Corona ist ein Belastungstest für die Wirtschaft, auch in Rhön-Grabfeld. Das war auch im Jahr 2021 so. Viele Betriebe mussten auf Kurzarbeit zurückgreifen, um glimpflich durch die Krise zu kommen. Aber es gibt auch die andere Seite des Wirtschaftslebens in der Corona-Pandemie: Einen Zuwachs an Neugründungen und Start-ups, die mit Mut und Unternehmergeist neue Wege gehen und an ihren Erfolg glauben.
Die IHK Mainfranken vermeldet in ihrer Statistik 7961 Gewerbeanmeldungen für das Jahr 2021. 2020 waren es 7143, vor der Pandemie wurden 2019 7016 Gewerbeanmeldungen registriert. Für Rhön-Grabfeld sieht die Entwicklung ähnlich aus. 2021 gab es 662 Neugründungen, im Jahr 2020 waren es nur 576, im Vor-Coronajahr 2019 550 Neugründungen. Dem stehen für das Jahr zwar 466 Gewerbeabmeldungen gegenüber, macht unterm Strich aber immer noch ein Plus von 196 Gründungen. Das ist außergewöhnlich für die Zeit. Zuletzt registrierte man 2016 einen ähnlich hohen Überschuss an Neugründungen gegenüber Abmeldungen, wie der stellvertretende IHK-Geschäftsführer Sascha Genders gegenüber dieser Redaktion erklärt.
In Boom-Zeiten weniger Unternehmensgründungen
"Die erhöhte Gründungsdynamik in Rhön-Grabfeld ist faktisch feststellbar, sie zeigt sich aber in Mainfranken insgesamt", sagt Genders. Ungewöhnlich ist diese Entwicklung nicht. In Zeiten wirtschaftlich nicht ganz einfacher Zeiten komme es zu mehr Unternehmensgründungen. In Boom-Phasen der Wirtschaft verzeichne die IHK eher Stagnation, was Unternehmensgründungen betreffe.

Genders erwähnt auch einen Zusammenhang zwischen der demografischen Situation einer Region und der Bereitschaft für unternehmerisches Risiko. "Je älter die Bevölkerung ist, desto weniger Gründungen verzeichnen wir", sagt Genders. Insofern erklären sich gewisse Schwankungen innerhalb Main-Frankens.

Corona als Treiber der Digitalisierung
Natürlich sieht man auch bei der IHK einen Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. "Corona ist auch ein Treiber der Digitalisierung. Dabei sind neue Geschäftsmodelle entstanden", so der stellvertretende IHK-Geschäftsführer aus Würzburg. Das ist erklärlich, wenn durch Corona Kunden ausbleiben, aber digitale Vertriebswege plötzlich Ausgleich schaffen. Für die Entwicklung der Innenstädte, seit Jahren ein Dauerthema, ist Corona aber so etwas wie ein Brandbeschleuniger. "Der stationäre Handel ist enormen Herausforderungen ausgesetzt. Die Mittelzentren verändern sich massiv", so der IHK-Repräsentant.

"Manchmal ist es einfach nur so, dass Leute aus ihrem Hobby einen angemeldeten Nebenerwerb machen, auch das gibt es", sagt Genders. Der Überhang an Neugründungen gegenüber Gewerbeabmeldungen liege sicherlich auch darin begründet, dass in der Corona-Pandemie die Insolvenzpflicht ausgesetzt wurde. Dies hält quasi eigentlich bankrotte Geschäfte weiter am Leben und könnte sie eventuell über die Corona-Krise retten. "Die Gemengelage ist also vielschichtig", fasst Genders von der IHK zusammen.
Der Arbeitsmarkt ist stabil in Main-Rhön
"Auf keinen Fall ist es aber Verzweiflung, die die Menschen in die Existenzgründung treibt. Die Arbeitslosenquote ist in der Region niedrig", so der IHK-Mann. Gewerbegründungen aus reiner Not sieht er nicht. "Der mit Abstand größte Bereich mit Neugründungen ist das Dienstleistungsgewerbe, auch mit dem Gesundheitsbereich", analysiert Genders das Datenmaterial der IHK. Handel und Handelsvermittlung seien ein weiterer starker Wachstumsbereich.
"Denken Sie an die Bereiche Hotellerie und Gastronomie, die nicht nur aktuell durch Corona extrem herausgefordert werden. Es stellt sich auch die Frage, wie sich die Entwicklung jetzt bei Firmen-Meetings und ähnlichem weiterentwickelt", gibt Genders zu bedenken. Die Verlagerung zu Online-Konferenzen könnte sich noch verstärken.
Klimawandel und E-Mobilität bieten Chancen
Mit Spannung verfolge man bei der IHK, wie die Transformation der Wirtschaftsstruktur weitergeführt wird. E-Mobilität und Klimawandel als zwei Schlagworte betreffen auch Rhön-Grabfeld mit seinem hohen Anteil an Arbeitsplätzen in der Automobilindustrie. Die Entwicklungen bekommen zunehmend auch Relevanz bei den Neugründungen. "Alte Geschäftsideen fallen weg, neue Nischen kommen", so Genders.

Im Vergleich zum Rest Mainfrankens ist die Dynamik bei den Existenzgründungen etwas schwächer in Rhön-Grabfeld. Mit dem Menschenschlag hier verbringt das die IHK aber nicht in Verbindung. "Es ist deutschlandweit so, dass Selbstständigkeit keine Selbstverständlichkeit ist", sagt Genders. Von 100 Befragten haben nur 0,44 den Weg in die Selbstständigkeit angestrebt. "Alles also eine Frage des nicht ausgeprägten Unternehmergeistes, nicht der Region", sagt der Fachmann.
Mit dem Gründerzentrum gut aufgestellt
Irgendwelche strukturellen Nachteile in Rhön-Grabfeld gegenüber anderen Regionen sieht Genders nicht. "Es gibt hier sehr gute Anlaufstellen wie das Rhön-Saale-Gründerzentrum (RSG) in Bad Kissingen, die Kammern und weitere Akteure, die auf dem Weg in die unternehmerische Selbstständigkeit ihre Hilfe anbieten", sagt der IHK-Vertreter.