Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Rhön-Grabfeld
Icon Pfeil nach unten
Bad Königshofen
Icon Pfeil nach unten

BAD KÖNIGSHOFEN: Kugeln, die Grenzgeschichten erzählen

BAD KÖNIGSHOFEN

Kugeln, die Grenzgeschichten erzählen

    • |
    • |
    Geheimnisse für die Nachwelt: Hoch über den Dächern der Dörfer und Städte ist in den goldenen Turmkugeln das besondere Gedächtnis der jeweiligen Ortschaft zu finden.
    Geheimnisse für die Nachwelt: Hoch über den Dächern der Dörfer und Städte ist in den goldenen Turmkugeln das besondere Gedächtnis der jeweiligen Ortschaft zu finden. Foto: Foto: Hanns Friedrich

    Dass Dokumente in den Turmkugeln eine Art Gedächtnis für die nachkommende Generation sind, dürfte bekannt sein. Deshalb ist es immer interessant, wenn wieder einmal, wie im vergangenen Jahr, Turmkugeln in Trappstadt oder Herbstadt geöffnet werden.

    Dokumente berichten dort davon, dass Deutschland geteilt wurde, dass es ein furchtbarer Krieg war und auch, dass ein Zaun die Menschen in Ost und West voneinander trennte. Dass das nicht immer so blieb – davon berichten die neueren Unterlagen, die nun in den Turmkugeln beider Ortschaften zu finden sind. Sowohl in Herbstadt als auch Trappstadt ist nachzulesen, dass der November 1989 ein besonderer Monat war – der Tag, an dem sich die Grenze öffnete. Anhand von Zeitungsberichten und Bilddokumenten wird dies für die Nachwelt dokumentiert.

    In der Turmkugel von Alsleben spricht Pfarrer Eisenmann im Jahr 1947 von einer Zerstückelung Deutschlands in vier Besatzungszonen, von einer katastrophalen Zeit. „Gompertshausen ist für uns nun fremdes Land geworden.“ Der Pfarrer nennt den Grenzdienst, der in Alsleben nun seinen Sitz hat. Bürgermeister Anton Zeißlein schreibt in seinen Dokumenten von Gompertshausen, das in der russischen Zone liegt. In einem späteren Schreiben aus dem Jahr 1963 spricht Pfarrer Johannes Adler ebenfalls von der Aufteilung Deutschlands. „Die Sowjetunion setzt alles daran, die Spaltung zu verewigen und aus der Ostzone einen eigenen deutschen Staat zu machen.“

    Der Geistliche berichtet, dass die Grenze meist aus Stacheldraht bestand, „dazwischen sind Minen gelegt. Immer wieder stehen Wachtürme in Grenznähe, Feldarbeiten werden unter starker Bewachung durchgeführt.“ Der Pfarrer schreibt auch, dass der Wald, um freies Schussfeld zu haben, auf östlicher Seite auf eine Breite bis zu 100 Metern vollständig abgeholzt wurde. „Viele Flüchtlinge sind schon durch Minen umgekommen oder durch die bewachende Ostpolizei erschossen worden.“ Und dann setzt der Pfarrer dazu: „Aber auch sehr viele aus den Reihen der östlichen Volkspolizei sind schon nach Westdeutschland geflüchtet.“ Schließlich schreibt Pfarrer Johannes Adler: „Nach dem derzeitigen Verhältnis besteht leider keine Hoffnung, dass dieser furchtbare Zustand in absehbarer Zeit geändert wird. Die Menschen beginnen sich mit dem Zustand abzufinden, im Osten resignierend, im Westen gleichgültig.“

    Auch in den Unterlagen der Kirchturmkugel von Aubstadt findet man einige Sätze zur Teilung Deutschlands: „Wir können Gott danken, dass es bei uns hier in Deutschland seit 1945 keinen Krieg mehr gab. Unser Land wurde 1945 von den Siegermächten geteilt. So gibt es die Bundesrepublik Deutschland, Hauptstadt Berlin und die Deutsche Demokratische Republik, Hauptstadt Berlin-Ost. In Saal an der Saale kann man in den Unterlagen von 1947 folgenden Wortlaut finden: „Seit der größten Niederlage Deutschlands im Laufe seiner Geschichte ist unser Land von den vier Siegermächten besetzt. Handel und Wandel sind durch die Zoneneinteilung fast tot. Das Volk hungert und friert. Weiter heißt es in den Unterlagen der Kirchturmkugel von Saal zur deutschen Teilung. „Tausende entflohen täglich diesem kommunistischem Paradies, bis die Schergen Russlands durch Stacheldraht einen zehn Meter breiten Todesstreifen und strengster militärischer Bewaffnung, ja in Berlin durch eine Mauer, das Land abkesselten.“

    Kurz und knapp hatte 1946 der damalige Pfarrer Adam Pfeuffer in Königshofen einen Zettel unter den Kirchenbänken der Stadtpfarrkirche deponiert und darauf festgehalten: „Dieser Fußboden wurde erneuert für neue Bänke, ein Jahr nachdem die Amerikaner in Königshofen eingezogen sind. Wie durch ein Wunder wurden die Stadt und diese schöne Stadtkirche erhalten. Die Amerikaner sind als Besatzung in der Stadt.“ Als 1951 die Kugel vom Turm der Stadtpfarrkirche abgenommen wurde, notierte der damalige Pfarrer Karl Merz: „Unheilschwanger und kriegsdrohend liegt über der Welt die Spannung zwischen den westlichen Demokratien und dem östlichen diktatorischem Bolschewismus.“ Der Pfarrer spricht weiterhin von Glaubenslosigkeit und Sittenverfall.

    Überdeutlich wird die deutsche Teilung in den Unterlagen der Turmkugel von Irmelshausen. Dort ist niedergeschrieben: „Unsere Irmelshäuser Bauern, die Feld in der Milzer oder Mendhäuser Flur besitzen, brauchen für die Feldarbeit drüben einen Passierschein und werden bei der Arbeit überwacht. Oft kommt es auch zu Schießereien. Nachts schleichen sich die Menschen über die Grenze, um im Dorf Lebensmittel zu holen, die drüben knapp sind.“ Deutlich wird die schmerzliche Teilung im folgenden Satz: „Unsere Nachbardörfer Mendhausen, Milz und Römhild liegen für uns genauso fern wie fremde Städte und sind unseren Kindern ebenso unbekannt wie diese.“ Viel einfacher, so schreibt der Chronist, sei es, nach Hamburg oder München zu reisen, als zu Bekannten in den erwähnten Dörfern. „Kalter Krieg herrscht schon seit Jahren.“

    Dass das alles eines Tages der Vergangenheit angehören könnte, hatte zu diesem Zeitpunkt wohl niemand geahnt. In diesem Jahr ist es bereits ein viertel Jahrhundert, dass die erwähnte Deutsche Demokratische Republik nicht mehr existiert und der „Kalte Krieg“ sich zu einem friedlichen, vereinten Deutschland gewandelt hat. Reste von ehemaligen Grenzanlagen sind heute Seltenheit, aber doch ein Stück deutscher Geschichte.

    Die Turmkugelinhalte sind damit wichtige Gedächtnisstützen für die Nachwelt, die es sich sicher nicht mehr vorstellen kann, wie einst Stacheldraht und Minen die Menschen trennten.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden