In wenigen Wochen steht für die Schülerinnen und Schüler der neunten Klassen der Ignaz-Reder-Realschule eine wichtige Entscheidung an: Gehe ich weiter zur Schule oder entscheide ich mich für eine Ausbildung? Auch wenn sich die jungen Leute über die verschiedenen Ausbildungsberufe informieren – es bleibt Theorie. Doch wie sieht es im wirklichen Leben aus? Welche Handfertigkeiten muss ein Auszubildender mitbringen, welche Arbeiten fallen an oder wie sieht der Ausbildungsplatz aus? Um den Schülern Antworten auf diese Fragen zu geben und praktische Anhaltspunkte zu liefern, führen die Ignaz-Reder-Realschule Mellrichstadt und die Reich GmbH seit einigen Jahren ihr technisches Schulprojekt durch.
Gestartet wurde das Projekt „Schlüsselanhänger“, welches im Rahmen des Technikunterrichts im Fach Informationstechnologie (IT/CAD) und als berufsvorbereitende Maßnahme der Realschule stattfand, bereits im Januar. Los ging es in der Schule mit Phase eins. Diese bestand darin, die drei Einzelteile eines Schlüsselanhängers in einem CAD-Programm zu zeichnen. Dabei mussten die Schüler natürlich auf die richtigen Maße, Bohrungen und so weiter achten. „Teilweise mussten wir uns sogar mit Skizzen auf dem Computerbildschirm helfen – aber bitte nicht verraten“, sagten Natascha Gotwich und Anna-Lena Brack hinter vorgehaltener Hand.
Im April waren die Vorarbeiten am Computer abgeschlossen. Phase zwei begann mit der Betriebsbesichtigung. Die komplette Fertigungstiefe und der umfangreiche Maschinen- und Anlagenpark der Firma Reich wurden vorgestellt, und jeder Teilnehmer erhielt dabei noch einen Überblick über die vielseitigen Einsatzgebiete in der Firma nach dem Ende der Ausbildung.
Schüler lernen von Azubis
In der Woche vom 5. bis 9. Mai fand schließlich die praktische Umsetzung der Projektidee statt. An drei aufeinanderfolgenden Tagen waren insgesamt 37 Realschüler zu Gast bei der Reich GmbH. Personalleiter Oliver Thiele und die Ausbildungsleiter Klaus Diemar und Martin Faulstich begrüßten die Teilnehmer des Projektes in der Ausbildungswerkstatt der Firma Reich. Verstärkt wurde die Gruppe durch die Auszubildenden Kai Roßberg, Andreas Fleckenstein und Florian Schmidt. Das erfolgreiche Zusammenspiel zwischen Schüler und Auszubildenden ermöglicht auf der einen Seite, von Gleichaltrigen zu lernen, und auf der anderen Seite, das selbst Erlernte weiterzugeben und dabei auch mal einen Wechsel der Betrachtungsweise vorzunehmen.
Jeder der Auszubildenden leitete eine der im Vorfeld festgelegten Fertigungsgruppen. „Wir hoffen, dass den Schülern die Einblicke, die sie bei der Herstellung des Schlüsselanhängers sammeln konnten, bei der Berufswahl hilfreich sind“, so das Fazit von Reich-Azubi Kai Roßberg.
Sicherheitsunterweisungen stehen in einem Fertigungsbetrieb ganz oben auf der Tagesordnung. Und so mussten sich auch die Schüler, bevor es zu den eigentlichen Arbeiten ging, dieser Prozedur unterziehen. Im Anschluss stiegen alle Beteiligten dann in den Fertigungsprozess ein. Tätigkeiten wie Bohren, Fräsen, Entgraten oder auch Handfertigkeiten wie Feilen galt es in den nächsten Stunden anstelle von Mathematik, Deutsch und Englisch zu bewältigen. Nach dem Motto „vormachen, nachmachen und üben“ erläuterten die Auszubildenden der Reich GmbH die einzelnen Arbeitsschritte und sprachen dabei an, was zu beachten ist.
Ein weiterer wesentlicher Bestandteil des Fertigungsprozesses ist die Verinnerlichung des Qualitätsgedankens. Qualitätsüberprüfungen standen daher regelmäßig auf dem Arbeitsplan. Mit Messschiebern wurden die Einzelteile vermessen und auf Maßhaltigkeit geprüft. Werden Maße während der Fertigung der Einzelteile nicht eingehalten, kann man bei der Endmontage auf große Probleme stoßen, die den Fertigungsprozess verlängern, im schlimmsten Fall zum Stoppen bringen.
Jeder Schüler konnte zum Tagesabschluss einen eigenhändig hergestellten Schlüsselanhänger mit nach Hause nehmen. „Wie in allen vorangegangenen Projekten bewiesen die Teilnehmer auch heuer wieder hohe Einsatzbereitschaft und zeigten, dass ihnen das Projekt Freude bereitet“, loben die Verantwortlichen der Reich GmbH. „Es war sehr interessant zu sehen, wie die Maschinen funktionieren und wie präzise einzelne Arbeitsschritte durchgeführt werden können“, urteilten am Ende Leonie Krech und Andreas Fliemann aus der 9a.
Mit dem Ende des Arbeitstages konnten alle Beteiligten ein positives Resümee ziehen. In den nächsten Wochen soll dieses dann noch durch das Einholen eines gemeinsamen Feedbacks aller Beteiligten verstärkt werden. Es gilt, Stärken und Schwächen hinsichtlich des Projektablaufs und der Projektinhalte offenzulegen und damit die Basis für weitere Projekte im kommenden Schuljahr zu schaffen.
Der Projekt-Gedanke
Seit mehr als drei Jahren haben sich der Fachbereichsleiter für Informationstechnologie an der Ignaz-Reder-Realschule, Jens Watermann, sowie Ausbildungsleiter Klaus Diemar und Personalleiter Oliver Thiele von der Reich GmbH zum Ziel gesetzt, möglichst vielen Schülern die Teilnahme am Projekt zu ermöglichen und somit einen praktischen Einblick in die Ausbildungsberufe der Metall- und Elektroindustrie zu geben. Schüler und Auszubildende entwickeln, konstruieren und produzieren verschiedene Bauteile.
Begonnen hat alles mit dem Bau eines Hubschraubers. Dieses Projekt wird seit dem ersten Jahr weitergeführt, allerdings auf freiwilliger Basis. In diesem Jahr fertigten acht Schüler ihren Privathubschrauber. Darüber hinaus wurden im vergangenen Jahr Kurbelschwingen hergestellt. In diesem Jahr hatte man sich auf Schlüsselanhänger festgelegt.
Jedes Jahr nach Projektende setzen sich Lehrer Jens Watermann sowie Klaus Diemar, Martin Faulstich und Oliver Thiele (Reich) zusammen und analysieren den Projektablauf. Hier wird nach Optimierungspotenzial gesucht, das neue Projekt wird geplant sowie das zu fertigende Produkt festgelegt. Wichtig ist dabei, dass die eigentlichen Ziele realisiert werden können: den Schülern den Umgang mit Maschinen sowie Bohren, Fräsen, Drehen und das Feilen näherzubringen. Ebenso muss das Produkt den Anforderungen genügen, dass eine Verbindung zwischen Theorie und Praxis gegeben ist und den Jugendlichen somit ein Einblick in das komplexe Arbeitsumfeld vermittelt werden kann.