Woran erkennt man, dass ein Schwein sich wohlfühlt? Sein Ringelschwänzchen ist tatsächlich geringelt und hängt nicht schlaff herab. Heute haben die meisten Menschen nicht oft Gelegenheit, diesen optischen Test zu machen – wann bekommt man schon ein Schwein zu Gesicht? Die weitaus meisten Exemplare dieser hochintelligenten und sensiblen Tierart fristen in riesigen Ställen ein verborgenes Dasein, mit ohnehin meist kupierten Schwänzchen.

Das Schwein ist eines von vielen Tieren, die der Mensch im Laufe der Jahrtausende zu "Nutztieren" gemacht hat. Die Ausstellung "Tierisch nützlich – der Mensch und sein Vieh", die jetzt im Fränkischen Freilandmuseum Fladungen in der Rhön zu sehen ist, beleuchtet dieses Verhältnis aus vielen Blickwinkeln. Es ist eine Gemeinschaftsausstellung der Arbeitsgemeinschaft süddeutscher Freilandmuseen, bis 2028 wird sie durch die beteiligten zehn Häuser touren.
Im Supermarkt ist kaum zu ermitteln, welche Produkte tierische Bestandteile enthalten
Im Eingangsgebäude ist die eigentliche Ausstellung zu sehen. An Mitmachtstationen kann man sein Wissen zu Tierstimmen oder - anhand von Tastbeispielen - zu Tierhäuten testen. Dazu kommen fünf Außenstationen auf dem Gelände: Im Freilandmuseum leben Rinder, Ziegen, Rhönschafe, Gänse, Kaninchen, Hühner, Tauben und die beiden Museumskatzen Resi und F-Dur.

Besucherinnen und Besucher haben ein eigenes Regal, zu dem sie Exponate oder Kommentare beisteuern können. Thema: In welchen Lebensmitteln sind tierische Bestandteile enthalten? Antwort: In sehr vielen. Am Supermarktregal haben Verbraucherinnen und Verbraucher jedenfalls kaum Chancen zu erkennen, wo überall Tier drin ist.
Linda Wolters vom Vermittlungsteam des Museums erklärt das am Beispiel: "Apfelsaft, der ja ursprünglich trüb ist, wird durch Zugeben von Gelatine geklärt." Doch die Gelatine wird wieder entzogen: "Sie ist damit ein sogenannter Verarbeitungshilfsstoff und muss nicht deklariert werden." Und für die schöne rote Farbe setzt die Lebensmittelindustrie Karmin ein. Ein Stoff, der aus Läusen gewonnen wird, um von Drops über Limonaden bis hin zu Tortenguss allerhand Produkte einzufärben.

Beim Betrachten der Stationen, die sich mit Zugtieren oder Schädlingsbekämpfung, dem Comeback der lange als zerstörerisch verschrienen Ziege oder der Rettung des Rhönschafs befassen, wird schnell klar: Das Verhältnis des Menschen zum Nutztier damals unterscheidet sich fundamental von dem zum Haustier heute einerseits und vom modernen Begriff des Tierwohls andererseits. Früher war vieles anders, aber nicht unbedingt besser.
Wider die Verdrängung: Bewusst nicht ausgespart hat das Team das Kapitel Schlachtung
Eine Abteilung und ein ausführliches Kapitel im Begleitbuch sind der Hausschlachtung gewidmet - mit originalem Werkzeug und durchaus eindeutigen Fotos. "Wir haben im Team lange diskutiert, ob wir das zeigen sollen", sagt Museumsleiterin Ariane Weidlich. "Die Entscheidung fiel dann dafür, weil sich viele Menschen heute nicht mehr klarmachen, dass ein Tier geschlachtet werden muss, bevor sein Fleisch gegessen werden kann."

Die Ausstellung "Tierisch nützlich - der Mensch und sein Vieh" fängt mit den Zeiten an, als alle Tiere noch auf der Weide von Hirten gehütet wurden, und zeichnet dann die Entwicklung nach, die mit dem Wachstum der Bevölkerung, der Industrialisierung und der Mechanisierung der Landwirtschaft in Gang kam: Immer mehr Boden konnte und musste für den Ackerbau genutzt werden, die Tiere mussten ganzjährig in die Ställe.
Oft spiegelt sich im jeweiligen Umgang mit Tieren der Geist eine Epoche wider
Oft spiegelt sich Geschichte in der Art wieder, wie mit Tieren umgegangen wurde, wie sie gesehen und dargestellt wurden. Die Biene mit ihren streng hierarchisch organisierten Völkern etwa eignete sich hervorragend, um im NS-Staat das Führerprinzip zu propagieren. Die beliebte Biene Maja, 1912 ins Leben gerufen vom Autor Waldemar Bonsels, war einige Jahre lang eine wehrhafte Kämpferin gegen Hornissen. Erst später wurden in den Geschichten Konflikte gewaltfrei beigelegt.

Rinder, Esel oder - seltener - Pferde waren Arbeitstiere mit mehreren Funktionen, die Kuh zum Beispiel als Zugtier, Milch- und schließlich Fleischlieferantin. Die Menschen waren auf ihre Tiere angewiesen - und umgekehrt. Dadurch ergab sich eine ganz und gar unsentimentale Beziehung: Das Leben war für alle gleichermaßen hart, und wenn ein Zugtier ausfiel, musste zur Not auch einmal der Mensch den Pflug ziehen.

Schweine wurden über Jahrhunderte in lichtlosen Verliesen gehalten und kamen nur an die frische Luft, wenn ausgemistet wurde. Beispiele historischer Ställe gibt es im Fladunger Museum auf dem Gelände. Sie werden freilich nicht mehr genutzt, jedenfalls nicht in ihrer Urform. Die Rüsseltiere heute haben ein großes Freigelände, auf dem sie sich selbst eine Suhle angelegt haben. Jetzt, in der warmen Jahreszeit, verbringen das Muttertier und ihre beiden Ferkel ihre Zeit aber lieber faul im Schatten ihrer diversen hölzernen Behausungen.
Wie ein Vulkanausbruch dafür sorgte, dass eine neue Schweinerasse entstand
Auch hier wirkt Geschichte nach: Es sind Exemplare der Rasse Schwäbisch-Hällesches Weideschwein, die um 1820 aus einer Kreuzung einheimischer und chinesischer Schweine entstand. Die Züchtung war Teil eines Notprogramms für die Landwirtschaft im Königreich Württemberg. Im April 1815 war der Vulkan Tambora auf der indonesischen Insel Sumbawa ausgebrochen - der bis heute größte Vulkanausbruch, der jemals dokumentiert wurde. In seiner Folge bildeten sich Staubwolken, die um die Erde zogen und das Sonnenlicht schluckten. So wurde 1816 das berüchtigte "Jahr ohne Sommer", das zu Missernten und Hungersnöten führte.

Das fette Fleisch der neuen Schweinerasse, sollte helfen, die Not in den Jahren und Jahrzehnten danach zu lindern. Knapp 150 Jahre später hatte das Schwäbisch-Hällesche Weideschwein ausgedient: Die Nachfrage der Verbraucherinnen und Verbraucher verlagerte sich um 1960 auf mageres Fleisch, die Rasse starb beinahe aus. In den Freilandmuseen hat sie sozusagen ihre Arche gefunden.
Museumsleiterin Ariane Weidlich weiß übrigens einen Trick, wie man das offensichtliche Wohlbefinden der Schweine sogar noch steigern kann : "Wenn man sie zwischen den Augen krault, kommt sofort ein behagliches Grunzen." Dass dies in einem Schweineleben die Ausnahme ist, ist Weidlich nur allzu klar: "Wenn man sieht, wie die Kleinen hier miteinander spielen, merkt man, was denen in der Massentierhaltung angetan wird."
Fränkisches Freilandmuseum Fladungen: "Tierisch nützlich - Der Mensch und sein Vieh", bis 5. November. Geöffnet täglich 9 bis 18 Uhr. Ab Oktober ist montags Ruhetag. Über die Kanäle in Facebook oder Instagram können Besucherinnen und Besucher zu Fragen der Tierhaltung mitdiskutieren. Infos unter freilandmuseum-fladungen.de