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Ostheim: Türchen 16 im Rhöner Adventskalender: Ingrid Schmidt und das schönste Geschenk ihrer Kindheit

Ostheim

Türchen 16 im Rhöner Adventskalender: Ingrid Schmidt und das schönste Geschenk ihrer Kindheit

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    Türchen 16 im Rhöner Adventskalender: Ingrid Schmidt und das schönste Geschenk ihrer Kindheit
    Türchen 16 im Rhöner Adventskalender: Ingrid Schmidt und das schönste Geschenk ihrer Kindheit

    Weihnachten 1952. Ein Jahr nach Kriegsende wurde ich in Ostheim geboren. Überall war es die Zeit der Existenzsicherung. Auch meine Eltern hatten Mühe, das vom Krieg ruinierte Malergeschäft wieder zu beleben. Alle Kraft, die sie hatten, wendeten sie dafür auf. Für mich blieb wenig Zeit.

    Die Malerwerkstatt meines Vaters war eine ganz eigene Welt. Dort wurden Möbel lackiert, Türen gestrichen, sogar Schrammen an Autos ausgebessert. Jahr für Jahr hatte mein Vater Aufträge dieser Art. In der Vorweihnachtszeit jedoch verwandelte sich die Werkstatt zu einer "Zweigstelle der himmlischen Christkindwerkstatt".

    Draußen gab es viel Schnee und drinnen sorgte ein alter Holzofen für kuschelige Wärme, die sich mit dem Geruch der Farben mischte. Täglich brachten Mütter und Väter abgeliebtes Holzspielzeug ihrer Kinder zu uns: Es brauchte einen neuen Anstrich.

    Mit Hingabe zauberte mein lieber Vater aus einem unansehnlichen Schaukelgaul ein wunderschönes weißes Pferdchen mit rot leuchtenden Kufen. Die Mähne malte er so, dass man glaubte, sie flöge im Wind davon. Auch die Augen hatten ihre Traurigkeit verloren. Sie strahlten und funkelten, so dass sogar ich, die durch einen Türspalt in die Werkstatt schaute, glaubte, es lächelte mich an.

    Ich selbst wünschte mir schon lange eine Puppenstube, wusste aber genau, dass es auch dieses Jahr nur ein neues Kleid für meine alte, namenlose, einzige Puppe geben konnte. Schade!

    Mit Tränen in den Augen schaute ich die vielen Puppenstuben an, die hier in der Werkstatt zum Restaurieren standen. Keine davon gehörte mir...

    Ich sah meinem Vater zu, wie er an die Wände der kleinen Wohnzimmer neue Tapeten klebte. Sie hatten kleine Blümchen oder waren gestreift. Die winzigen Möbel aus Holz bekamen einen Anstrich in der Farbe Elfenbein. Ein Stück nach dem anderen wurde am Ende wieder von seinen Besitzern abgeholt. Ich war darüber sehr traurig.

    Heiligabend. Die wenigen Kerzen am Weihnachtsbaum brannten schon. Ungeduldig wartete ich auf die Bescherung. Dann war es soweit: Ich sah meine Puppe in einem besonders schönen neuen Kleid unter dem Baum sitzen, lief freudig auf sie zu und nahm sie in den Arm. Die Blicke meiner Eltern waren aber immer noch gespannt auf mich gerichtet. War da noch ein anderes Geschenk? Ja! An der Wand neben dem Christbaum, im Dämmerschein der Kerzen, stand wirklich eine wunderschöne Puppenstube – das Christkind hatte endlich meinen sehnlichsten Wunsch erfüllt!

    Ich sah ein kleines Tischchen, Stühlchen, sogar ein kleines Schränkchen war darin. Puppengeschirr gab es auch und ein winziges Sofa. Alles war so schön!

    Das schönste aber war, dass Mutter und Vater sich zu mir setzten und ich sie "mit Kaffee und Kuchen bewirten" durfte! Sie hatten endlich Zeit für mich.

    Text: Ingrid Schmidt

    Foto: Maritta Waldsachs / Montage: Alissa Bakhchevan

    Ingrid Schmidt (76) aus Ostheim ist selbstständige Kunstgewerblerin und Galeristin im Ruhestand. Ehrenamtlich ist sie im Kultur- und Kunstbereich aktiv.

    In der Kolumne "Rhöner Adventskalender" schreiben Menschen aus dem Landkreis Rhön-Grabfeld Anekdoten und Gedanken rund um Advent und Weihnachtsfest.

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