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VIERNAU: Die Solargenossen von Viernau

VIERNAU

Die Solargenossen von Viernau

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    Modul an Modul: Ein Elektriker im Solarpark Viernau im Landkreis Schmalkalden-Meiningen.
    Modul an Modul: Ein Elektriker im Solarpark Viernau im Landkreis Schmalkalden-Meiningen. Foto: Foto: Michael Reichel/DPA

    Der kleine Ort Viernau nennt sich stolz Solar-Kommune. Mit seiner neuen Energiegenossenschaft - der wohl größten in Thüringen - wird nun grüner Strom für alle Haushalte gemacht.

    Holger Kühhirt erinnert sich noch an den Tag im Herbst 2011, als er mit einem Kompass am Breiteberg war, wo jetzt Tausende Solarmodule stehen. Damals war gerade die Idee geboren worden, einen zweiten Solarpark in Viernau zu errichten. Den Kompass hatte der 42-Jährige dabei, um die Himmelsrichtungen genau zu bestimmen. Wie alle, die aus Sonnenlicht Strom machen, interessierte ihn vor allem, wo Süden ist. Denn aus dem Süden kommt das Licht, jedenfalls das meiste.

    Über ein Jahr ist seitdem vergangen und nun ist der Solarpark Realität. Nicht jeder der 2000 Einwohner der Gemeinde Viernau im südthüringischen Landkreis Schmalkalden-Meiningen glaubte zu Beginn an das Vorhaben. „Einige waren sehr argwöhnisch, andere abwartend. Größtenteils war die Resonanz aber positiv“, sagt Kühhirt, der im Ort eine Solarfirma betreibt.

    62 Genossenschafter

    Mittlerweile ist er auch der ehrenamtliche Vorstandsvorsitzende der Energiegenossenschaft, die den Solarpark am Breiteberg gestemmt hat. Die 62 Genossenschafter sind Teil von etwas, was man die Energiewende von unten nennen kann. Ein Drittel der Mitglieder kommt direkt aus Viernau, ein Drittel aus dem benachbarten Haseltal um die Stadt Steinbach-Hallenberg und ein Drittel aus Rest-Thüringen.

    „Unser berühmtester Mann ist Biathlon-Weltmeister Arnd Peiffer“, sagt Viernaus Bürgermeister Manfred Hellmann. Er leitet den Aufsichtsrat der Genossenschaft. Weil Hellmann auch für die Linke im Landtag sitzt, hat er in Erfurt gleich weitere Genossen gewonnen: den Fraktionsvorsitzenden Bodo Ramelow, drei Fraktionäre, aber auch den SPD-Umweltpolitiker Frank Weber.

    Schon mit 500 Euro konnte jeder mitmachen. Das ist der kleinste Genossenschaftsanteil. Einen Deckel haben die beiden Macher Hellmann und Kühhirt bei 30 000 Euro eingezogen, mehr Anteile sollte ein einzelnes Mitglied nicht zeichnen. Hellmann selbst, erzählt er freimütig, ist mit 8000 Euro dabei. Nur vier Mitglieder – eine Bank, ein regionaler Energieversorger, ein Verband und ein Privatmann – hätten die Obergrenze erreicht. Die meisten Anteile seien für unter 5000 Euro weggegangen.

    „Ich bin auch mit einem kleinen Anteil vertreten“, sagt Heiderose Weisheit. Sie sei eine der Ersten aus dem Ort gewesen. Die Rentnerin wohnt direkt am Breiteberg. Wenn sie aus ihrem Haus tritt, kann sie auf dem Hügel die Solarmodule in der Sonne schimmern sehen. Warum sie mitgemacht hat? Na, ganz einfach: „Ich war mein ganzes Leben für den Fortschritt. Ich mische mich ein, wo ich denke, dass es dem Fortschritt dient.“ Das Öl, fügt sie hinzu, sei doch nicht unendlich.

    Mit der Eröffnung des Solarparks ging für die Macher ein „Rennen“ zu Ende: „Es gab kaum Luft zum Atmen zwischendurch“, sagt der Vorsitzende Kühhirt. Alle standen unter großem Druck, weil sie wegen der sinkenden Stromvergütung unbedingt bis zum 30. September fertig sein mussten. Zuerst war die bis dahin ungenutzte Fläche der früheren Bauschuttdeponie am Breiteberg als Gewerbegebiet auszuweisen. Die Gemeinde erließ einen Bebauungsplan. Dann wurde die Genossenschaft mit ihren Organen gegründet. Schließlich mussten Mitglieder geworben werben.

    Große Verunsicherung

    „Sie müssen einfach loslaufen und dann sehen, wo die Steine sind“, bekamen die Macher auf einem Seminar gesagt. Bei ihrem Lauf erlebten sie „gravierende Probleme“ und „große Verunsicherung“, räumt Hellmann ein. Weil die Genossenschaft bei Erdarbeiten zu voreilig war, fing sie sich kurzzeitig einen Baustopp ein. Zudem leistete ein Anwohner hartnäckig Widerstand gegen die Solaranlage direkt vor seinem Haus. „Hanebüchene Vorurteile“ habe es gegeben, sagt Hellmann.

    Doch ins Stolpern kamen sie nicht. Der Termin Ende September wurde gehalten. Auch ein Testlauf war erfolgreich: Die 4100 Module produzierten den ersehnten Gleichstrom, der in einem Stahlcontainer mittels Wechselrichtern zu Wechselstrom umgewandelt wird. Noch liefert der ungefähr drei Fußballfelder große Solarpark keinen Strom, weil das letzte Okay des Netzbetreibers fehlt. Aber bald soll es so weit sein, kündigt Geschäftsführer Kühhirt an.

    Ab dann könnten die 800 Haushalte in Viernau komplett mit eigenem Solarstrom versorgt werden, sagt der Bürgermeister. Denn neben zahlreichen Anlagen auf den Hausdächern der Gemeinde verrichtet am anderen Ende des Ortes ein noch größerer Solarpark sein sauberes und lautloses Geschäft. So gut der für die Ökobilanz ist, so sehr ärgert sich Hellmann noch immer darüber, dass die Thüringer Behörden der Gemeinde die Betreibung untersagt hatten. Deshalb werden die Steuern in Schleswig-Holstein am Sitz des Investors gezahlt. Vor einiger Zeit immerhin gestand das Thüringer Innenministerium offiziell ein, dass die Gemeinde Sonnenstrom-Produzent hätte werden dürfen.

    Hoffen auf gute Rendite

    Die neue Genossenschaft zahlt ihre Steuern in Viernau. Zusammen mit der Pacht für die Fläche könnten in den nächsten 20 Jahren rund 150 000 Euro in die Gemeindekasse fließen, sagt Hellmann. Auch die Genossenschaft hofft auf eine angemessene Rendite: Wer beispielsweise Anteile für 1000 Euro erworben hat, soll 60 bis 80 Euro Ertrag pro Jahr erzielen.

    So rechne sich die Energiewende für alle. Schon mehr als 30 Energiegenossenschaften gibt es laut Wirtschaftsminister Matthias Machnig (SPD) im Freistaat Thüringen, bundesweit seien es um die 600. Die in Viernau sei nach seinem Wissen, so Geschäftsführer Kühhirt, die größte in Thüringen – gemessen an der Zahl der Mitglieder und am Umfang der Anlage. Die Erfahrungen, die die Solargenossen mit ihrem 1,4 Millionen Euro schweren Projekt gemacht haben, wollen sie jetzt gerne mit anderen Interessierten teilen.

    Neue Ideen gibt es auch schon. Um die Viernauer Betriebe mit ihren 500 Arbeitsplätzen ebenfalls mit grünem Strom zu versorgen, sei ein Windrad nötig, sagt Manfred Hellmann, der Bürgermeister und Aufsichtsratschef. Wie er sich die Energiewende vor Ort vorstellt, formuliert er so: „Ein Dorf, ein Kirchturm, ein Windgenerator. Dafür bin ich.“

    Strom aus Sonne

    Der Solarpark in Viernau gilt in ganz Thüringen als größtes Projekt einer Energiegenossenschaft. Die wichtigsten Daten: 1,4 Millionen Euro wurden investiert. 4100 Module stehen auf einer Fläche von 1,8 Hektar. Die Sharp-Module wurden in Europa produziert, jedes Modul misst 1 mal 1,66 Meter. Es handelt sich um polykristalline Siliziumzellen, der Wirkungsgrad liegt bei rund 15 Prozent. Die Gesamtausbeute beträgt knapp ein Megawatt. Die Genossenschaft rechnet mit sechs bis acht Prozent Rendite pro Jahr.

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