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BISCHOFSHEIM: Gegen den Fachkräftemangel: Ein Ägypter am Holzberghof

BISCHOFSHEIM

Gegen den Fachkräftemangel: Ein Ägypter am Holzberghof

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    Ein Ägypter am Holzberghof: Seit über einem Jahr arbeitet Restaurantfachmann Bassem Hana im Restaurant an der Hochrhönstraße bei den Meinschäfers, im Bild mit Chef Bernd Meinschäfer.
    Ein Ägypter am Holzberghof: Seit über einem Jahr arbeitet Restaurantfachmann Bassem Hana im Restaurant an der Hochrhönstraße bei den Meinschäfers, im Bild mit Chef Bernd Meinschäfer. Foto: Foto: Ines Renninger

    „Wenn wir könnten, würden wir ihn klonen“, sagt Bernd Meinschäfer schmunzelnd. Der Chef des Ausflugslokals mit Gästezimmern an der Hochrhönstraße bei Bischofsheim (Lkr. Rhön-Grabfeld) klopft dem 27-jährigen Bassem Hana anerkennend auf die Schulter. Seit Mai 2017 lebt und arbeitet der Ägypter bei den Meinschäfers am Holzberghof.

    Die Familie hat den Restaurantfachmann quasi aus ihrem Urlaubsort, dem ägyptischen Küstenstädtchen El Gouna, eingeflogen. Inzwischen gehört der Ägypter schon fast zur Familie.

    Die Stammgäste lieben ihn

    Die Stammgäste lieben den jungen Mann mit seiner offenen, zugewandten Art. Auch Bassem Hana ist nach über einem Jahr nach wie vor glücklich in der Rhön. „Es war immer mein Traum, eines Tages in Deutschland zu arbeiten.“ Seine Chance bekam der Ägypter aufgrund des Fachkräftemangels. Köche und Servicekräfte fehlen – natürlich nicht nur in der Rhön.

    Abgelegene Gasthöfe haben es schwer

    Dort ist die Situation in etwas abgelegenen Betrieben wie dem Holzberghof aber besonders schwierig. „Mit öffentlichen Verkehrsmitteln sind wir nicht erreichbar“, erzählen die Meinschäfers. Ihr ältester Sohn sei nach einer Ausbildung im Hotelfach in den Bereich Informatik gewechselt. Anders der jüngere Sohn, Koch und seit über vier Jahren am Holzberghof tätig. Naturverbunden und in der Region verwurzelt will er das Restaurant in Kürze übernehmen.

    Vergebliche Rekrutierungs-Versuche

    Auch der Junior wird dann auf qualifizierte Mitarbeiter angewiesen sein. Einiges hat die Familie in den vergangenen Jahren dafür versucht, Über ein Praktikum beispielsweise hatten sie einen fähigen Asylbewerber kennengelernt. Eine Vollzeitstelle sollte der bekommen. Doch bevor er sie antreten konnte, kam der Abschiebe-Bescheid. Andere im Asylverfahren hätten von Anfang an 450 Euro-Job-Angebote abgelehnt, weil der Verdienst mit ihren Leistungen verrechnet worden wäre. Auch von der Agentur für Arbeit würden regelmäßig Arbeitssuchende geschickt. Viele wollen den Job am Ende nicht antreten.

    Personalsuche auch im Urlaub

    Kein Wunder also, dass die Meinschäfers, egal wo sie sind, die Umgebung nach potenziellem Personal scannen. So auch im Frühsommer 2017 beim Tauchurlaub in Ägypten. Und wirklich: Der Kapitän des Tauchbootes wusste Rat in Form eines Bekannten, dessen Bruder, Bassem Hana, von Deutschland träumte.

    „Deutschland ist die Zukunft“, hatte Bassem Hanas älterer Bruder Rafik erklärt. Weil Bassems Eltern die Kosten der deutschen Hotelfachschule in Ägypten nicht übernehmen konnten, finanzierte der große Bruder dessen dreijährige Ausbildung. Diverse Deutsch-Kurse absolvierte Hana in dieser Zeit, am Ende stand die Abschlussprüfung zur Restaurantfachkraft. Abgenommen wurde die in Ägypten von der IHK Leipzig.

    Der Traum von Deutschland

    In den folgenden Jahren arbeitete der junge Mann in hochklassigen A-la-Carte-Restaurants und Fünf-Sterne-Hotels in Ägypten. „Aber es gibt so viele gut ausgebildet Arbeitskräfte in Ägypten.“ Der Traum von einem Leben in Deutschland ließ ihn nie los. Als das Angebot der Meinschäfers kam, zögerte er nicht zuzusagen.

    Das begehrte Visum kostete ihn und seine Rhöner Arbeitgeber jede Menge Nerven. Dabei hatte die hiesige Arbeitsagentur längst ihr Placet erteilt. Doch mal gingen Dokumente auf dem Postweg verloren, dann wieder fehlten Unterlagen, die bis dato nie gefordert worden waren. Am Ende hielt er das ersehnte Visum in der Hand, als die Freundin streikte. „Nur sechs Monate“, sagt er. „Deutschland oder ich“, antwortete sie. Bassem Hana stieg ins Flugzeug.

    Weiterqualifizierung, um bleiben zu können

    Über ein Jahr ist das inzwischen her. Derzeit absolviert Hana neben seiner Arbeit im Holzberghof eine Ausbildung zum Hotelfachmann. Besteht er seine Prüfungen, sieht es vorerst gut aus für sein Bleiben in der Rhön. Dann könne er zwei weitere Jahre in Deutschland arbeiten.

    „So ein Grün – das haben wir nicht“, sagt Bassem Hana. Über 1000 Fotos hatte er am ersten Wochenende in der Rhön geschossen. Zumindest im Sommer fasziniert den Ägypter die Landschaft. Der Schnee im Winter ängstigte ihn eher. „Mit dem Auto im Winter zur Berufsschule nach Bad Kissingen, das ist schrecklich“, erklärt er. Zwei Mal schon habe sein Chef sein Auto aus dem Graben ziehen müssen.

    Der Arbeitgeber wird Ersatzfamilie

    Dessen Familie sei ein Stückweit zu seiner Ersatzfamilie geworden, so Hana. Die Meinschäfers scheinen dem jungen Ägypter deutlich mehr als üblich verpflichtet. Als er ankam, stellten sie ihm ein Auto und ein Fahrrad zur Verfügung. Sie integrierten ihn bei Mahlzeiten in den Familienkreis. Sorgten dafür, dass er nach sechs Monaten einen deutschen Führerschein machte, um die Fahrerlaubnis nicht zu verlieren. Kümmerten sich letztlich sogar ein Stückweit um seine Freizeitgestaltung. Bernd Meinschäfer geht regelmäßig mit ihm angeln, andere Kollegen mit ihm Eisessen.

    Ein Aufwand, der gerechtfertigt sei. „Wir hätten uns längst noch eine ausländische Fachkraft geholt“, erklärt Bernd Meinschäfer. Eine weitere Genehmigung erhielten sie aber bislang nicht. „Wir hoffen jetzt auf ein vernünftiges Einwanderungsgesetz“, so der Senior-Chef.

    Unterfranken braucht Gastronomie-Fachkräfte 817 offene Stellen müssen laut Angaben der Bundesagentur für Arbeit aktuell in der unterfränkischen Gastronomie besetzt werden. Gesucht werden unter anderem über 220 Servicefachkräfte und rund 200 Köche. „Viel zu viele“ seien das, klagt Michael Schwägerl, Bezirksgeschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes in Unterfranken. Der Personalmangel führe soweit, dass Betriebe ihre Öffnungszeiten reduzieren müssten, weil sie Gäste sonst nicht mehr ausreichend bewirten könnten. Um die freien Stellen doch noch irgendwie besetzen zu können, hätten viele Betriebe Kontakte in osteuropäische Länder wie Polen und die Slowakei geknüpft. Fachkräfte von dort blieben aber oft nur temporär in Deutschland und überhaupt sei dies nur ein „Tropfen auf dem heißen Stein“. Hoffnung setze man auf die Ausbildung. So hätten 2017/2018 in Unterfranken rund 30 Flüchtlinge eine Ausbildung im Gastronomiebereich begonnen, hinzu kämen in der Region rund 15 Azubis aus afrikanischen Ländern wie Tunesien und Marokko. (ron)

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