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Meiningen: Im Meininger Theater: Zwei Schritte bis zum Abgrund

Meiningen

Im Meininger Theater: Zwei Schritte bis zum Abgrund

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    "Halt mich fest!": Emil Schwarz und Leonie Hassfeld als August und Julie bei "norway.today" in Meiningen
    "Halt mich fest!": Emil Schwarz und Leonie Hassfeld als August und Julie bei "norway.today" in Meiningen Foto: Jochen Quast

    So soll es sein: Theater, das junge Menschen mit gespitzten Ohren hören, mit offenen Augen sehen und über das Gesehene und Gehörte staunen lässt. Unversehens ist man im Meininger "Rautenkranz" ganz bei der 19-jährigen Julie und dem gleichaltrigen August, die da vorne, unmittelbar am Abgrund sitzen, auf einem Plateau 600 Meter über dem norwegischen Lysefjord. Und das alles im Jungen Meiniger Staatstheater.

    Das Felsmassiv Preikestolen ist ein magischer Ort für jene, die die atemberaubend schöne Landschaft fasziniert, aber auch für jene, die dem Leben nichts mehr Lebenswertes abringen können. Wie die beiden jungen Menschen in Igor Bauersimas Schauspiel "norway.today" – ein seit zwanzig Jahren auf den Bühnen präsentes Jugendstück. Der Autor fokusiert all die Unsicherheiten und Widersprüchlichkeit von Teenagern auf einen Tag und eine Nacht am Rande des Abgrunds.

    Mit Rucksack und Zelt auf dem Preikestolen

    Julie und August haben sich in einem Chatroom kennengelernt und verabredet, gemeinsam in den Tod zu springen. Nun sitzen sie auf dem Fels, mit Rucksack und Zelt, und versuchen sich, mal annähernd, mal abweisend, gegenseitig zu ergründen. Ausstatter Helge Ullmann hat dazu ein verblüffend einfaches Szenarium geschaffen. Ein hölzernes Plateau, auf dem eine Planke lose schaukelt, wenn man sie betritt. Und im Hintergrund eine Projektionswand, auf der immer wieder die zarten Gesichter der beiden in Großaufnahme zu sehen sind. Das Publikum sitzt den beiden Jugendlichen dabei ohne Rampe direkt gegenüber.

    Die Ton- und Spielart, mit der Regisseurin Alice Asper die Augenblicksverfassung der Grenzgänger in Szene setzt, wirkt ungekünstelt. Durch das leidenschaftliche, offenherzige und auch mimisch beeindruckende Spiel von Leonie Hassfeld (Julie) und Emil Schwarz (August) kommen einem die beiden wankelmütigen Charaktere nicht nur räumlich nahe. Selbst ältere Beobachter staunen über die Vertrautheit der Motive und erinnern sich an das Stimmungschaos der eigenen frühen Jahre: An das Gefühl absoluter Einsamkeit, das Schwanken zwischen Feigheit und Rigorosität, zwischen Hilfslosigkeit und Selbstüberschätzung, das ängstlich-unsichere Ertasten von Zärtlichkeit, die pochenden Herzen in den lang ersehnten ersten Liebesaugenblicken.

    "Das kann doch nicht alles gewesen sein?" Julie und August (Leonie Hassfeld und Emil Schwarz) wollen ein Video für ihre Familien hinterlassen.
    "Das kann doch nicht alles gewesen sein?" Julie und August (Leonie Hassfeld und Emil Schwarz) wollen ein Video für ihre Familien hinterlassen. Foto: JochenQuast

    Das alles vor dem Hintergrund des Glaubens, das schreiende Unrecht in der Welt nicht mehr ertragen zu können, weil man zwar die Lösung der Probleme vor Augen habe, aber zu schwach sei, sie anzugehen. Und zu allem Überfluss reden auch noch die Ikonen der Rebellion im Kopf ein Wörtchen mit. Im Fall von Julie und August die Aufsässigen Natalie Wood und James Dean als Judy und Jim in "... denn sie wissen nicht, was sie tun".

    Herzhaft lachen trotz aller Dramatik

    Bauersima schafft für seine Figuren eine Zwischenebene, einen ironischen Unterton, der es den Zuschauern ermöglicht, trotz aller Dramatik, auch herzhaft zu lachen. Ob sich in der vorsichtigen und unbeholfenen Annäherung der beiden jungen Menschen genügend Kraft fürs und Neugierde aufs Leben entfalten kann, ist letztlich eine Entscheidung, die jeder Betrachter für sich selbst treffen muss. Am Ende bleibt die Hoffnung, dass Augusts und Julies unerwartetes Staunen über die Zartheit der Liebe und die Schönheit der Natur die beiden ins Leben zurückführt.

    Man wünscht dieser Inszenierung viele junge Zuschauer und Zuschauerinnen und gute Gespräche danach.

    Nächste Vorstellungen: 15. und 16. Februar, 1. März, 5. und 6. April. Kartentelefon 03693-451222. www.staatstheater-meiningen.de. Es gelten 2G und Maskenpflicht auch während der Vorstellung.

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