Natürlich geht es ums Klima, um erneuerbare Energien, um Flächenfraß. Beim Neujahrsempfang des Kreisverbands Bündnis 90/Die Grünen im Alten Eichamt in Schweinfurt geht es aber auch um Grundsätzlicheres: Es geht um Miteinander, um Demokratie, um Freiheit. Es geht um die Frage, was jeder Einzelne machen kann. Es geht um Frieden für die Welt. "Darunter mache ich es nicht", sagt Omid Nouripour, Stargast und Bundesvorsitzender der Partei. "Leute wie Putin zwingen uns nicht in die Knie."
Es geht um Optimismus. Trotz allem, was zur Zeit los ist. Trotz Krieg, Inflation, steigender Preise. Denn man könne stolz sein, wie die Gemeinschaft funktioniert, dass Europa zusammenhält, dass sich so viele Menschen für andere einsetzen. Im Ehrenamt zum Beispiel. Ein Grund, mit Zuversicht in die Zukunft zu sehen, sei auch die Tatsache, dass wir in einer Demokratie leben, sagt Nouripour. "Das ist nicht selbstverständlich."
Breite Front gegen rechtsradikale Partei "III. Weg" in Schweinfurt
Demokratie, das Wort fällt oft an diesem Abend. Oberbürgermeister Sebastian Remelé, Landtagsabgeordneter und Direktkandidat Paul Knoblach (Garstadt), Nicolas Lommatzsch (Schweinfurt), der mit Sprecherkollegin Patricia Kaspar (Sulzheim) durch den Abend führt, Stellvertretender Landrat Thomas Vizl (Gerolzhofen) und auch Omid Nouripour – sie alle weisen auf die Bedrohung der Demokratie durch Rechtsextreme hin. Dass die Gruppierung der "III. Weg" im Herbst vergangenen Jahres ein Parteibüro in Oberndorf eröffnet hat, sehen sie als besorgniserregend an.

Es geht aber auch um Wahlkampf. In zehn Monaten wird schließlich in Bayern gewählt. Landtag und Bezirkstag. Die Grünen wollen mehr Mandate, mehr Einfluss. "Wir möchten der CSU zum Gewichtsverlust verhelfen", sagt Bezirkstags-Direktkandidatin Birgit Schmitt (Werneck). Paul Knoblach fragt sich, warum im Moment laut Umfragen noch keine Wechselstimmung erkennbar sei, CSU und Freie Wähler ihre Mehrheit halten könnten. Angesichts von Vorfällen wie dem Maskenskandal ein Rätsel, meint er.

Warum die Grünen gebraucht werden? Um Flächenfraß, zum Beispiel durch Supermärkte, wie in Oberndorf geplant, zu stoppen und unnötigen Straßenausbau wie bei der B 286 zu verhindern. Oder um dafür zu sorgen, dass möglichst kein Atommüll mehr nach Grafenrheinfeld kommt. Weitere Aufgaben: Verhindern, dass sich die Erde um mehr als zwei Grad erwärmt. "Das fossile Zeitalter muss zu Ende gehen."

Es geht aber auch um Gemeinsamkeiten. In Schweinfurt arbeiten CSU und Grüne in einer Allianz im Stadtrat zusammen. Das liege auch an gemeinsamen Idealen, an Vertrauen und an Sympathie, sagt Oberbürgermeister Sebastian Remelé und hört sich für einen Moment sehr grün an. "Erhalt der Demokratie, Erhalt der Schöpfung." Das seien gemeinsame Ziele.
"Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt", sagt er. Remelé erinnert sich an seine Schulzeit. Auf der einen Seite die Wehrdienstverweigerer, Atomkraftgegner und Parka-Träger, auf der anderen Seite die, die zur Bundeswehr wollen, Atomkraft ganz okay finden. "Raten Sie mal, in welchem Lager ich war."
Stellvertretender Landrat Thomas Vizl nimmt den Ball auf. "Ich war bei denen mit dem Parka." Das sorgt für Heiterkeit. Überhaupt, die Stimmung ist gelöst, nie wird es persönlich oder unfair. "Wir streiten, aber wir können als Demokraten zusammenarbeiten." Für Vizl hebt das Deutschland ab von vielen anderen Ländern. "Das muss so bleiben."
Omid Nouripour dankt Schweinfurts Oberbürgermeister für Zusammenarbeit mit Grünen
Das Publikum – Vertreter und Vertreterinnen von Behörden, Vereinen, Institutionen, sozusagen alles, was Rang und Namen hat, und natürlich Grünen-Mitglieder – ist gut aufgewärmt, als Omid Nouripour das Podium betritt. Er bedankt sich erst mal bei der umrahmenden Band All4Music. In der Pandemie habe sich gezeigt, wie Musik und Kultur fehlten.
Beim OB bedankt er sich für den Schulterschluss der demokratischen Kräfte. Er dankt allen, die ehrenamtlich tätig sind und ganz besonderes allen, die in Uniform für den Rechtsstaat im Einsatz sind.
Lob für Wirtschaftsminister Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock
"In der Pandemie hatten die Menschen das Gefühl, es fällt ihnen das Dach auf den Kopf. Jetzt haben sie das Gefühl, ihnen wird der Boden unter den Füßen weggezogen", so Nouripour. Die Politik müsse hier Halt geben. Die Energieversorgung sei sicher, das sei das Verdienst von Wirtschaftsminister Robert Habeck. Respekt hat er auch für die Arbeit von Außenministerin Annalena Baerbock. Sie setze sich auch für mehr Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern ein.
Was ist gut für das Land? Danach habe man immer gehandelt, deswegen auch Sachen getan, die schmerzen. Atomkraftwerke länger laufen zu lassen, zum Beispiel. Oder auf Kohlekraftwerke setzen. "Die Zeiten sind zu ernst für parteipolitische Spielchen." Dafür gibt es Applaus.

Grünen-Chef fordert bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Nouripour wirft der Vorgängerregierung vor, ihre Hausaufgaben nicht gemacht zu haben. Zum Beispiel beim Thema Arbeitskräftemangel. Was ist nötig? Digitalisierung, eine schnellere, dynamischere Fortbildungspolitik, Migration und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, damit mehr Frauen arbeiten können. Auch bei der Gleichstellung sieht er Defizite. "Das ist das dickste Brett."
Nouripour geht auch auf die Klimaaktivisten der "Letzen Generation" ein. "Proteste, die bequem sind, bemerkt niemand." Aber trotzdem muss eines klar sein: "Keine Gewalt, keine Leben gefährden." Den Begriff "Klima-Terroristen", Unwort des Jahres 2022, lehnt er aus tiefster Überzeugung ab. Terrorist, das verbinde man mit der RAF (Rote Armee Fraktion). Über 30 Menschen hat die RAF ermordet. Die Proteste der Klimaaktivisten damit zu vergleichen, sei ein Schlag ins Gesicht der Hinterbliebenen.
Nouripour hat dann noch zwei Aufträge. Erstens: Wählen gehen. "Das Wahlrecht darf man nicht wegwerfen." Zweitens: "Frauen kommen grundsätzlich zu wenig vor in Geschichtsbüchern. Das sollten wir ändern."