An der Durchfahrt zum Mellrichstädter Rathaus steht ein steinerner Koffer. Eine Tafel daneben erklärt die symbolische Bedeutung des Mahnmals. Die Nachbildung soll die Erinnerung an das schlimmste Kapitel deutscher Geschichte wachhalten: die Deportation und Ermordung Millionen jüdischer Bürger.
Bei einem kurzen Festakt zur Enthüllung des Mahnmals beschrieb Benita Stolz, Vorsitzende des Vereins Denkort Deportation aus Würzburg, die Idee der Initiative, der sich bisher etwa 70 Kommunen aus Unterfranken angeschlossen haben. Danach werden von den Teilnehmern Koffer angefertigt, die symbolisch den Abtransport der jüdischen Bevölkerung darstellen. Ein Koffer wird dazu in der Gemeinde und das Pendant am Denkort vor dem Würzburger Hauptbahnhof aufgestellt.
Der Koffer stellt dabei einen besonders zynischen Bestandteil des Völkermordes dar, denn die Betroffenen mussten nicht nur Verpflegung und Kleidung selbst mitbringen, sondern auch für die Transportkosten aufkommen. 2069 Menschen aus 109 unterfränkischen jüdischen Gemeinden erlitten dieses Schicksal. Nur etwa 60 von ihnen sollen die Konzentrationslager überlebt haben.
1910 lebten 165 jüdische Einwohner in Mellrichstadt
Kreisheimatpfleger Reinhold Albert zeichnete die Geschichte der Juden in Unterfranken nach. Danach wird vor fast 800 Jahren erstmals die Anwesenheit von Juden in Mellrichstadt erwähnt. Auch zu dieser Zeit wird schon von Pogromen gegen Juden berichtet. Fürstbischof Julius Echter ordnete die Vertreibung der Juden aus dem Bistum an. Doch nach und nach siedelten sich überall Juden an.
Ein besonderer Akt der Geringschätzung war die sogenannte Matrikelpflicht, die 1817 eingeführt wurde. Danach durfte nur eine begrenzte Anzahl von Juden in den Städten und Gemeinden leben. Nach deren Abschaffung breitete sich jüdisches Leben immer mehr aus. Juden etablierten sich in Wirtschaft und Gesellschaft und waren in der Bevölkerung voll integriert. Es gibt Quellen, in denen Juden das gute Miteinander in Mellrichstadt hervorheben. 1910 wurde mit 165 jüdischen Einwohnern der Höchststand in Mellrichstadt registriert.
Ein trauriger Höhepunkt war die Verwüstung der Synagoge
Schon einige Jahre nach dem Ersten Weltkrieg wurde dann aber auch in Mellrichstadt von Übergriffen gegenüber der jüdischen Bevölkerung berichtet. Die Stimmung kippte endgültig mit der Machtübernahme der Nazis. Ein trauriger Höhepunkt war die Verwüstung der Mellrichstädter Synagoge im Jahre 1938. Viele Juden wanderten aus, doch 51 Männer, Frauen und Kinder aus Mellrichstadt wurden Opfer des Holocausts. An sie erinnert die Gedenktafel, die 2015 am Nathan-Stern-Platz – einem ehemaligen jüdischen Bankier und Mellrichstädter Ehrenbürger – angebracht wurde und neben der nun auch der Koffer des Mellrichstädter Künstlers Arthur Zimmer seinen Platz gefunden hat.
Nach Grußworten von Bürgermeister Michael Kraus sowie stellvertretendem Landrat Bruno Altrichter steuerten die Teilnehmer noch ein zweites Ziel an. Im Bürgerhaus wurde die Wanderausstellung "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland" eröffnet. Auf 20 Tafeln wird dabei jüdische Geschichte in Deutschland dargestellt.