Wegen nachhaltiger Sinnlosigkeit hat Helene Mierscheid, die im wirklichen Leben einen anderen Namen trägt, ihren Job als Politikberaterin in Berlin aufgegeben und erobert jetzt als Lebensberaterin in allen Krisensituationen die Kabarett-Bühnen der Republik.
Wolfgang Klösel, Initiator der Stockheimer Kabarett-Abende, hat die Therapeutin von „Mi(e)r schei(n)t(d) Consult“ für einen ihrer „Basisworkshops“ nach Stockheim geholt. Um es ihrem Klientel im Zuschauerraum psychologisch leichter zu machen, hatte die Ausnahmetherapeutin gleich zu Beginn Sorgenzettel ausgelegt, auf denen jeder sein größtes Problem notieren und in die bereitstehende Trauma-Box werfen konnte – zwecks späterer therapeutischer Aufarbeitung.
Dabei wäre ihr Job im Regierungsviertel eigentlich krisensicher gewesen, weil sie in ihrem Berliner Etablissement eine Kneipe, eine psychologische Praxis und ein Domina-Studio vereint hat. Doch auch auf der Bühne ist Mierscheid ein absoluter Knüller, wenn sie mal im Leoparden-Outfit, mal im „kleinen Schwarzen“ die Politik mit pointiertem Wortwitz ins Visier nimmt. Die ehemaligen Praxis-Räumlichkeiten hat sie übrigens an die Piratenpartei und FDP vermietet (sie können einem leidtun, wenn man Zeit dafür hat), wo sie sich, ob ihrem Wahldesaster, ungeniert ausheulen können.
Doch auch andere Parteien und Politiker haben schon bei Mierscheid Rat gesucht, von Anette Schavan, die darunter leidet, nur noch Abitur zu haben, über Horst Seehofer, Daniel Bahr und Philipp Rösler bis hin zu Norbert Röttgen, der in der parlamentarischen Babyklappe entsorgt wurde, und Theodor zu Guttenberg, der Probleme mit dem Finanzamt hat, weil er in seiner Steuererklärung seine Karriere abschreiben lassen wollte. „Ist das schon schizophren?“ fragt sich Mierscheid. Und wenn ja, braucht zu Guttenberg dann zwei Steuernummern?
„Wer braucht schon einen Schirm, wenn ihm das Wasser bis zum Hals steht?
Helene Mierscheid über den EU- Rettungsschirm für Griechenland
Vielen Politikern hat die kabarettistische Lebensberaterin empfohlen, ihre Probleme schriftlich festzuhalten. Wenn sie diese „Trauma-Texte“ zum Besten gibt, fließen die Lachtränen. So rezitiert sie aus dem Tagebuch von Ursula von der Leyen und aus einem Brief von Angela M. an Margot H. in Chile, in dem die Kanzlerin auch über ihre Probleme mit dem Rettungsschirm für Griechenland schreibt. „Wer braucht schon einen Schirm, wenn ihm das Wasser bis zum Hals steht?“, versucht Mierscheid da therapeutisch einzugreifen.
Neben ihrer Spezialisierung auf Politiker-Traumata widmet sich Mierscheid aber auch anderen Arbeitsfeldern. Sport ist gut, weiß die Kabarettistin, im Kampf gegen üppiges Hüftgold. Doch andererseits entscheidet sie sich beim Anblick von Männern mittleren Alters, die in engen Radlerhosen auf einem sündhaft teuren Fahrrad daherkommen und ihr Einblicke in Fakten gewähren, die man so nie sehen wollte, dann doch für eine Take-Away-Diät, die darauf basiert, dass man eine leere Pizzaschachtel geliefert bekommt.
Als Lebensberaterin, die bundesweit unterwegs ist, hat sie auch reichlich Erfahrung an Flughafen-Kontrollstationen sammeln dürfen. So musste sie einmal ihren Deoroller abgeben, weil sein flüssiger Inhalt die zulässige Höchstmenge von 150 Milliliter überschritt. Aber dafür hat Helene Mierscheid Verständnis. „Stellen sie sich mal vor, wie ich den Piloten mit meinem Deoroller zwinge, nach Wladiwostok zu fliegen, indem ich ihm drohe: Ich rolle(r) sie zu Tode.“ Auch Bahnfahrten muss die Künstlerin für ihre landesweiten Workshop-Termine auf sich nehmen. Nach einer DB-Fahrt nach Ulm ist sich die Künstlerin aber sicher: Dieser Zug war in der Walldorfschule, der tanzt den Fahrplan.
Lautstarke Lacher erntet sie auch, wenn Mierscheid davon erzählt, dass sie sich schon mal die Zeit genommen hat, zwei Jehovas Zeugen von der Haustür weg an ihren Kaffeetisch einzuladen und auf die Frage nach ihrem Anliegen zur Antwort bekam: „Keine Ahnung, so weit sind wir noch nie gekommen.“
Dann berichtete die Kabarettistin noch von ihrem Nokia-Handy, das sich aus Scham vor i-Phone, Samsung und Co. vor einen Opel geworfen hat, von Telefonzellen, die der FDP platzmäßig für ihre Parteiversammlungen reichen oder von Umkleidekabinen, wo Frauen ihren Selbstmord beschließen. Ja, Mierscheids Erkenntnishorizont als Lebensberaterin reicht von zwischenmenschlichen Beziehungen als Problem Nummer eins, dicht gefolgt vom Problem, keine Beziehung zu haben, über die Tücken der Technik bis zu Fragen des Sports in der Spitze und in der Breite.
Als Zugabe lud Helene Mierscheid ihr Publikum zu einem gemeinsamen Porno-Karaoke ein, das sich auf Ahs und Ohs beschränkte. Immerhin könne jetzt jeder daheim erzählen: In Stockheim war was los, da habe ich am Gruppensex mit einem O(h)rgasmus im Stehen teilgenommen.