Wenn Schüler sich ärgern, verbal provozieren oder die Auseinandersetzungen so eskalieren, dass es zu Handgreiflichkeiten kommt, dann beruht ihr Streit oft auf Missverständnissen und Missdeutungen.
Manchmal wissen die streitenden Parteien nicht mehr, worum es anfänglich ging. Um solche Konflikte unter Schülern zu entschärfen, können Streitschlichter eingesetzt werden. An der Ignaz-Reder-Realschule in Mellrichstadt wird dies schon länger praktiziert.
Streitschlichter sind Schüler oberer Jahrgangsstufen, die als neutrale Vermittler auf Augenhöhe versuchen die Auseinandersetzungen zwischen streitenden Schülern zu lösen. Wie man dabei vorgeht, lernen die Streitschlichter bei Irmgard Seifert, Lehrkraft und Anti-Mobbing-Beauftragte an der Mellrichstädter Realschule.
Auch heuer haben Schüler der 8., 9. und 10. Jahrgangsstufe an der freiwilligen Streitschlichter-Ausbildung teilgenommen. Am Montag, im Rahmen der letzten Unterrichtseinheit, überreichten Irmgard Seifert und Schulleiter Ulrich Kluge den frischgebackenen Mediatoren die Urkunden aus.
Anhand bestimmter Mediationstechniken und praktischer Übungen haben die Streitschlichter gelernt, wie Streitschlichtungsgespräche und -prozesse ablaufen. Dies geschieht in Phasen, angefangen bei der Einleitung, in der die Mediatoren Vertraulichkeit zusichern und Gesprächsregeln erklären. Dann wird die Sichtweise der Konfliktparteien erfragt, gegebenenfalls kommen die Zerstrittenen vorerst getrennt zu Wort. Auch die Streitschlichter müssen Mediationsregeln beachten, wie die des „aktiven Zuhörens“, das heißt, Augenkontakt halten, ruhig und gelassen bleiben, keine Ratschläge geben, sondern gemeinsam überlegen, was zu tun ist. Vor allem müssen Mediatoren sachlich und unparteiisch bleiben. Außerdem muss das Gespräch protokolliert und mögliche Vereinbarungen von beiden Streit-Parteien unterschrieben werden. Eventuell wird ein weiteres Treffen vereinbart, um zu ermitteln, ob die Abmachungen eingehalten wurden.
In der abschließenden Unterrichtseinheit zeigten die neuen Streitschlichter anhand eines Beispiels wie ein Schlichtungsgespräch konkret verlaufen soll.
Die Neuntklässer Jan Scheuer-Ecker und Toni Schießl übernahmen in der nachgestellten Schlichtungsszene die Rolle der zerstrittenen Schüler. Fabian Cabut und Liam Seifert setzten in ihrer Funktion als Streitschlichter das Erlernte um und mussten auch auf unvorhergesehene Reaktionen richtig reagieren. Anschließend diskutierten die Schüler gemeinsam, wie die Phasen des Streitschlichtungsgesprächs umgesetzt wurden. Die Schüler sind während ihrer Ausbildung nicht nur fit für die Aufgaben eines Streitschlichters gemacht worden, sondern haben auch viel für sich selbst mitgenommen. Begleitet hat sie dabei das Buch des promovierten Pädagogen Reinhold Mille, das Irmgard Seifert als Leitfaden verwendet hat. In „Halt?s Maul, du dumme Sau!“, so der Titel, beschreibt der Autor, wie man auf Beschimpfungen reagiert, ohne dass die Situation eskaliert und er vermittelt und was die Merkmale eines guten Gespräches sind.
„Uns hilft dieses Training nicht nur beim Lösen von Konflikten unter Mitschülern, auch zuhause im Umgang mit Geschwistern oder später im Berufsleben hat man einen Vorteil, wenn man weiß, wie man Konflikten begegnet“, äußerte ein Schüler des Streitschlichter-Wahlfachs. Eine andere Schülerin meinte auf die Frage, weshalb sie sich zur Streitschlichterin ausbilden lässt, dass sie Mitschülern helfen wolle, Auseinandersetzungen gewaltfrei zu lösen. Dies trage zu einem friedlichen Schulklima bei. Außerdem habe die Streitschlichter-Ausbildung viel Spaß gemacht, was die anderen Teilnehmer bestätigten. Die Bescheinigung über eine Streitschlichter-Ausbildung macht sich auch gut in einer Bewerbungsmappe, ergänzte Irmgard Seifert und könne sich als Vorteil erweisen. Einen Nachteil habe die Streitschlichter-Ausbildung schon, meinte die Betreuungslehrkraft allerdings mit Augenzwinkern. Inzwischen würden sich so viele Schüler zur Mediatoren-Schulung anmelden, dass es kaum noch zerstrittene Schüler gebe.
„Natürlich wäre das der Idealfall“, meint die Anti-Mobbing-Beauftragte, die sich nur dann einmischt, wenn Fronten vollkommen verhärtet sind, wenn keine Aussicht auf eine Lösung des Problems besteht, wenn es gar zu Körperverletzungen kommt oder Mobbing im Spiel ist. „Schüler können Konflikte ihrer Mitschüler eher nachvollziehen als Erwachsene, weil sie auf einer Ebene agieren“, so Irmgard Seifert. Wenn Jugendliche Probleme und Auseinandersetzungen untereinander lösen können, dann ist das immer der bessere Weg, zumal wenn dies mit Unterstützung von ausgebildeten Streitschlichtern geschieht.