In den vergangenen Wochen hat die Steinmetz-Firma Geisendörfer aus Würzburg die zahlreichen alten Grabsteine, die sich auf dem jüdischen Friedhof am Kappelberg bei Gerolzhofen befinden, denkmalgerecht gereinigt. Momentan werden alle Steine vom Gerolzhöfer Fotografen Jochen Fehlbaum abgelichtet. Im nächsten Schritt sollen alle hebräischen Schriften auf den Grabsteinen übersetzt und die gewonnenen Informationen gebündelt in eine Datenbank eingepflegt werden.
Initiiert wurde die Aktion vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege in Schloss Seehof bei Memmelsdorf. Dort ist man federführend für alle jüdischen Friedhöfe im Freistaat zuständig. Dass dies eine Behörde in Franken macht, kommt nicht von ungefähr. Denn eine über Jahrhunderte judenfeindliche Politik der Wittelsbacher sorgte dafür, dass es in Altbayern auf dem Gebiet des ehemaligen Herzogtums Bayern kaum noch historische jüdische Friedhöfe gibt. Ein Großteil der 126 bayerischen Bestattungsplätze liegen in Franken und in Schwaben, wie Susanne Klemm vom Landesamt im Gespräch mit dieser Redaktion berichtet. 46 jüdische Friedhöfe gibt es alleine in Unterfranken.

Viele Grabsteine verwittern
Man habe die Friedhöfe, so Klemm weiter, in einer Priorisierungsliste nach deren Alter gegliedert. Gerade bei den älteren Friedhöfen gebe es viele Grabsteine aus Sandstein, die zunehmend der Verwitterung ausgesetzt seien. Das Landesamt sieht hier Handlungsbedarf und möchte die Monumente möglichst erhalten beziehungsweise zumindest archivieren. Insgesamt haben sich auf den jüdischen Begräbnisplätzen im Freistaat rund 80.000 Grabsteine bis heute erhalten. Die Arbeiten würden in enger Absprache mit dem Friedhofsdezernenten des Landesverbands der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern, Joino Pollak, vonstatten gehen, sagt Klemm.
Während der Reinigungsaktion im Friedhof habe man sich in erster Linie auf die historischen Grabsteine aus Sandstein und Muschelkalk konzentriert, berichtet Sebastian Ludwig, der Inhaber der Firma Geisendörfer. Gerade an diesen Natursteinen hatten sich Moose und Flechten ausgebreitet und dafür gesorgt, dass so manche Inschrift und so manches Symbol kaum noch zu erkennen waren. An den moderneren Steinen aus Granit habe es hingegen kaum Verunreinigungen geben, so Ludwig.

Mit Heißdampf gegen Flechten
Während der Reinigungsaktion, die inzwischen abgeschlossen ist, habe man den Belag auf insgesamt 226 Steinen zunächst vorsichtig mit einem Holzspatel und mit Bürsten entfernt, schildert Sebastian Ludwig die weitere Vorgehensweise. Dann sei noch ein Heißdampfgerät zum Einsatz gekommen, das mit wenig Wassereinsatz alleine durch die Hitze die verbliebenen organischen Reste zerstört und weitestgehend beseitigt habe.
Seit insbesondere die Schauseiten der Grabsteine gereinigt sind, ist der Gerolzhöfer Jochen Fehlbaum, der im Nebenberuf als Fotograf tätig ist, auf dem Friedhof aktiv. Im August hat er begonnen, alle sichtbaren Grabsteine zu fotografieren und digital abzuspeichern. Für seine Arbeit, die er bis Ende Oktober abschließen möchte, hat Fehlbaum vom Landesamt einen Lageplan bekommen, auf dem alle Grabsteine mit Nummern eingezeichnet sind, die er ablichten soll.
Licht von der Seite
Jeder Stein wird fünfmal von einem festen Stativ aus fotografiert: einmal mit seiner Identifizierungsnummer, dann einmal mit dem Licht frontal von vorne und schließlich fertigt Fehlbaum noch sogenannte Steiflicht-Aufnahmen an. Um die teils stark verwitterten hebräischen Inschriften auf den Grabsteinen wieder sichtbar zu machen, beleuchtet er dabei die Steine mit dem Blitz jeweils von den Seiten. In diesem Streiflicht kommen plötzlich auch kaum noch lesbare Texte wieder zum Vorschein.


Ausgelöst werden Kamera und Blitz über das Handy. Dort erscheinen dann auch gleich die Fotografien. In einer speziellen Software für Fotobearbeitung fügt Fehlbaum dann die Steiflicht- und Frontalaufnahmen zu einem einzigen Bild zusammen – mit absolut überraschenden Ergebnissen. Es erscheinen plötzlich selbst noch so kleine und verwitterte Schriftreste und Reste von Symbolen, die mit dem bloßen Auge überhaupt nicht mehr zu erkennen sind.
Man hofft auf neue Erkenntnisse
Um die kleinen und ältesten Grabsteine an der Nordseite des Friedhofs fotografieren zu können, bedurfte es einiger körperlicher Anstrengungen, erzählt Fehlbaum. Viele dieser Steine sind im Laufe der Jahrhunderte nach vorne gekippt. Da er aber die Kamera immer plan zur Oberfläche der Steine positionieren muss, musste der Fotograf mehrfach auf allen Vieren tief an die Steine heranrobben, um die Kamera auf dem Stativ in die optimale Position zu bringen.
Wenn später die digitalen Aufnahmen von Fehlbaum und die darauf zu sehenden Schriften ausgewertet und übersetzt werden, ist es anzunehmen, dass so mancher, bislang unleserlich gewordene Grabstein sein Geheimnis preisgibt, zu wessen Andenken er einst errichtet wurde.
Der Gerolzhöfer JudenfriedhofDer rund 1,2 Hektar große Friedhof liegt am Nordhang des Kappelbergs südöstlich von Gerolzhofen. Dort befinden sich heute 528 Grabstätten in 44 Reihen. Etwa 250 der Grabsteine sind identifiziert, also namentlich erfasst und einem Verstorbenen zuzuordnen.Der erste archivalische Hinweis auf einen jüdischen Begräbnisort stammt aus dem Jahr 1635. Bis ins 19. Jahrhundert hinein wurde der Friedhof immer wieder durch Zukauf von Nachbargrundstücken Stück für Stück erweitert. Im Jahr 1832 wurde das zweistöckige Taharahaus, in dem die Verstorbenen zur Beisetzung vorbereitet wurden, an der Nordseite der Begräbnisstätte errichtet. Im Jahr 1852 wurde der Friedhof mit einer festen Mauer umfasst und 1876 mit einem Tor versehen.Seit dem 17. Jahrhundert diente der Begräbnisplatz als Verbandsfriedhof der Beisetzung verstorbener Frauen, Männer und Kinder aus mehreren jüdischen Gemeinden der Umgebung. Im 19. Jahrhundert gehörten hierzu neben Gerolzhofen die Gemeinden Altenschönbach, Bischwind, Brünnau, Frankenwinheim, Kirchschönbach, Lülsfeld, Obereuerheim, Prichsenstadt, Rimbach, Traustadt, Westheim und Zeilitzheim.Quelle: MP