Nordwestlich von Oberwaldbehrungen, etwa zwei Kilometer von der Ortsmitte entfernt, befindet sich in der Nähe der Ferienhaussiedlung am Büchig ein jüdische Friedhof, von Wald umgeben. Vor der Einweihung des eigenen Friedhofs beerdigte die Oberwaldbehrunger Gemeinde ihre Toten auf dem Kleinbardorfer Begräbnisplatz. Wie Forscherin Elisabeth Böhrer kürzlich herausfand, wurden Juden aus Oberwaldbehrungen aber auch in Neustädtles bestattet.
Der Friedhof wurde 1842 angelegt und hat eine Fläche von 2920 Quadratmetern. Hier wurden auch jüdische Verstorbene aus Bastheim, Ostheim, vereinzelt auch aus Bischofsheim, Oberelsbach, Gersfeld und anderen Orten, beigesetzt. Nach dem erhaltenen „Grabbuch“ befinden sich laut Auskunft von Elisabeth Böhrer auf dem Friedhof die Gräber von 123 Erwachsenen sowie sechs Kindern.
Das kaum merklich nordostgeneigte Gelände ist mit einem 1,50 Meter hohen Ma-schendrahtzaun eingezäunt und an drei Seiten von Nadelwald umgeben. Hinein führt ein zweiflügeliges, schmiedeeisernes Tor, eingerahmt von zwei Sandsteinpfosten gleicher Höhe. An der Nordostseite, wo sich auch der Eingang befindet, schließt sich an den Weg eine Wiesenfläche an. Der Friedhof ist vor allem im hinteren Bereich locker mit Bäumen bepflanzt. Die in Reihen angeordneten Gräber liegen ebenfalls im hinteren Teil, etwa ein Drittel der Fläche blieb unbelegt.
Die Belegung des Begräbnisplatzes erfolgte offensichtlich von hinten nach vorne. Die knapp 130 Grabsteine stehen in zwei Abteilungen, wobei sich der ältere Teil links vom Eingang befindet. Bei den älteren Grabmalen sind die Formen schlicht, die neueren stehen auf Sockeln und ragen deshalb höher aus dem Grabfeld heraus. Alle Steine sind mit einfacher Ornamentik versehen, die auf den älteren Steinen nur hebräisch, zum Teil auf der Rückseite deutsch sind. Als Symbole sind Krug und segnende Hände zu erkennen. Der neueste lesbare Grabstein ist aus dem Jahre 1937.
Bereits 1969 waren (einschließlich der Kindergräber) nur noch 56 Grabsteine lesbar, der älteste aus dem Jahr 1862. Als Materialien wurden grauer und gelber Sandstein, wenig Beton und polierter Schwarzstein verwendet. Einfassungen sind nur bei einigen neueren Gräbern zu erkennen. Der Friedhof wurde mehrfach geschändet, so auch im Jahr 1985. Einige Schrifttafeln sind zertrümmert oder fehlen ganz.
Juden waren bereits Mitte des 18. Jahrhunderts, vermutlich sogar noch früher, in Oberwaldbehrungen ansässig. 1752 wurde laut Böhrer eine Synagoge errichtet, die im Jahre 1887 renoviert wurde. Neben dem „Guten Ort“ (Friedhof) verfügte die jüdische Gemeinde seit 1837 auch über eine jüdische Schule. Da das betreffende Grundstück aber bereits 1826 gekauft worden war, ist zu vermuten, dass die Schule schon früher errichtet wurde.
Zusammen mit den Gemeinden Willmars, Nordheim und Oberelsbach hatte die Gemeinde einen Lehrer für den Religionsunterricht. Im Dezember 1934 beschloss der Verband Bayerischer Israelitischer Gemeinden – gegen den Willen der verbliebenen Juden – die Gemeinde aufzulösen. Die wenigen in Oberwaldbehrungen noch wohnenden Juden wurden der Gemeinde Mellrichstadt angeschlossen. Der Toraschrein sowie Ritualien wurden in die dortige Synagoge übernommen, wo sie im Novemberpogrom 1938 zerstört wurden.
Literatur: Anita Sperle-Fleig/Gabi Kokott: Jüdische Friedhöfe in Unterfranken, Seminararbeit Weihenstephan, MS 1986; Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern, 2. Auflage, Bamberg 1992.
www.alemannia-judaica.de/oberwaldbehrungen_friedhof.htm
Jüdische Friedhöfe
In einer mehrteiligen Reihe beleuchtet Kreisheimatpfleger Reinhold Albert Grabkultur und Totenritus der Juden. Der 61 Jahre alte ehemalige Polizeibeamte aus Sternberg beschäftigt sich seit gut einem Vierteljahrhundert intensiv mit dem Schicksal der jüdischen Bevölkerung im heutigen Landkreis Rhön-Grabfeld. Bereits 1990 veröffentlichte er dazu unter dem Titel „Juden im Grabfeld“ ein erstes Buch. Damals noch ein gewagtes Unternehmen. „Ich hatte Angst, dass die Fensterscheiben eingeworfen werden“, erinnert sich Albert und betont, dass heute das Interesse an den Themen ungleich größer sei als damals. Vor allem Jugendliche würden damit sehr viel vorbehaltloser umgehen. Aufgrund seiner fundierten Kenntnisse und seines großen Archivs benötigte er für die Erstellung der Serie nur gut zwei Monate. old