„Aus meinen Leben als Landarzt“ hatte Dr. Otto Welte aus Saal seinen Vortrag beim Erzählcafe des Vereins für Heimatgeschichte im Grabfeld im Mehrgenerationenhaus überschrieben.
Kurzweilig berichtete er über das Leben seines Großvaters, seines Vaters und das eigene als Landarzt im Grabfeld.
1896 übernahm sein Großvater die Praxis in Saal und heiratete ein Jahr später. Im 19. Jahrhundert sei es so gewesen, dass die Menschen immer erst dann zum Arzt gingen, oder ihn rufen ließen wenn es überhaupt nicht mehr anders ging. Familienbilder von damals zeigen den Großvater mit dem Pferd „Fanny“ sowie einem Hund. Die Arztfamilie Welte hatte damals einen Acker von der Gemeinde bekommen und musste dafür die Menschen im Armenhaus kostenlos mitbetreuen.
Interessant: Der Großvater von Welte hatte noch bei Röntgen in Würzburg studiert. Die medizinischen Mittel waren nur wenige. Einziges Hilfsmittel war ein Fieberthermometer. Ein Blutdruckmessgerät gab es nicht. Die Ärzte verließen sich auf die Naturheilkunde. Auch mit der Bezahlung war es etwas anders: Eine Krankenkasse gab es nicht und so zahlten die Landwirte meist mit Naturalien. „Man konnte oft am Speisezettel erkennen, ob es wieder Mehl, Eier oder auch Fleisch als Bezahlung gegeben hat.“
Gefährliche Krankheiten waren Tuberkulose oder Scharlach als Kinderkrankheiten. In Erinnerung hatte der Arzt noch, dass sein Großvater sogar Zähne ziehen musste und oft „grantig“ war, wenn er nachts gerufen wurde.
1926 hat sein Vater Dr. Hugo Welte die Praxis übernommen. Mitte der 30er Jahre wurde es dann in der Medizin etwas besser. Es gab sogar ein Blutdruckmessgerät, das der Vater immer mitnehmen musste, wenn er auf Krankenbesuche ging. Im Während des Vortrags zeigte Dr. Welte das hölzerne Stethoskop, das damals zum Abhören gebraucht wurde.
Otto Welte berichtete aus seiner Kinderzeit, als er einmal unterm Sternenhimmel bei Schnee von Saal nach Wargolshausen gefahren ist. Von dort musste man dann schnell nach Großbardorf zurück. Hoch sei der Schnee gelegen. Der Vater habe zwar später dann ein Motorrad gehabt, sei aber immer wieder mit dem Fahrrad unterwegs gewesen. Telefon gab es zu diesem Zeitpunkt nur in wenigen Häusern. Die wiederum waren der Arztfamilie bekannt. „Meine Frau wusste in welchem Ort ich war und wenn ich anderswo gebraucht wurde, rief sie dort an und ließ mich ans Telefon holen.“
In den 1950er Jahren wurde es dann in der medizinischen Versorgung schon etwas besser. Dr. Welte erinnert sich an eine Kinderlähmungsepidemie im Jahr 1947, dabei sei sogar ein junger Arzt gestorben.
Mitgebracht hatte er ein kleines schwarzes Buch, das seinem Großvater gehörte. In ihm waren verschiedene Mittel aufgeschrieben, anhand des Buches wurde dann die Rezepte geschrieben und der Apotheker musste sie zusammen stellen.
Zur eigenen Berufswahl meinte er, dass er eigentlich Schuster, Schreiner, Ingenieur und sogar Pfarrer werden wollte. Dann aber überzeugten Freunde ihn, dass er doch „der geborene Landarzt sei.“
In seinem Studium wurde damals noch die Anatomie gelehrt aber auch Zoologie und Botanik, weil vieles mit Pflanzen therapiert werden konnte. Nach zweieinhalb Jahren hatte er das Physikum in der Tasche und machte im Josefskrankenhaus in Schweinfurt sein Praktikum. Dazu gehörte auch ein Praktikum in einer Frauenklinik und man war bei einer Geburt dabei.
Das habe sich dann auch im Beruf positiv ausgewirkt, was auch für das Dabeisein bei Operationen galt. Kleinere Operationen, wie Blinddarm, machte damals der Landarzt im Belegkrankenhaus. 1960 war Dr. Welte mit der Ausbildung fertig und hatte seinen ersten Patienten. Immer stand ihm sein Vater mit Rat und Tat zur Seite. Vor allem in der Diagnostik waren die Ärzte damals hervorragend, sagte der Saaler Arzt und verwies darauf, dass man nicht wie heute den Notarzt rufen oder einen Facharzt hinzu ziehen konnte.
Über Misthaufen sei er manchmal zu den Patienten gekommen und auch zweimal in eine Jauchegrube gefallen. Die Häuser waren damals recht einfach und so konnte es vorkommen, dass man in einem Dachzimmer den Himmel durch die kaputten Ziegel sehen konnte.
An Geburten bei Kerzenschein erinnerte der Arzt ebenso wie an dramatische Situationen. Dazu gehörte ein Pfarrer, der bei einer Totenmesse einen Herzinfarkt hatte, die Messe zu ende feierte und dann nach Hause ging und sich hinlegte. Als er als Arzt gerufen wurde, sei es schon zu spät gewesen.
Die Landärzte wurden auch zu Unfällen gerufen, denn erst seit 1978 gibt es einen offiziellen Notarzt. Dies bedeutete, dass auch seine Frau rundum mit eingebunden war. „Wenn ich nicht da war, musste sie den Telefondienst übernehmen.“