Die Rhöner Natur erwacht aus ihrem Winterschlaf. Tag für Tag und Stück für Stück wird es bunter. Die ersten Kuhschellen blühen an geheimen Orten. Jetzt heißt es: Fotorucksack gepackt und nichts wie raus in das Land der offenen Fernen! Doch Halt! Geht sowas in Zeiten der Corona-Ausgangsbeschränkungen?
Die Verunsicherung ist groß bei den Bürgern auch im Landkreis Rhön-Grabfeld. Darf ich mit dem Auto zum Friedhof fahren, um das Grab der Angehörigen zu pflegen? Kann ich mit dem Pferd ausreiten? Darf ich in die Hochrhön, um meinem Bedürfnis nach frischer Luft und einem gesundheitsfördernden Spaziergang nachzukommen?
Bewegung ist gut, aber nur alleine
Das Bayerische Staasministerium des Innern, für Sport und Integration beantwortet auf seiner Internetseite eine ganze Reihe von Fragen zu diesem Thema. Es hat sich herumgesprochen, dass Sport, Spazierengehen und Bewegung an der frischen Luft gestattet sind. Allerdings muss das ausschließlich alleine erfolgen oder mit Mitgliedern des gleichen Hausstandes und ohne jede sonstige Gruppenbildung. Auch soll diese sportliche Aktivität "in der unmittelbaren näheren Umgebung" durchgeführt werden.
Eine Angabe, die interpretierbar ist. Darf ich meinen Sport nur rund um das Haus oder meinen Wohnsitz betreiben oder darf ich auch mit dem Auto von Bad Neustadt aus in die Rhön fahren? Es gibt einen Punkt "Spritztouren allein mit dem Auto". Dort wird der Satz von erlaubtem Sport und Bewegung an der frischen Luft im familiären Umfeld, mit entsprechenden Abstandsregelungen und ohne Gruppenbildung wiederholt. Ein direktes Verbot ist nicht herauszulesen, man kann also mit dem Auto zum Ausgangspunkt seiner sportlichen Betätigung fahren. Es gibt nur die Ergänzung: "Von Ausflügen an beliebte Orte wird daher dringend abgeraten." Im Bayerischen Wald nutzen Städter dieses "Schlupfloch" in den Corona-Ausgangsbeschränkungen für die Tour in die Berge.
Habermann: Sport nur in der näheren Umgebung
Landrat Thomas Habermann unterstützt die Bitte der Staatsregierung, sportliche Aktivitäten nur in der unmittelbaren näheren Umgebung auszuüben. "Ich empfehle, sich neben der Frage 'Ist das erlaubt?' immer auch die Frage 'Muss das unbedingt sein?' zu stellen", so der Landrat gegenüber dieser Redaktion. Ansonsten hilft auch das Corona-Bürger-Telefon des Landratsamtes bei der Klärung von Fragen.
Muss es zum Beispiel unbedingt sein, Schlupflöcher zu nutzen, die sich möglicherweise durch die föderale Ordnung der Bundesrepublik auftun? Denn schon wird spekuliert, ob man nicht einen Baumarkt im Thüringischen aufsuchen könnte, weil die dort noch geöffnet haben als offenbar systemrelevante Betriebe. Eine Kontrolle auf bayerischem Gebiet würde wahrscheinlich eindeutige Folgen haben. Ansonsten muss man mit dem Umstand leben, dass man im Baumarkt derzeit kein Ersatzteil kaufen kann, mit dem man einen Schaden selbst reparieren könnte. Wenn es dringend ist, muss man den Handwerker anrufen, der dann kommen darf. Solche Mehrkosten muss man sich als Solidaritätsaktion dann positiv rechnen.
Was ist mit dem Grüngut?
Und dann ist da noch die Frage, ob man sein Grüngut auf den Grüngut-Sammelplatz bringen darf, wenn der sich wie oft im Landkreis außerhalb des eigenen Ortes befindet. "Bei einem Gang zur Kompostieranlage gilt es zu überlegen, ob der Gang notwendig ist", heißt es zum Beispiel im Fragen-Antwort-Bereich des Innenministeriums. Theoretisch ist es also möglich, praktisch könnte man vielleicht noch ein, zwei Wochen warten. Und wenn doch, ist der Abstand zum Nächsten natürlich einzuhalten.
Wie kompliziert die eine oder andere Fragestellung in der Corona-Krise ist, zeigt sich auch bei einem Fall von Kinderbetreuung, über den die Polizeiinspektion Mellrichstadt berichtete: Eine Wohnungsinhaberin hatte ihre Schwester und deren Lebensgefährten mit der Kinderbetreuung während eines Einkaufs beauftragt. Dies stellt eine Ordnungswidrigkeit nach dem Infektionsschutzgesetz dar. Nach den Vorgaben der Bayerischen Staatsregierung könnte die drei ein hohes Bußgeld erwarten, hieß es zu Wochenbeginn im Polizeibericht. "Die richtige Lösung wäre gewesen, die Schwester und ihren Freund um den Einkauf zu bitten und die Waren ohne Kontakt an der Haustüre abzulegen", gibt die Polizeiinspektion den entscheidenden Tipp - und eine Anzeige an das Landratsamt weiter.
Keine Schonung für Mutter
Der Bericht wird im Internet auch mit Kopfschütteln quittiert. Hätte die Mutter zur Arbeit gemusst, wäre diese Betreuung in dieser Konstellation möglich gewesen. Die Bundetagsabgeordnete Manuela Rottmann (Bündnis 90/Die Grünen) bewertet das Vorgehen der Polizei als unverhältnismäßig, zumal viele Familien unter schwierigen Bedingungen ihren Alltag organisieren müssten. "Eine Anzeige wegen dieser Ordnungswidrigkeit hätte nicht erfolgen müssen. Wir sind auf die Kooperationsbereitschaft der Bevölkerung angewiesen. Da schadet es eher, auf einen Irrtum oder Überforderung so unnötig hart zu reagieren." Ein Kommentator findet auch, dass eine Verwarnung mit Belehrung ausreichend gewesen wäre.
Am Ende kann man zu diesem Schluss kommen: Die Regelungen zur Ausgangsbeschränkung sind im Großen und Ganzen klar. Aber es finden sich Schlupflöcher für die, die danach suchen. Womöglich könnte man seinen Lieblingsberg in der Rhön zum Startpunkt einer Wanderung erklären. Aber muss man es auch wirklich tun?
10 Dinge, die man darf und nicht darf in Zeiten der CoronakriseStandesamtliche Trauung: Darf stattfinden im engsten Rahmen
Handwerker: Wenn ein Notfall vorliegt (Wasserschaden, Heizungsausfall, kaputte Toilette), dann darf ein Handwerker kommen.
Eltern besuchen: Nur, wenn dies unterstützungsbedingt ist, zum Beispiel bei Hilfe zum Einkauf
Zu Freunden nach Hause: Das ist verboten, auch darf man Freunde nicht zu sich einladen.
Gassigehen mit dem Hund: Möglichst alleine oder mit Haushaltsangehörigen, solange keine Gruppen gebildet werden.
Im Garten grillen: Der eigene Garten darf mit Familienangehörigen aus dem eigenen Hausstand genutzt werden, auch zum Grillen. Bei der Unterhaltung über den Gartenzaun ist ein Abstand von mind. 1,5 Metern einzuhalten.
Betreuung minderjähriger Kinder: Nicht von Personen außerhalb des eigenen Hausstandes. Eine Betreuung durch Dritte ist nur aus triftigem Grund möglich, insbesondere zur Ausübung der beruflichen Tätigkeit.
Kinder treffen andere Kinder: Das ist zur Zeit nicht möglich, auch wenn durch den Schulausfall schon eine gewisse Isolation besteht.
Mit dem Auto zum TÜV? Das Aufsuchen einer Kfz-Werkstatt ist grundsätzlich ein triftiger Grund, um das Haus zu verlassen. Nicht dringend notwendige Reparaturen sollten aber verschoben werden.
Mit dem Pferd reiten: Sport darf ausgeübt werden. Das Pferd darf auch mit dem Pkw aufgesucht werden, um es zu versorgen.
Das Kind zum Bäcker schicken: Kinder sollten so wenig Außenkontakt wie möglich haben, deshalb sollten Kinder nicht zum Einkaufen geschickt werden.
- Fragen und Antworten des Bayerischen Staatsministeriums des Innern
- Die Verordnung über die Ausgangsbeschränkung im Wortlaut
- Amtliche Positivliste der Geschäfte, die geöffnet haben dürfen
- Liste von Hilfsangeboten für Einkäufe etc. im Landkreis Rhön-Grabfeld
- Empfehlungen für Helfergruppen
Viele Fragen rund um die Corona-Ausgangsbeschränkung beantwortet die
Bürger-Telefonhotline des Landratsamtes:
Tel.: 09771-94800
Montag-Freitag: 8 bis 18 Uhr
Samstag-Sonntag: 10 bis 16 Uhr