Gewöhnlich ist Hausen ein Besuchermagnet, wenn Veranstaltungen rund um den Obstanbau angeboten werden. So war es für die Ausrichter verwunderlich, dass zur Edelreiserbörse nur tröpfchenweise Interessierte eintrafen und beim Veredelungskurs mit Kreisgartenfachberater Georg Hansul gerade einmal vier Teilnehmer gezählt wurden. Früher waren es bis zu 50. Etwas traurig schaut daher Adam Zentgraf, Herz und Kopf des Arbeitskreises Streuobst, der den Reiserverkauf vorbereitet hat.
Zentgraf ist eine unerschöpfliche Informationsquelle in Sachen Sortenveredelung. Etwa 200 Sorten Reiser hat er im Frühjahr von den Bäumen rund um Hausen geschnitten, die er am Verkaufstresen im Bauhof gemeinsam mit seiner Ehefrau Anneliese feilbot. "So eine Vielfalt hat es früher nicht gegeben", weiß er. Dabei wurde rund um Hausen und hinunter ins Streutal intensiv Obst angebaut, das den Menschen zum Lebensunterhalt und als Grundnahrungsmittel diente.

Obstanbau hat eine lange Geschichte
Die Geschichte des Obstanbaus reicht bis in die Römerzeit zurück, erzählt Zentgraf. Hier hat es früher nur "Holzäpfel" - kleine, wenig schmackhafte Früchte - gegeben. Die Eroberer brachten die Kunst des Veredelns und eine Vielfalt von Sorten über die Alpen. Es dauerte allerdings Jahrhunderte, bis sich der Anbau verbreitete. Erst im Spätmittelalter bildete der Obstanbau eine wichtige Lebensgrundlage für die Bevölkerung.
Ab dem 19. Jahrhundert begannen Züchter bestimmte Sortenmerkmale gezielt zu erzeugen. In der Rhön breiteten sich robustere klimaangepasste Sorten aus. Sogar Kriegsheimkehrer brachten aus anderen Regionen bisher unbekannte Sorten mit. Bevorzugt waren in den Streuobstbeständen Sorten mit einem hohen Säureanteil, die sich zur Weiterverarbeitung zu Most eignen. Sogar noch in den 50er Jahren machten Behörden Auflagen zur Pflege der Bestände und belegten Verstöße mit Strafen. Rund um Hausen wurden Mitte der 60er Jahre rund 5000 Obstbäume gezählt.
Globalisierung bremste heimischen Anbau
Mit der Globalisierung und dem Aufkommen bisher unbekannter Arten aus südlichen Ländern begann die Abkehr von der heimischen Produktion. Die Pflege der Bestände wurde vernachlässigt, so dass sich Ende der 1980er Jahre in Hausen eine Initiative gründete, die sich den Erhalt der Streuobstwiesen zum Ziel machte.
Bei einer umfassenden Sortenbestimmung trugen 1996 mehrere renommierte Pomologen Veredelungsmaterial von einigen 100 Sorten zusammen, die von Baumschulen zu 2000 Bäumen herangezüchtet wurden und auch als Grundlage für den Streuobstlehrpfad von Hausen dienten.
Damit waren rund um Hausen etwa 200 verschiedene Sorten von Äpfel, Birnen, Zwetschgen, Marillen und Pfirsichen heimisch. Auf diese Zeit geht auch die Apfelmesse und Edelreiserbörse zurück, die normalerweise von zahlreichen Liebhabern aus nah und fern besucht werden.

Wie funktioniert Veredeln?
Wie Veredeln funktioniert, zeigt Zentgraf: An einem Baum am Lehrpfad kürzt Zentgraf zunächst einen Ast. An der Schnittfläche ritzt er an drei Stellen die Rinde ein. An den Reisern entfernt er ein Stück Rinde, "jetzt muss man sehr sauber arbeiten und die offenen Stellen nicht mehr berühren", erklärt Zentgraf. Die spitzen Enden der Reiser schiebt Zentgraf unter die Rinde des Mutterbaums und bestreicht nach dem Umwickeln der Verbindungsstelle den Bereich mit einem speziellen Harz. Je nach Art dauert es ein bis drei Jahre, bis die ersten Früchte wachsen. Theoretisch lassen sich alle Sorten untereinander veredeln, allerdings nur innerhalb der Arten, "Apfel auf Kirsche, das funktioniert nicht".
Experimentieren mit Apfelsorten
Zurück am Verkaufsstand hat sich doch ein Käufer eingefunden. Winfried Stapf will zwei Bäume veredeln. Er experimentiert mit verschiedenen Apfelsorten, die ein Freund zum Schnapsbrennen benötigt, erzählt der Mann aus Urspringen. Weil das "Aufpropfen" eine heikle Angelegenheit ist, verspricht Zentgraf, vorbeizuschauen.
Es findet sich aber auch Bürgermeistermeister Fridolin Link ein, der diesmal nicht als Mitorganisator auftritt, sondern als Empfänger eines besonderen Geschenks. Das Präsent besteht aus einem Gemälde, einem Stillleben, mit einem Apfelmotiv. Das Bild stammt von der in Salz ansässigen Künstlerin Brigitte-Anna Melzer-Hohenester, die bereits im Brüsseler Parlament ausgestellt hat.
Das Werk aus dem Jahre 1998 ist eigentlich eine Schenkung an Astrid Stier, die die Künstler vom örtlichen Rhönklub kennt. "Irgendwie habe ich bei mir keinen geeigneten Platz gefunden, aber wo wäre es besser aufgehoben als in Hausen", habe sie sich gedacht. Und nachdem sie sich die "Absolution" von der Schöpferin geholt hat, soll ihre Arbeit nun hängen, wo es am besten passt, waren sich die drei einig.