsche Geschichte mit den Schwerpunkten Nationalsozialismus und DDR näherzubringen“, erläuterte Brunner. Er legt seit vielen Jahren großen Wert darauf, dass die nach 1989 geborenen Schüler die Unterschiede zwischen einem freiheitlichen Rechtsstaat und den beiden Diktaturen in Deutschland im 20. Jahrhundert erfahren. Es sei für junge Menschen schwer vorstellbar, wie das war, als ein 3,20 Meter hoher Metallgitterzaun, Schießbefehl, ja sogar Minenfelder, für vierzig Jahre Deutsche von Deutschen trennten. Für den Unterricht spiele Zeitgeschichte seit Jahren eine große Rolle und deshalb wurde auch in diesem Jahr wieder ein Wandertag an die einstige DDR-Grenze unternommen.
Die Schüler erfuhren zunächst im Kulturarsenal Darre von Hanns Friedrich mehr über den Aufbau und die perfektionieren Grenzanlagen anhand einer Power-Point-Präsentation. Er zeigte die einst grüne Grenze, bei der nur ein etwa hüfthoher Drahtzaun die Grenze absperrte, man aber noch in den Westen oder Osten konnte. Sowohl in Thüringen als auch Franken seien ja Felder gewesen, die bestellt werden mussten. Die Gymnasiasten erfuhren mehr über die Minentote, die unmenschlichen Selbstschussanlagen, sowie Schießbefehl und Schikanen der einstigen DDR-Grenzorgane. Friedrich schilderte eine Flucht aus der DDR, zeigte aber auch auf, wie nach 1989 die Grenze immer mehr bröckelte und es schließlich 1990 zur Wiedervereinigung kam. Bilder zeigten die Euphorie von damals, aber auch, dass durch noch liegende Minen Gefahr vom ehemaligen Grenzbereich ausging.
Schüler begaben sich auf eine spannende Reise in die jüngere Vergangenheit
Besucht wurde auf der Rundfahrt auch der ehemalige Führungsturm mit Bunker bei Gompertshausen, der zu DDR-Zeiten rund um die Uhr besetzt war. Die Schüler der 10. Jahrgangsstufe begaben sich damit auf eine für sie sicherlich seltene, aber doch spannende Geschichtsreise in Deutschlands jüngste Vergangenheit. Sie erfuhren in diesem Zusammenhang im Museum für Grenzgänger, dass die Menschen in Ost und West an ihrer Kultur, ihrem Brauchtum und der Muttersprache festhielten. Eine Wiedervereinigung Deutschlands? Daran habe, vor allem im Grenzland, niemand geglaubt, sagte Friedrich. "Ein Wunder", nannte er es, dass diese Wiedervereinigung 1989 friedlich über die Bühne ging. Nach nunmehr 30 Jahren seien zwar teils immer noch Bereiche zu sehen, wo die Grenze einst Deutschland durchschnitten hat, aber die Natur habe sich doch vieles wieder zurückgeholt. Dies zeige sich vor allem in den ehemaligen Grenzgebieten. Dort, wo heute Wälder entstanden sie, gab es bis 1990 noch ein freies Schussfeld.
