In der Wohnung von Achim Höfling in Mellrichstadt duftet es nach Tee. In kleinen Probiertassen serviert er Pu-Erh-Tee aus China. Mit seinem rauchigen Geschmack setzt er sich angenehm von den Sorten ab, die man hierzulande im Supermarkt bekommt. "Die Teezeremonie hat in China eine lange Tradition", sagt der 46-Jährige, der seit kurzem wieder am hiesigen Gymnasium als Wirtschaftslehrer tätig ist. Und Achim Höfling muss es wissen: Schließlich war er sechs Jahre lang als Deutschlehrer in China. Erst im Juli diesen Jahres ist er zurückgekehrt.

"Es hat mir schon immer Spaß gemacht, andere Kulturen kennenzulernen", sagt er zwischen zwei Schluck Tee. Schon während seines Studiums, er hat Wirtschaftswissenschaften und Englisch studiert, war er für ein Jahr in Großbritannien. "Ich wusste schon damals: Mein zweiter Auslandsaufenthalt sollte exotischer und länger sein", erinnert er sich zurück. Dass es gerade China werden würde, war ihm da noch gar nicht klar. "Aber es war von Anfang an mein Favorit, obwohl ich zuvor erst einmal in Asien war", sagt er und schenkt noch eine Tasse Tee ein.
"Es hat mir schon immer Spaß gemacht, andere Kulturen kennenzulernen"
Achim Höfling
Damals bereiste er Singapur, Malaysia und Bali und war von der dortigen Kultur sehr angetan. Er informierte sich intensiv und stieß dabei auf ein Programm der Kultursministerkonferenz, welche in den 90er Jahren angefangen hatte, Lehrer für den Deutschunterricht nach Osteuropa zu schicken. Im Lauf der Jahre wurde das Programm auf Asien ausgeweitet. "Ich hätte auch nach Samarkand in Usbekistan gehen können. Aber China bietet eine noch ältere und reichhaltigere Kultur. Außerdem war es sinnvoller, Chinesisch als Sprache zu erlernen", erläutert er. Schließlich sprechen mehr als eine Milliarde Menschen chinesisch.

Als Deutschlehrer in China
Und so stand sein Entschluss fest: er wollte als Deutschlehrer nach China. Er machte an der Vhs in Aschaffenburg unmittelbar vor seiner Reise noch einen Chinesischkurs. "Das waren 13 Doppelstunden, aber schon da merkte ich, dass das nur ein Tropfen auf dem heißen Stein sein würde", sagt Höfling mit einem Lachen. Im Job sprach er ohnehin nur deutsch. Hier unterrichtete er an der Fremdsprachenschule in Wuhan in Zentralchina Schüler der Klassen sieben bis zwölf im Deutschunterricht. Mit diesen sprach er folgerichtig nur deutsch.
"Aber ich habe mir gleich einen Lehrer gesucht, der mich im Chinesischen unterrichtete", erinnert sich Höfling an die Zeit zurück. Obwohl er sehr viel Zeit investierte, dauerte es lange, bis er einfache Gespräche führen konnte. "Die Aussprache ist sehr schwierig, vor allem die Tonalität ist für einen Europäer vollkommen ungewohnt", so Höfling. Kein Wunder: kann doch beispielsweise das "ma" entweder "Mutter", "Hanf", "Pferd" oder "schimpfen" bedeuten. Je nachdem, ob die Tonhöhe gleichbleibend, steigend, tief fallend-steigend oder scharf abfallend ist.
Knapp 2000 Schriftzeichen kann er mittlerweile lesen
"Nicht nur die Aussprache ist sehr schwierig, auch das Hören", meint Höfling. Der Wortschatz ist ebenso schwer zu erlernen. Man kann sich nichts aus den heimischen Sprachen erschließen. "Beim Lesen machte ich da bessere Fortschritte", sagt er. Knapp 2000 Schriftzeichen kann er mittlerweile lesen und nach sechs Jahren ist er natürlich im Chinesischen sicher unterwegs.

Hier in Wuhan arbeitet Achim Wölfling als Deutschlehrer.
Im "Reich der Mitte", wie China auch genannt wird, lernte Achim Höfling natürlich einiges über die dortige Kultur. Was er zurück in Deutschland etwas vermisst, ist die gute Küche dort. "In China isst man noch besser als in Deutschland", denkt er etwas wehmütig zurück. Vielfältig und abwechslungsreich seien dort die Speisen, dreimal am Tag werde warm gegessen. "Immer wieder werde ich gefragt, ob ich das deutsche Brot vermisst habe. Das war nicht der Fall", so Höfling.

Die Mentalität ist eine andere
Auch an die besondere Mentalität der Chinesen erinnert er sich. "Während in Deutschland eher das Individuelle im Vordergrund steht, ist in China die Gemeinschaft sehr wichtig", ist ihm besonders an der Schule in Wuhan aufgefallen. "Ich hatte dort keinen Schüler, der schwierig war. Keiner spielte sich in den Vordergrund", hat er beobachtet. Außenseiter habe es hier nicht gegeben. So spielten alle gemeinsam Fußball, Mobbing gab es ebenso wenig. "Die Pubertät läuft in China leichter ab, da hier jeder akzeptiert wird", so Höfling.
Und noch etwas lernte er in der Schule. Nämlich, dass die Arbeitsbelastung der Schüler sehr hoch ist. Von 7.30 bis 20.30 Uhr ist Unterricht, auch wenn dazwischen immer wieder ausgedehnte Pausen liegen. "Von den Eltern kommt dabei großer Druck. Meist haben sie nur ein Kind und wollen, dass es im Abitur eine möglichst hohe Punktzahl erreicht. Diese entscheidet darüber, welche Uni man besuchen kann". Das chinesische Abitur zählt dabei zu den härtesten der Welt.

Doch noch andere Erfahrungen hat Achim Höfling gesammelt und dabei wurden einige seiner Vorurteile widerlegt. So sei China beileibe kein Polizeistaat, sagt Höfling "Die Chinesen machen, was sie wollen. Regeln werden hier eher als Vorschlag gesehen", umschreibt er seine Erfahrungen. So würde einen kein Polizist daran hindern, bei Rot über die Straße zu gehen. "Man hat hier das Gefühl, dass die Polizei Freund und Helfer ist. In China machen die Polizisten ihren Job und lassen die Menschen in Ruhe", sagt Höfling.
Aber natürlich gebe es Zensur: So seien Instagram, Facebook, Youtube und andere Dienste gesperrt. "Aber das kann man mit technischen Maßnahmen umgehen, was auch geduldet wird", sagt Höfling. In China sei er überall freundlich aufgenommen worden. Und irgendwann habe er gelernt, die zahlreichen Überwachungskameras, die einen dort überall umgeben, zu ignorieren. "Man nimmt sie am Ende gar nicht mehr wahr."

Neuerungen stünden die Chinesen grundsätzlich sehr positiv gegenüber. Fast jeder im Land habe ein Smartphone, berichtet Achim Höfling, und das mobile Bezahlen ist dort üblich. "Ob in Restaurants, Geschäften oder am Imbissstand: Ohne Handy geht so gut wie nichts", sagt er. Mit Diensten wie 'WeChat' könne man nicht nur mit anderen Personen in Kontakt treten, sondern auch Bargeld überweisen und vieles mehr. Jung und Alt seien technikbegeistert, Risiken blende man meist aus. "Allerdings gibt es in manchen Bereichen auch Nachholbedarf: So liefern die Handwerker in Deutschland viel bessere Qualität ab", meint Höfling.

Eindrücke vom Alltagsleben gesammelt
Die sechs Jahre im Reich der Mitte haben ihm gut gefallen. In seinen Ferien hat er außerdem das Land bereist und somit viele Eindrücke vom Alltagsleben sammeln können. Seine Rückkehr nach Deutschland war allerdings kein Kulturschock. "Es waren eher Kleinigkeiten. So habe ich mich dabei ertappt, wie ich bei Rot über die Ampel gehen wollte oder dass ich ohne Portemonnaie zum Bäcker gegangen bin. Aber ansonsten fühle ich mich in Deutschland wieder sehr wohl", meint Achim Höfling.
Seine Freunde und Kollegen in Wuhan will er wieder einmal besuchen, "bisher habe ich aber noch keine konkreten Pläne." Überhaupt ist er ein Mensch, der dort glücklich ist, wo er sich befindet. "Das Leben muss interessant sein. Das heißt aber nicht, dass man ständig Veränderung braucht", findet er. In Mellrichstadt ist er sehr zufrieden, hier fühlt er sich wieder daheim. Und der dampfende Tee auf dem Tisch erinnert an seine zweite Heimat, nämlich China.
Weitere Informationen zum Chinaaufenthalt von Achim Höfling:Achim Höfling hat über seine Reise in einem Blog berichtet. Dieser findet sich hier: https://achimschinablog.tumblr.com/Außerdem hat er über seine Reise ein Buch geschrieben. Dieses hat den Titel "Mitten im Land der Mitte: Anekdoten, Abenteuer und andere Geschichten aus China von einem, der da war" und kann unter anderem bei bod.de, Amazon oder im Buchhandel bestellt werden.
