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BISCHOFSHEIM: Künstlerische Ausdrucksformen für die Dimension des Leids

BISCHOFSHEIM

Künstlerische Ausdrucksformen für die Dimension des Leids

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    Schüler der Holzbildhauerschule Bischofsheim stellten ihre Entwürfe für das Projekt „DenkOrt Aumühle” in Würzburg der Vereinsvorsitzenden Benita Stolz, dem künstlerischen Leiter der Schule Martin Bühner und Schulleiterin Christine Götz vor.
    Schüler der Holzbildhauerschule Bischofsheim stellten ihre Entwürfe für das Projekt „DenkOrt Aumühle” in Würzburg der Vereinsvorsitzenden Benita Stolz, dem künstlerischen Leiter der Schule Martin Bühner und Schulleiterin Christine Götz vor. Foto: Foto: Marion Eckert

    Eine gerollte Decke, gemütlich, warm, die Geborgenheit und erholsamen Schlaf verspricht. Ein Koffer, erwartungsvoll gepackt für eine schöne Urlaubsreise. Ein Seesack oder Rucksack voller Freude geschnürt für eine abenteuerliche Reise. In der Holzbildhauer Schule in Bischofsheim beschäftigen sich die Schüler des zweiten Ausbildungsjahres aber nicht mit Urlaubutensilien und gemütlicher winterlicher Dekoration der heimischen Wohnung. Ihre Entwürfe für Decken, Koffer und Rucksäcke sind einem weitaus ernsterem und bedrückendem Thema gewidmet. Es werden Kunstwerke für das Würzburger Projekt „DenkOrt Aumühle“ am Weg der Erinnerung entstehen.

    Ein Weg der Erinnerung

    Der kleine Güterbahnhof, der sogenannte Aumühle-Ladehof war der zentrale Ort der Deportationen aus Unterfranken. 1794 Menschen mussten in den Jahren 1941 und 1942 die Züge in die Vernichtungslager besteigen. Für 274 starteten die Transporte in Kitzingen und am Hauptbahnhof in Würzburg. Von diesen 2068 direkt aus Unterfranken deportierten Juden überlebten nur 60. Den Ladehof mit seinen Schienen gibt es nicht mehr. Das Gelände am Rande der stark befahrenen Bahnstrecke wird neu für gewerbliche Zwecke genutzt. Die Strecke vom Sammellokal im Platz'schen Garten bis zum Güterbahnhof „Aumühle“ ist seit 2011 als Weg der Erinnerung kenntlich gemacht.

    Gestaltung der zentralen Gedenkstätte

    Nun soll eine zentrale Gedenkstätte für die jüdischen Opfer der NS-Gewaltherrschaft ganz Unterfrankens geschaffen werden. Der Ort steht noch nicht abschließend fest, möglicherweise wird es direkt am Hauptbahnhof entstehen. Doch die Gestaltung ist schon festgelegt. Ein altes Bild, das die Deportation und die Deportierten festgehalten hat, zeigt eine lange Reihe an Rucksäcken, Koffern und geschnürten Decken, die neben und auf einander lagen, bereit für den Weitertransport. Das Denkmal soll aus den unterschiedlichsten Gepäckstücken bestehen, die an diese Aneinanderreihung erinnern.

    Gepäckstücke erinnern an das Leid

    Jede der 109 unterfränkischen Kommunen, in der sich zur NS-Zeit noch jüdische Gemeinden befanden, wurden angesprochen, sich mit einem Gepäckstück zu beteiligen und ein zweites identisches in ihrem Ort aufzustellen. Für diese Idee hat der Architekt und Künstler Matthias Braun eine mehrstufige Konstruktion aus Cortenstahl entworfen, auf der die Gepäckstücke stehen werden. Auch Kommunen ohne jüdische Gemeinden sind zum Mitmachen und zu finanziellen Beiträgen aufgerufen.

    Holzbildhauerschule macht mit

    Die Vorsitzende des Vereins „Wir wollen uns erinnern“, die Würzburger Stadträtin Benita Stolz, trat an die Holzbildhauerschule heran, mit der Frage, ob eine Beteiligung der angehenden jungen Künstler denkbar sei. Martin Bühner, künstlerischer Leiter der Schule war sich mit seinen Kollegen schnell einig, dass es als Klassenprojekt hervorragend zum zweiten Ausbildungsjahrgang passt. „Wir wollen aber keinen Koffer einfach nur kopieren sondern verbinden eine inhaltliche Aussage mit einer guten formalen Lösung. Es ist ein sehr interessantes Projekt und Thema, dem wir uns im Unterricht näherten.“

    Der Koffer aus dem Eichenblock

    Aktuell hatten die Schüler die Gelegenheit, der Vereinsvorsitzenden ihre Ideen zu präsentieren. Entstanden sind ganz unterschiedliche Darstellungsvorschläge. Eine in Beton gegossene zusammengerollte Decke steht in der Diskrepanz zwischen der Abbildung und dem Material. Wie gewaltsam Familien auseinandergerissen wurden, das soll durch Motorsägenarbeiten an einem Eichenblock vergegenwärtigt werden, der einen stilisierten Koffer darstelle. Immer wieder kam das Material Eiche in den Vorschlägen der Schüler vor. Einerseits weil es ein witterungsbeständiges Holz ist, andererseits weil es in der NS-Zeit mit einer Symbolik versehen wurde, die nun in der künstlerischen Auseinandersetzung zu tragen kommt.

    Respektvolle Annäherung an das Thema

    Stacheldraht, herausgebrochene Elemente, Verschnürrungen, schwarzes von oben übergossenes Pech, immer neue Ausgestaltungsmöglichkeiten wurden vorgestellt, die sich alle mit der Schwere, der Last, der Endgültigkeit, der Gefangenschaft und dem gewaltsamen Tod befassten. Eine der Schülerinnen fasste in Worte, was die Klasse bei der Beschäftigung mit dem Projekt bewegte. „Wir können nicht nachempfinden, was die Menschen fühlten. Wir können uns keinesfalls anmaßen zu verstehen, was sie durchmachten, wir können uns nur dem Thema vorsichtig und respektvoll nähern.“

    Die Vorsitzende war von den Vorschlägen der Schüler beeindruckt. In den nächsten Wochen werden Modelle gefertigt und damit ein weiterer Entwicklungsprozess angestoßen. Fertiggestellt werden sollen die Werke noch in diesem Schuljahr. Am Projekt beteiligte Gemeinden haben die Möglichkeit, Kunstwerke der jungen Künstler zu erwerben, um ihren Beitrag zum DenkOrt Aumühle zu leisten.

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