Am 8. April 1945 herrschte strahlend blauer Himmel. Es war "ein Tag wie gemalt", erinnerten sich Zeitzeugen. Allgemein war man sich darüber im Klaren, dass an diesem Tag der Einmarsch der US-Armee zu erwarten sei. In den Wochen zuvor tauchten immer mehr kriegsmüde und versprengte deutsche Soldaten in der Stadt bei Regimegegnern unter. Am 8. April, in den Mittagsstunden, näherten sich die Amerikaner aus dem Thüringischen und aus der Mellrichstädter Gegend von Norden her der Stadt.
Viele Bürger suchten bereits nach dem Sonntagsgottesdienst Zuflucht in den Kellern. Die Stadt war wie ausgestorben. Bürgermeister Kaspar Lurz hielt sich an diesem Tag im Rathauskeller auf. Gegenüber der Parteispitze hatte er immer wieder betont, dass es keinen Sinn hätte, die Stadt zu verteidigen, da sie sonst in Schutt und Asche gelegt werde. Gemeinsam mit dem damaligen Stadtangestellten Anton Bieberich, den der Bürgermeister zum Kirchturm beordert hatte, erwartete man die Ankunft der Amerikaner.
Der Bürgermeister trat mit einer weißen Fahne in der Hand den Amerikanern gegenüber
Als Bieberich die anrückenden Panzer und Truppen am Horizont bemerkte, meldete er dies dem Stadtoberhaupt. Kaspar Lurz trat daraufhin den Amerikanern mit einer weißen Fahne und erhobenen Händen gegenüber. Unter Vorantritt des Bürgermeisters, der die Hände hochnehmen musste und ein Gewehr in seinem Rücken verspürte, zog die amerikanische Truppe nun durch alle Straßen und Gässchen des Städtchens. Jeder Winkel wurde nach feindlichen Soldaten durchsucht. Die US-Soldaten waren sehr nervös. Sogar auf quietschende Scheunentore gaben sie Schüsse ab.
Nachdem die US-Soldaten keine deutsche Soldaten mehr in der Stadt vorfanden, rissen sie die Hakenkreuzfahnen an sich und hissten am Marktplatz die amerikanische Flagge. Für mehrere Wochen wehte fortan der Sternenbanner über dem Marktplatz des Grabfeldstädtchens.
Doch so völlig komplikationslos, wie es Zeitzeugen in Erinnerung hatten, geschah der Einmarsch in Königshofen nicht. So berichtete der ehemalige NATO-Offizier Henning Hofmann aus Irmelshausen in einem Beitrag im Rhön-Grabfelder Heimatjahrbuch, dass, nachdem ein US-Soldat am Krankenhaus erschossen wurde, dort zunächst der Widerstand gebrochen werden musste. Um 12.05 Uhr meldete die Kompanie: "Weiter im Gefecht in Königshofen. Krankenhaus belegt mit amerikanischen Verwundeten genommen." Erst gegen 13.40 Uhr, nach einem Vorstoß aller drei Kompanien des Bataillons 121, war der unorganisierte und nur hinhaltende Widerstand einiger Fanatiker und versprengter Schützen beendet. Um 14.15 Uhr war Königshofen "feindfrei". Vier deutsche Soldaten fielen bei der Einnahme der Stadt.
Um 15.10 Uhr verließ die C-Kompanie die Stadt und setzte ihren Vormarsch fort. Auf ihrem weiteren Weg meldete sie sich um 16.25 Uhr in Gabolshausen, eine gute halbe Stunde später in Untereßfeld und bald danach beim Bereinigen einer Straßensperre in Obereßfeld. Danach stieß sie nur noch auf minimalen Widerstand, hatte aber um 17.40 noch mit vereinzelten Schützen in Sulzdorf zu tun.
Der Einmarsch der US-Army in Großeibstadt
In der 2018 erschienenen Chronik von Groß- und Kleineibstadt berichtet Paula Neugebauer über den Einmarsch der US-Army in Kleineibstadt. Die Glocken zum Festgottesdienst läuteten am Weißen Sonntag, 8. April 1945 und die Kommunionkinder zogen mit ihren Eltern unter immer näher kommendem Kanonendonner in die Kirche ein. Großmama kochte und ich half ihr. Als ich den Braten vom Bäcker holen sollte, ging ich ganz geduckt neben den Häusern, weil immer wieder Flieger das Dorf überflogen. Als die Kirche aus war und gegessen werden sollte, wollte niemand von unseren geladenen Gästen kommen, denn alle hatten Angst und wollten ihr Haus nicht verlassen. Nur Pfarrer Brandmann und Großpapa Wilhelm hatten die Ruhe weg und ließen sich das Festmahl schmecken.
Plötzlich gab es einen ohrenbetäubenden Lärm und das ganze Haus zitterte. Die amerikanischen Panzer fuhren durch unser Dorf. Dann hörten wir Stimmen, die englisch sprachen. Jemand rief von oben: "Kommt rauf, die Amis sind da!" Ich hatte immer noch große Angst, als ich meine kleine Schwester Elisabeth - sie war damals drei Jahre alt - auf den Arm nahm und die Kellertreppe hinauf trug. So standen wir alle in der Stube, als die Tür aufgestoßen wurde – ein Amerikaner mit Maschinenpistole im Anschlag und grimmigen Blick kam herein. Wir erschraken sehr, denn es folgten noch mehrere Soldaten nach und mit ihren Schusswaffen sahen sie wirklich gefährlich aus. Angst auf beiden Seiten – wir starrten die Amis und diese starrten uns an. Plötzlich ging einer der Soldaten auf mich zu, ich hatte ja noch die kleine Elisabeth auf dem Arm, und sagte: "Oh, what a pretty little girl, I have a little doughter, too!" Das heißt auf Deutsch: "Was für ein hübsches kleines Mädchen, ich habe zu Hause auch eine kleine Tochter!" Er streichelte die Kleine und gab ihr lächelnd einen Kuss auf die Wange.
Die Soldaten ließen sich den Braten des Kommunions-Essens schmecken
Die anderen Soldaten lächelten ebenfalls und auch bei uns wich die Angst – der Bann war gebrochen. Wir waren wie erlöst und sagten zu den Soldaten, sie sollten sich an die noch gedeckten Tische setzen und es sich schmecken lassen, was sie dann auch gerne taten.
Alle deutschen Soldaten, die im Dorf waren, wurden gefangen genommen und in das Vereinszimmer gesperrt. Vor der Tür lief ein Posten mit Gewehr auf und ab, um sie zu bewachen. Diese armen Soldaten taten uns so leid. Mama packte schnell ein großes Packet mit essbaren Sachen und als der Posten gerade mit einem anderen sprach, schlich ich mich hinein und gab ihnen das Packet. Die gefangenen Soldaten wurden später mit einem Jeep abtransportiert.
Die gefangenen Australier, die vorher geflohen waren, gingen den Amis entgegen und sagten ihnen, sie sollten das Dorf verschonen, denn es seien gute Leute hier und keine Nazis. Sie fuhren mit den ersten amerikanischen Panzern ins Dorf ein und so fiel Gott sei Dank kein Schuss und die Leute konnten befreit aufatmen. Ambros Dömling wurde nun Bürgermeister und Becks John wurde Ortskommandant. Er dolmetschte alles, was der amerikanische Militärkommandeur anordnete. So kam auch die erste Anordnung: Wir mussten sofort und ohne Umstände unser Haus, welches das Größte mitten im Dorf war, verlassen. Wir mussten alles liegen und stehen lassen und durften nur das Notwendigste mitnehmen. Nach ungefähr einer Woche zogen die Kampftruppen ab und wir durften wieder in unser Haus zurück. Wie es da aussah, kann man nur schwer beschreiben, denn das ganze Essen und das ungespülte Geschirr vom Weißen Sonntag lag alles noch so da, wie wir es verlassen hatten. Im Kessel lagen noch drei Hühner in der Suppe usw. Sofort gingen wir ans Aufräumen und wir waren froh, dass wir wieder daheim sein konnten.


