Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Rhön-Grabfeld
Icon Pfeil nach unten
Mellrichstadt
Icon Pfeil nach unten

MELLRICHSTADT: Fantastische Literatur im Café Art

MELLRICHSTADT

Fantastische Literatur im Café Art

    • |
    • |
    David Henkes und Peggy Geßner haben wieder einmal mit ihrer Textauswahl, diesmal zum Thema „fantastische Literatur“, ihren Zuhörern einen kurzweiligen, spannenden Nachmittag beschert.
    David Henkes und Peggy Geßner haben wieder einmal mit ihrer Textauswahl, diesmal zum Thema „fantastische Literatur“, ihren Zuhörern einen kurzweiligen, spannenden Nachmittag beschert. Foto: Foto: Rautenberg

    Vom Tod, der auf Glatteis ausrutscht, von Rosen verspeisenden Einhörnern und Menschen fressenden Katzen handelten die fantastischen Erzählungen, die Peggy Geßner und David Henkes ihrem Publikum präsentierten. Und das war nicht alles, was die beiden Moderatoren vom „Mellrichstadt liest“ ihren Zuhörern im Café Art boten.

    Denn das Thema des jüngsten Vorlesenachmittags war die fantastische Literatur. Und das Spiel mit der Angst ist dabei eher ein Neben- als ein Hauptthema. Geßner und Henkes Autoren waren die Amerikaner James Thurber (1894 bis 1961) und H. P. Lovecraft (1890 bis 1937), die Briten Terry Pratchett (geb. 1948), Joanne K. Rowling (geb. 1965) und Chris Priestley (geb. 1958) sowie Michael Ende (1929 bis 1995).

    Es gab einmal eine europäische Literaturepoche, die dem Fantastischen, Märchenhaften oder Übersinnlichen in der Literatur jede Lebensberechtigung absprach. Und Griechenlands großer Philosoph Plato, so erzählt man sich, erklärte alle Dichter rundweg zu Lügnern, wohl deswegen, weil sie ihre Geschichten samt und sonders erfunden haben. Das war ein arger Ausrutscher des ansonsten doch so weisen Mannes, denn Romane z. B., auch wenn ihre Handlung erfunden ist, können in einem gleichnishaften Sinn sehr viel Wahrheit über die Menschen, ihr Wesen, ihre Gesellschaft, ihren Zeitgeist ausdrücken.

    Wenn überhaupt eine Literaturgattung den Tadel des antiken Geistesmannes verdient, dann wohl die fantastische Literatur. Denn hier ist so gut wie alles er-funden, und – sei’s drum – „erlogen“. Aber trotz ihrer rigorosen Ablehnung im 18. Jahrhundert hat sich dieses Genre spätestens seit der Romantik in der euro-päischen und europäisch beeinflussten Literatur durchgesetzt und großartige Werke hervorgebracht. Nennen wir nur einige wenige Namen wie Horace Walpole, Mary Shelley, Edgar Allan Poe, Lewis Carroll, Jules Verne, H. G. Wells, Robert Louis Stevenson, E. T. A. Hoffmann, J. R. R. Tolkien oder Marion Zimmer Bradley. Tolkien kann als der moderne Altvater der fantastischen Literatur gelten, hat er doch geradezu einen kompletten Kosmos nicht nur mit der Trilogie „Herr der Ringe“ geschaffen. Auch Joanne K. Rowling gelang mit ihrer siebenbändigen „Harry-Potter“-Serie ein ähnlich breit angelegtes und ungeheuer erfolgreiches Werk um den Zaube-rersohn Harry Potter und seine Zaubererschule Hogwarts. Peggy Geßner las aus dem ersten Band „Der Stein der Weisen“ den Anfang vor, aus dem hervorgeht, wie Harry in Ahnungslosigkeit über seine schicksalsschwere Abstammung bei sei-nen Pflegeeltern, seiner Tante Petunia und seinem Onkel Vernon Dursley seinen 11. Geburtstag begeht. Doch der Bote von dem Zaubererinternat, der unge-schlachte, aber gutmütige Halbriese Rubeus Hagrid kommt zu den Durselys und teilt Harry mit, dass er in das Internat zur Ausbildung als Zauberer aufgenom-men sei.

    Diese Textstelle ist von Schadenfreude über die bornierten, gehässigen Dursleys samt ihrem verzogenen Sohn Dudley durchdrungen. Das Thema der Schadenfreude spielt auch in der Kurzgeschichte „Das Einhorn im Garten“ von James Thurber eine Rolle, die Henkes vorlas. Eine bösartige Ehefrau glaubt ihren Mann ins Irrenhaus einliefern zu können, weil er – im Rahmen der Fiktion als eine Tatsache hingestellt – ein Blumen fressendes Einhorn im Garten gesehen haben will. Aber der Spieß dreht sich um, denn letztlich wird sie für wahnsinnig gehalten und, durch eine Zwangsjacke gebändigt, in eine psychiatrische Anstalt eingeliefert.

    Eine Parodie auf die Schauerromane stellt Pratchetts „Gevatter Tod“ dar, die in einer zwar menschenähnlichen, aber ansonsten ganz anders gearteten Scheibenwelt spielt. Aus der indischen Mythologie stammt die Vorstellung, dass diese Weltscheibe von vier kosmischen Elefanten getragen wird, die ihrerseits auf einer noch größeren kosmischen Schildkröte stehen (Assoziationen zur germanischen Weltesche Yggdrasil werden wach). Auf dieser von Menschen bewohnten Scheibe geht der Tod um, aber das ist ein recht freundlicher Kumpel und Lehrmeister, mit dem sich trefflich plaudern lässt, der gerne Currywurst isst, auf dem Glatteis ausrutscht und sich die Knie wehtut und der auch sehr gern einen Jungen na-mens Mort (= frz., Tod – ein Wortspiel) bei sich einstellt und ihm das Handwerk der Seelenbegleitung ins Jenseits beibringt. Der Text regte ununterbrochen zum Schmunzeln an, was die Begeisterung von Peggy Geßner für das Buch und sei-nen Autor erklärlich macht.

    Ein Lächeln, wenn auch ein gequältes, ist noch bei der von Henkes vorgelesenen Erzählung „Die Katzen von Ulthar“ von Terry Pratchett möglich, am ehesten vielleicht für einen Katzenfreund. Denn dies ist die Geschichte von einer fürchterlichen Rache, die die Katzen des Ortes Ulther an zwei Katzenfeinden nehmen: Sie schließen sich solidarisch zusammen, suchen die Behausung der Katzenmörder auf, bringen sie gemeinsam um und fressen sie auf.

    Rätselhaft, weil man nicht recht weiß, für wen man als Leser Sympathie empfinden soll, ist die Erzählung „Die kleinen Menschen“ von Chris Priestley. Es ist die Geschichte einer Rivalität zweier Mädchen, Stiefschwestern, von denen das eine aus Mangel an Fantasie das andere Mädchen für seine Einheit mit dem Übersinnlichen beneidet und hasst, von dem anderen aber mit zunächst wie Elfen aussehenden Wesen, die sich aber als ein Schwarm blutrünstiger, insektenartiger Monster entpuppen, umgebracht wird. David Henkes hatte diese Erzählung aus dem Band „Schauergeschichten aus dem Schlund des Tunnels“ ausgewählt.

    Das Buch von der Macht der Fantasie, aber auch der Gefahr, sich in dieser zu verlieren, ist Michael Endes weltbekannt gewordener Jugendroman „Die unendliche Geschichte“. Peggy Geßner las daraus den Abschnitt zu Beginn des Romans vor, der erzählt, wie der jungenhafte Held Bastian Balthasar Bux in den Besitz des Buchs „Die unendliche Geschichte“ kommt und sich mehr und mehr in dessen Lektüre verliert. Bastian ist ausersehen, das Land Phantasien und seine Kindliche Kaiserin vor dem Versinken ins Nichts zu retten, aber auch wieder den Weg zu-rück in die reale Welt zu finden.

    Fazit: Die Textbeiträge von Geßner und Henkes haben Appetit gemacht auf mehr.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden