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ERMERSHAUSEN/BAD KÖNIGSHOFEN: Fluchtversuche im Todesstreifen

ERMERSHAUSEN/BAD KÖNIGSHOFEN

Fluchtversuche im Todesstreifen

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    Unvergesslich: der Aufbau des doppelreihigen Stacheldrahtzauns zwischen Breitensee und Hindfeld im Jahr 1961.
    Unvergesslich: der Aufbau des doppelreihigen Stacheldrahtzauns zwischen Breitensee und Hindfeld im Jahr 1961. Foto: Fotos: Sammlung Reinhold Albert

    Nach dem Bau der Berliner Mauer vor genau einem halben Jahrhundert begann die DDR ab September 1961 auch an der etwa 125 Kilometer langen thüringischen Grenze zu Unterfranken mit dem Ausbau der Sperranlagen.

    Bereits ab 1949 waren auf höher gelegenen Punkten auf sowjetzonalem Gebiet Wachtürme aufgestellt worden. Um den immensen Flüchtlingsstrom einzudämmen, wurde 1952 entlang der Demarkationslinie (DL) auf ostzonaler Seite ein zehn Meter breiter Streifen angelegt, auf dem ein Stacheldrahtzaun errichtet wurde.

    Von Lübeck bis Hof zog sich seitdem quer durch Deutschland ein ausgeklügeltes und auf fünf Kilometer gestaffeltes System von Kontrollstreifen, Schutzstreifen, Sperrzonen mit Wachtürmen, Beobachtungsbunkern, Stacheldrahtzäunen, Markierungspfählen, Spanischen Reitern, Straßensperren, Bretterzäunen, Betonpfeilern – bewacht und kontrolliert von 15 motorisierten und schwerbewaffneten Regimentern der „Deutschen Grenzpolizei“ der DDR. Der Zehn-Meter-Streifen erhielt im Volksmund die Bezeichnung „Todesstreifen“, weil bei dessen Betreten laut Vorschrift von östlicher Seite das Feuer sofort zu eröffnen war.

    Der Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 weckte das Interesse an der innerdeutschen Grenze in Unterfranken, worauf sich die Bayerische Grenzpolizei in jenen Tagen veranlasst sah, in einem Aufruf auf die Gefahren hinzuweisen, zumal die aufgestellten Warnschilder oft ignoriert wurden. In der Pressemitteilung heißt es unter anderem: „Genau sehen die ostzonalen Bewacher, wenn man auf dem Zehn-Meter-Streifen steht. Damit gibt er den Vopos Anlass, ihn, wenn auch widerrechtlich, festzunehmen, da er das Territorium der DDR verletzte.“

    Spektakuläre Fluchten ereigneten sich an der unterfränkisch-thüringischen Grenze schon vor dem Mauerbau. So berichtete eine Heimatzeitung am 20. April 1961 aus Rothausen: „Die Flucht in den Westen gelang in der Nacht zum Dienstag einem Feldwebel der Nationalen Volksarmee der Ostzone.

    Von Hunden gehetzt

    Der 26-Jährige kam in voller Uniform bei Rothausen über den Grenzstreifen und bat bei den Behörden um politisches Asyl. Seine Kollegen von drüben wollten die Flucht vereiteln, indem sie ihm Hunde nachhetzten und auf ihn schossen. Etwa sieben Schüsse und eine Feuergarbe aus der Maschinenpistole wurden auf ihn abgegeben, keiner der Schüsse traf aber. Auch die Hunde erwischten ihn nicht.“

    Im Juli 1961 verirrten sich zwei Damen aus dem Rheinland, die auf Besuch auf dem Gutshof in Sternberg weilten, bei ihrem Sonntagsspaziergang in die „Ostzone“. Nachdem eine Suchaktion der örtlichen Feuerwehr ergebnislos verlaufen war, rief der Gutsbesitzer die zuständigen behördlichen Stellen in der DDR an, um sich über den Verbleib zu erkundigen. Es wurde ihm dabei ein abschlägiger Bescheid erteilt. Bei einem neuerlichen Anruf am nächsten Tag teilte man mit, dass die Vermissten nach dreitägiger Haft wieder über Bebra in die Bundesrepublik ausreisen dürfen.

    Mitte August 1961 erschraken Bauern der unterfränkischen Zonengrenzgemeinde Irmelshausen bei ihrer Feldarbeit. Von der nahen Demarkationslinie her peitschten Schüsse. 20 Meter vor dem Schlagbaum, noch auf DDR-Gebiet, brach ein junger Mann zusammen. Ohne sichtbare Gemütsbewegung eilten einige Uniformierte hinzu und bewachten den Schwerverletzten so lange, bis er auf einer Zeltplane zurückgeschafft wurde.

    Drei Buben der Internatsschule Haubinda im Heldburger Unterland im Alter von 13 und 14 Jahren gelang im September 1961 die Flucht über die Grenze bei Trappstadt. Sie waren ständigen Verhören ausgesetzt gewesen, nur weil sie in der Nähe des Schullandheimes Höhlen gebaut hatten, in denen Spielzeuggewehre gefunden worden waren, womit sie sich verdächtig gemacht hatten. Anfang Oktober 1961 gelang einem 19-jährigen „Vopo“ bei Alsleben unverhofft die Flucht, ohne dass er es gewollt hätte. Der in der Grenzkompanie Gompertshausen stationierte Berliner war erstaunt, als ihm ein Alslebener Bauer erklärte, er befinde sich auf westdeutschem Gebiet.

    In die andere Richtung

    Es gab aber auch Menschen, die in die andere Richtung fliehen wollten. Zur gleichen Zeit wurde bei Ermershausen von einem Beamten der Grenzpolizei in Grenznähe ein entsprungener Sträfling festgenommen, der versuchte, die Zonengrenze zu erreichen, um in die DDR zu gelangen.

    Der „Limes Socialistica“ wurde im Lauf der Jahre bis zur friedlichen Revolution in der DDR im Herbst 1989 immer dichter. Ab 1966 folgte ein doppelreihiger Metallgitterzaun, und ab Beginn der 1970er Jahre ein einreihiger Metallgitterzaun mit Todesschussautomaten, elektrisch geladenem Hinterlandsicherungszaun und Kraftfahrzeug-Sperrgraben.

    ONLINE-TIPP

    Viele Bilder zum Thema im Internet: www.mainpost.de/Fotos

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