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Bergrheinfeld: Das Kriegsende vor 75 Jahren in Bergrheinfeld

Bergrheinfeld

Das Kriegsende vor 75 Jahren in Bergrheinfeld

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    Die erste Brücke über den Main zwischen Bergrheinfeld und Grafenrheinfeld, eingeweiht am 14. Juli 1901, wurde am Abend des 8. April 1945 von Wehrmachtssoldaten gesprengt.
    Die erste Brücke über den Main zwischen Bergrheinfeld und Grafenrheinfeld, eingeweiht am 14. Juli 1901, wurde am Abend des 8. April 1945 von Wehrmachtssoldaten gesprengt. Foto: Repro Horst Fröhling

    Zwischen Palmsonntag und Weißen Sonntag 1945 wurde der Landkreis Schweinfurt von den Amerikanern befreit. Dabei kam es teilweise zu heftigen Kämpfen, wie beispielsweise in Bergrheinfeld. Dort lagen nach dem 10. April 1945 große Teile des Ortes in Trümmern. Mit einem letzten viertägigen Gefecht endete vor 75 Jahren für die Einwohner des Dorfes der Zweite Weltkrieg. 

    Bereits am Gründonnerstag, dem 29.März 1945, hatten Tiefflieger den Ort angegriffen und im Bereich Mainstraße und Hauptstraße sechs landwirtschaftliche Anwesen in Brand gesetzt, schreibt Josef Eusemann, nach Kriegsende bis 1960 Bürgermeister von Bergrheinfeld, in seinen Aufzeichnungen.  Nach einem Tieffliegerangriff auf die Firma Richtberg, dem Bahnschwellen-Imprägnierwerk, am 5.April 1945 konnte durch einen raschen Zugriff der Bergrheinfelder Feuerwehr Schlimmeres verhindert werden. Hier wurde unter anderem ein Tank mit Imprägniermittel zerstört. Dies gab einen Vorgeschmack auf das, was den Bergrheinfeldern noch bevorstand.

    Ab dem 7. April lag der Ort unter ständigem Artilleriebeschuss. Durch Artillerietreffer brannten sechs Scheunen und Nebengebäude in der Kirchgasse ab. Am Weißen Sonntag, dem 8. April, wurden gegen 20 Uhr die Mainbrücke und die Eisenbahnbrücke am Pointtor (Strecke Schweinfurt – Würzburg) von Wehrmachtssoldaten gesprengt, "um den Vormarsch der Amerikaner aufzuhalten".

    Ein Dorf unter Artilleriefeuer

    Am 9. April lag das Dorf wieder unter Artilleriefeuer. Die Einwohner hatten sich in den Kellern einquartiert. Besonders der östliche Dorfrand an den Keilgärten wurde schwer beschossen. Im Ort kam es zu Straßenkämpfen zwischen Wehrmacht und amerikanischen Soldaten. Ein Großteil der Bergrheinfelder war nach Garstadt geflohen. Am 10. April war bereits gegen fünf Uhr Maschinengewehrfeuer zu hören: Um jedes einzelne Gehöft wurde gekämpft. Gegen 20 Uhr war die südliche Hälfte des Dorfes bis zur Kirche von den Amerikanern eingenommen. Das südliche Dorf brannte an mehreren Stellen, aber es durfte nicht gelöscht werden. Insgesamt wurden 26 Häuser und Scheunen sowie zahlreiche Nebengebäude ein Raub der Flammen.

    Bei den Kämpfen wurden drei Bergrheinfelder getötet: Leo Brönner, Karl Schulz und die Ordensschwester Isolde. Insgesamt fielen im Ort 22 deutsche Soldaten. Die amerikanischen Verluste sind nicht bekannt. In der Nacht setzten sich die verbliebenen deutschen Truppen ab.

    Auch der damalige Pfarrer Georg Ramsperger hat seine Erlebnisse aufgeschrieben. Am Weißen Sonntag einen Gottesdienst abzuhalten, das konnte er nicht verantworten. Die Erstkommunion hatte bereits am Gründonnerstag stattgefunden. Im Pfarrhauskeller, in dem 40 Frauen und Kinder sowie drei Männer untergekommen waren, wurde gebetet, erinnerte sich der Geistliche.

    Als die Nachricht eintraf, dass die Ordensschwester Isolde von einem Granatsplitter tödlich getroffen worden war, machte sich große Betroffenheit breit. Ein amerikanischer Panzer habe auch in die Kirche gefeuert, da dort Soldaten vermutet wurden, schreibt er. Die Amerikaner waren bis zur Mainstraße vorgedrungen. Die hier verbliebenen etwa 150 Bewohner wurden mit dem Pfarrer nach Garstadt evakuiert. Am nächsten Tag durften sie nach Bergrheinfeld zurückkommen, wo die Aufräum- und Löscharbeiten in vollem Gang waren.

    Panzersperre am Ortseingang

    Die Erinnerungen der Witwe Maria Stark hat Karl Schöner in seiner Ortschronik festgehalten. Sie erzählte, dass noch in den letzten Tagen Fanatiker des NS-Regimes mit Panzersperren einen "Endsieg" erringen wollten. An allen Ortseingängen, darunter in der Schnackenwerther Straße in unmittelbarer Nähe ihres Hauses, in dessen Keller 35 Menschen zusammengepfercht waren, hatte ein Hauptmann eine Panzersperre aufbauen lassen. Alle Bitten der Bewohner, diese zu öffnen, nutzten nichts.

    Am 9. April griffen Tiefflieger an. Es brannte an allen Ecken und Enden. Die Bewohner des Hauses von Maria Stark verließen aus Angst den Luftschutzkeller und wollten in den nahe gelegenen Wald fliehen. Doch sie wurden von Soldaten in den Keller zurückgeschickt. Unterwegs schlugen ringsherum Granaten ein. Die Soldaten an der Panzersperre gaben den Bewohnern den Rat, im oberen Dorf unterzukommen, da die Ortseingänge am meisten beschossen würden.

    Am 10. April standen die ersten amerikanischen Panzer im Ort. Vom Fenster ihres Elternhauses aus bot sich Maria Stark ein Bild des Grauens: Auf einer Zeltplane lagen gefallene deutsche Soldaten, auch ein Hauptmann. Als der Ort von den Amerikanern besetzt war, herrschte im Dorf ein reges Treiben. "Die eine löschten, andere kehrten und wieder andere machten sich mit den toten Tieren zu schaffen", berichtete Pfarrer Georg Ramsperger. Insgesamt 33 Tote wurden nach den Kämpfen zusammengetragen und beerdigt.

    Sebastian Seuffert desertierte

    Ganz anders erlebte der Bergrheinfelder Sebastian Seuffert das Kriegsende in seinem Heimatort. Versteckt im Rübenkeller des elterlichen Anwesens ergab er sich am 12. April 1945 freiwillig den Amerikanern. Er hatte sich nach den Kämpfen in Würzburgs Ruinen während des Rückzugs nach Bamberg eigenmächtig von seiner Militäreinheit entfernt und war dabei ein sehr hohes Risiko eingegangen.

    Der im Jahr 2015 verstorbene Zimmerermeister hatte in einem Gespräch seine Kriegserinnerungen erzählt: Im April 1944 musste er als damals 18-Jähriger zur Wehrmacht einrücken. Ziele waren das Pionier-Ersatzbatallion in Würzburg, später in Tschechien, und die Unteroffiziersschule Neubreisach im Elsass. Nach einem Heimaturlaub ging es am 18. Februar 1945 wieder zu seiner Einheit zurück. Diese wurde bei den Kämpfen in den Ruinen des zerbombten Würzburgs Anfang April eingesetzt.

    "Als dort ein Kollege nach einem Fliegerangriff tot da lag, war für mich der Krieg aus", erzählte der Zimmerermeister. "Bei der nächsten Gelegenheit haust du ab", beschloss er für sich. Dass er dabei ein hohes Risiko einging, vielleicht als Deserteur getötet werden kann, war ihm klar. Die aus Würzburg fliehenden Truppen wurden bei Rottendorf von einer SS-Einheit aufgehalten.

    Nach einem Panzerangriff der Amerikaner herrschte plötzlich großes Durcheinander und es gelang ihm zu verschwinden. Seuffert schloss sich einer nach Bamberg marschierenden Einheit an. "Auf Höhe der Vogelsburg habe ich mich Richtung Bergrheinfeld aus dem Staub gemacht", erzählte er.

    Sebastian Seuffert als 18jähriger Soldat.
    Sebastian Seuffert als 18jähriger Soldat. Foto: Horst Fröhling

    Als er den Großteil der Strecke geschafft hatte, wurde er leichtsinnig: Statt um Gut Dächheim herumzugehen, marschierte er durch den Weiler. Hier wurde er erstmals von einer Volkssturmeinheit aufgehalten. Doch Sebastian Seuffert redete sich heraus und kam heil in seinem Heimatort Bergrheinfeld an. Sein Vater Karl versteckte ihn im Rübenkeller unter der Werkstatt des am Main gelegenen Zimmereibetriebes.

    Währenddessen wurde die Mainbrücke beschossen. Im Rübenkeller hat der Zimmerer die Kämpfe um Bergrheinfeld überstanden und die Brückensprengung miterlebt. Stets hatte er sein geladenes Gewehr griffbereit: nicht wegen der Amerikaner, sondern wegen der gefürchteten Feldgendarmerie, den sogenannten "Kettenhunden", und der SS, die mit Deserteuren kurzen Prozess machte.

    Am 12. April 1945 musste sich Sebastian Seuffert den Amerikanern stellen. Der Druck war zu groß geworden. Im Hof des elterlichen Betriebes wurde er verhaftet und mit erhobenen Händen durch den Ort zum ehemaligen Lagerhaus geführt. Die Gefangenschaft, die Sebastian Seuffert in amerikanischen Lagern in Worms, Marseille und Bremerhaven verbrachte, dauerte für ihn bis zum 20. Dezember 1946. Weihnachten war zu Hause. Er heiratete später und übernahm den Zimmereibetrieb des Vaters, den heute Sohn Günter weiterführt.

    Das ehemalige Bergrheinfelder Pfarrhaus – heute ist darin eine Zahnarztpraxis beheimatet. Während der Kämpfe im April 1945 hatten dort im Keller 43 Personen Schutz gesucht.
    Das ehemalige Bergrheinfelder Pfarrhaus – heute ist darin eine Zahnarztpraxis beheimatet. Während der Kämpfe im April 1945 hatten dort im Keller 43 Personen Schutz gesucht. Foto: Horst Fröhling
    In der südlichen Hauptstraße Bergrheinfelds wurden durch die Kämpfe 26 Häuser und Scheunen sowie zahlreiche Nebengebäude ein Raub der Flammen.
    In der südlichen Hauptstraße Bergrheinfelds wurden durch die Kämpfe 26 Häuser und Scheunen sowie zahlreiche Nebengebäude ein Raub der Flammen. Foto: Horst Fröhling
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