Die Betreuung alter und kranker Menschen ist eines der meist diskutierten Themen dieser Zeit. In allen Einzelheiten wird die Situation von Betroffenen und Pflegekräften beleuchtet. Noch kaum im öffentlichen Bewusstsein angekommen, sind die Belastungen, denen Kinder und Jugendliche ausgesetzt sein können, wenn sie in die Pflege von Eltern oder nahen Verwandten eingebunden sind. Vor allem dann, wenn das Engagement den Tagesablauf bestimmt, für anderes kaum noch Freiräume bleibt. Experten gehen davon aus, dass bis zu einer Viertelmillion Jugendliche allein in Deutschland in einer solchen Situation leben.
Das Netz ist keine große Hilfe
Oft sind es junge Menschen, die Hilfe bei der Bewältigung des Alltags brauchen, aber außerhalb der Familie vergeblich nach Unterstützung suchen. Das Netz, sonst oft eine wahre Fundgrube, spuckt zu diesem Thema nur spärliche Informationen aus. Die 14-jährige Lana Rebhan aus Bad Königshofen (Lkr. Rhön-Grabfeld) macht aus dieser Not eine Tugend. Zusammen mit ihren Eltern kreierte sie die Website www.young-carers.de, die Ende Juni online gegangen ist. Übersetzt bedeutet das „junge Pflegende“. Dort gibt es neben dem Angebot der Kontaktaufnahme auch Adressen, an die Hilfesuchende sich wenden können, wenngleich die Auswahl noch nicht groß ist.
Erbkrankheit greift innere Organe an

„Für Lana ist das wie eine Therapie“, sagt Vater Jürgen Rebhan über das Engagement seiner Tochter. Der 51-Jährige leidet an Zystennieren, einer Erbkrankheit, die mit zunehmendem Alter lebensbedrohliche Ausmaße annimmt, in seinem Fall für extrem hohen Blutdruck verantwortlich ist und auch andere Organe angreift. Im vergangenen Jahr hatte sich sein Gesundheitszustand rapide verschlechtert, sechs Krankenhausaufenthalte folgten.
Die Schulnoten wurden schlechter
Nach der Entfernung einer Niere war es zu Komplikationen gekommen, eine Notoperation war nötig. Weil Lanas Mutter Katharina beruflich stark beansprucht ist, musste sich Lana neben dem Gymnasium auch um den Haushalt und den Hund kümmern. Abends ging es dann ins Krankenhaus zum Vater nach Coburg. „Wir waren ständig unterwegs“, sagt Lana. Das blieb nicht ohne Folgen: Die Schulnoten wurden schlechter, weil in Lanas Kopf kein Platz mehr war für Mathe und anderes, in vier Fächern stand sie auf einem Fünfer. Schließlich ging sie freiwillig von der 8. in die 7. Klasse zurück.
Wenn einen niemand versteht
Viel schlimmer aber war für das Mädchen, dass sie sich von niemandem verstanden fühlte. Nicht von Mitschülern, die sich nur anfangs für den kranken Vater interessierten und von Lehrern, die nicht ahnten, was mit ihr los war. Ein Psychologe, den sie zusammen mit ihren Eltern besucht hatte, habe alles auf die Pubertät geschoben und geraten, sie solle sich der Realität stellen und ihr „rosarotes Schloss“ verlassen. „Ich hab' mich zurückgezogen und alles in mich hineingefressen“, sagt Lana. Für eine 14-Jährige wirkt sie sehr ernst und deutlich erwachsener als Gleichaltrige.
Strichmännchen auf dem Notfallzettel
In einem „rosaroten Schloss“ hat Lana wohl nie gelebt. „Ich sollte wissen, was los ist“, erklärt sie, warum ihre Eltern sie schon frühzeitig in die Problematik der Krankheit eingeweiht hatten. Aus dieser Zeit stammt ein Notfallzettel, auf dem das Mädchen mit wenigen Strichen aufgezeichnet hat, was zu tun ist, wenn es ihrem Papa einmal ganz schlecht gehen sollte und sonst niemand zu Hause ist. Darauf sind unter anderem ein gezeichnetes Handy und die Nummer 112 notiert. „Mir war noch nicht bewusst, was das eigentlich heißt“, sagt Lana. „Man nimmt dass halt als normal wahr.“
Der Wunsch nach einer Patenschaft
Dabei wünscht Lana sich eigentlich nur, mit Menschen in Kontakt zu kommen, die ihr in Patenschaften mit Rat und Tat zur Seite stehen, wenn die Seele zu sehr schmerzt. So, wie sie mit ihrer besten Freundin reden kann. Wie genau diese Patenschaften aussehen könnten, davon hat die 14-Jährige noch keine klare Vorstellung. Die wenigen im Netz bislang veröffentlichten Hilfsangebote, wie etwa „Pausentaste“, empfand sie jedenfalls nicht als hilfreich. Oft werde nur auf das Jugendamt oder die Caritas verwiesen, aber viele Young Carers hätten einfach Angst an die Öffentlichkeit zu gehen. „Da ist es meine Pflicht, etwas zu sagen“, erklärt Lana die Beweggründe für ihr Engagement. Und das ist riesig. Alle größeren Städte in Deutschland hat die Familie angeschrieben, mit der Bitte, auf der Website Unterstützungsangebote zu veröffentlichen. Vater Jürgen Rebhan sieht den Einsatz seiner Tochter positiv. „Egal, was ihr hilft, Hauptsache es hilft.“
Papas Niere arbeitet kaum noch

Eine große Hilfe im Alltag ist für Lana das Zeichnen, das ihr die Möglichkeit gibt, ihr Seelenleben ein wenig zu verarbeiten. Eines der Bilder zeigt ein kleines Mädchen, das mit einem schwarzen Luftballon in der Hand im Dunklen auf einer Anhöhe steht und in eine hellere Zukunft blickt. „Das hab ich gemalt, als es Papa so schlecht ging“, erklärt sie. Aktuell geht es Lanas Vater etwas besser. Er lebt wieder zu Hause, muss allerdings drei mal die Woche an die Dialyse. „Meine Niere arbeitet nur noch zu 15 Prozent“, sagt er. Wie lange das gut geht, weiß niemand. Eine Situation, die natürlich auch Lana psychisch stark belastet.
Johanniter bieten Hilfe an
Vielleicht ist ja das neue Angebot der Johanniter in Unterfranken ein Lichtblick für Kinder und Jugendliche, die in einer ähnlichen Situation sind, wie Lana. Die Seite „superhands.de" ist seit Anfang des Jahres im Testlauf und umfasst mehrere hundert Einzelseiten, unter anderem werden alleine über 150 Krankheiten kindgerecht erklärt. Integriert ist eine Telefonhotline, die zu bestimmten Zeiten von Fachkräften besetzt ist. Im Rahmen einer Pressekonferenz wird das Projekt sowie die Internetpräsenz Anfang September offiziell vorgestellt.
Angebot nach österreichischem Vorbild

„Das Thema pflegende Kinder- und Jugendliche beschäftigt die Johanniter schon seit geraumer Zeit“, erklärt Pressesprecher Christoph Fleschutz gegenüber dieser Redaktion. Die letzten drei Jahre habe der Verband genutzt, um nach dem Vorbild der österreichischen Kollegen einen umfangreichen Internetauftritt zu diesem Thema in Deutschland zu gestalten. Die Johanniter betreiben rund 400 Kindertagesstätten und bieten ambulante, teil- und stationäre Pflege an. Dort kämen die betroffenen Bereiche mit umfangreichem Fachwissen und Erfahrungen zusammen, so Fleschutz.
„Das Engagement von Lana kann nicht hoch genug eingeschätzt werden“, betont Pressesprecher Fleschutz. Gerade, dass sie selbst den Gang in die Öffentlichkeit sucht, zeige deutlich, dass hier entsprechende Beratungsangebote für betroffene Kinder und Jugendliche dringend notwendig sind.