Eine Autorenlesung der besonderen Art erlebten die rund 60 Besucher in der Bergrheinfelder Gemeindebibliothek. Joachim Schaffer-Suchomel erzählte unter der Überschrift „Nie waren wir uns so nah“, wie er seinen demenzkranken Vater, Franz Schaffer, noch einmal neu kennenlernte, als er ihn pflegte. Dazu lasen seine Frau Michaela und seine Tochter Viviane Szenen aus dem gleichnamigen Buch.
Für ihn sei es etwas Besonderes, das Buch in Bergrheinfeld vorzustellen, sagte Schaffer-Suchomel zu Beginn. Er habe nach dem Tod seines Vaters zehn Jahre überlegt, ob er seine Aufzeichnungen veröffentlichen soll. Es sei eine schwierige Entscheidung gewesen, denn er habe seinen Vater damit nicht klein machen, sondern dessen Würde bewahren wollen.
Bei einem Besuch bei seinen Eltern sei er mit der erschütternden Nachricht konfrontiert worden: Sein Vater, der pensionierte Schulamtsdirektor Franz Schaffer, hat vaskuläre Demenz, eine Form von Alzheimer – unheilbar und unaufhaltbar.
Sein Vater sei immer im Leistungsmodus geblieben, auch nach seiner Pensionierung, so der Autor. Er habe nicht stoppen können, habe das Malen wieder begonnen und habe in den neuen Bundesländern Fortbildungen gehalten. Zuhause habe sich Schaffer rührend um seine Frau gekümmert, die nach einer misslungenen Hüftoperation massiv in der Bewegung eingeschränkt gewesen sei.
Neun Monate habe er im Haus der Eltern mit deren Pflege verbracht. Er erzählte dann von der Zeit der Pflege, von Schaffers Autoeskapaden und dessen Umsteigen auf das Fahrrad, das er aber nur schob. Die galoppierende Demenz seines Vaters sei nur schwer auszuhalten gewesen. Dieser habe sich gegen den Zusammenbruch gewehrt, habe jegliche Pflege abgelehnt und sei aggressiv gewesen.
Für ihn sei wichtig gewesen, die Missverständnisse mit seinem Vater aufzulösen. Er begann Tagebuch zu schreiben und stellte sich auf seinen Vater neu ein. Mit seinen Enkelinnen hat Schaffer nach eigenem Bekunden viel Zeit verbracht und kam mit ihnen „ganz toll klar“.
Er beschreibt das Leben mit dem erkrankten Vater auf emotionale, auch humorvolle Weise. Und er beleuchtet alle Facetten des Lebens mit einem demenzkranken Menschen. Er berichtet von der Ohnmacht, der Hilflosigkeit, der Wut, aber auch von der innigen Verbindung, die in solch einer Ausnahmesituation entstehen kann. Er schildert diese bewegende Zeit, die so unglaublich anstrengend und fordernd war, die Vater und Sohn, deren Verhältnis nie besonders innig gewesen war, aber auch auf eine ganz besondere Art wieder einander näher bringt.
Joachim Schaffer-Suchomel und seine Frau entscheiden sich letzten Endes, die auch pflegebedürftige Mutter und den Vater zu sich zu nehmen und zu pflegen. Das Elternhaus in Bergrheinfeld wurde verkauft.
Zur Person: Joachim Schaffer-Suchomel, Diplom-Pädagoge, Persönlichkeitscoach und Autor, geboren 1951, hat sich seit seinem Studium der Pädagogik und Psychologie in den Bereichen Kommunikation und Konfliktlösung fortgebildet. Er arbeitet heute vorwiegend in der Wirtschaft als Persönlichkeitscoach zur Teamentwicklung und Konfliktlösung. Er lebt in Heide in der Nähe von Hamburg.
Zur Person: Franz Schaffer wurde am 2. Juli 1919 in Techlowitz/Sudetenland geboren. Nach seiner Schulzeit besuchte er die deutsche Lehrerbildungsanstalt in Mies bei Marienbad. Seine erste Anstellung erhielt er 1939 in Obergastiz. Ein knappes Jahr später wurde Schaffer zur Luftwaffe eingezogen. Während eines Sonderurlaubs im Januar 1944 legte er die zweite Lehramtsprüfung ab. An der Invasionsfront in der Normandie geriet er im selben Jahr in Kriegsgefangenschaft.
In Bergrheinfeld bekam er nach seiner Entlassung im Jahr 1947 seine erste Anstellung als Lehrer. Hier war Schaffer bis 1949 auch gleichzeitig kommissarischer Schulleiter. 1963 wurde er Rektor der Bergrheinfelder Volksschule und war als Seminarleiter auch mit der Ausbildung von Junglehrern betraut.
1965 wurde Schaffer Schulrat im Staatlichen Schulamt des Landkreises Schweinfurt und später auch dessen fachlicher Leiter. 1979 übernahm er zusätzlich die Leitung des Schulamtes der Stadt Schweinfurt. Den Schwerpunkt seiner Arbeit bildete die Neuorganisation des Schulwesens im Landkreis Schweinfurt. Hier entstanden Ende der 1960er Jahre aus den kleinen, teilweise einklassigen Dorfschulen neue Schulverbände mit zentralen Schulhäusern.
Nach fast 20-jähriger Tätigkeit in dieser führenden Position ging der Schulamtsdirektor 1984 in den Ruhestand.
Besonders aktiv war Schaffer auch beim Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) und beim Verband Bildung und Erziehung (VBE). Für sein großes Engagement wurde er 1984 mit der Karl-Heiß-Medaille auszeichnet. 1985 erhielt er das Bundesverdienstkreuz.
Bekannt war Schaffer auch für seine Kreativität. Seit seiner Pensionierung malte er Motive seiner neuen fränkischen Heimat. Diese waren auch in zahlreichen Ausstellungen zu sehen.
In Bergrheinfeld war Schaffer maßgeblich am Wiederaufbau des Sportvereins beteiligt, dessen Vorsitzender er 1947 war. Schaffer war 1954 Mitbegründer des Musikvereins und hob die Gemeindebibliothek aus der Taufe.
In seinem Ruhestand war der ehemalige Schulamtsleiter weiter aktiv beim BLLV. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands im Jahr 1990 war er in Sachsen-Anhalt bei der Weiterbildung von Schulleitern und Schulräten tätig.
Franz Schaffer starb am 2. August 2004 und wurde in Bergrheinfeld beigesetzt.
Vaskuläre Demenz: Bei vaskulärer Demenz kommt es in Folge von Durchblutungsstörungen des Gehirns zu einem Absterben von Nervenzellen. Vom Ausmaß der Durchblutungsstörung ist es abhängig, wie ausgeprägt diese Demenz ist.
Die häufigste Variante der vaskulären Demenz wird durch eine Wandverdickung in kleinen Blutgefäßen hervorgerufen, welche die tiefen Strukturen des Gehirns mit Blut versorgen. Bluthochdruck ist der wichtigste Risikofaktor. Die Gefäßerkrankung bewirkt kleine Infarkte (Lakunen) und eine Schädigung der Nervenfasern (Marklagerschäden).
Der Beginn der vaskulären Demenz ist oft schleichend, das Fortschreiten allmählich. Daher ist die vaskuläre Demenz schwer von der Alzheimer-Krankheit zu unterscheiden. Allerdings sind die Symptome anders. Im Vordergrund stehen nicht Gedächtnisstörungen, sondern Verlangsamung, Denkschwierigkeiten oder Stimmungslabilität.
Eine seltene Form der vaskulären Demenz ist die Multi-Infarkt-Demenz, bei der das Gehirn durch viele kleine Schlaganfälle geschädigt wird. Die Multi-Infarkt-Demenz beginnt meist plötzlich und schreitet in der Regel stufenweise fort. Die Krankheitssymptome sind denen der Alzheimer-Krankheit sehr ähnlich. Es können aber körperliche Störungen wie Taubheitsgefühle oder Lähmungserscheinungen hinzukommen.
Risikofaktoren der vaskulären Demenz sind unter anderem: Bluthochdruck, Herzerkrankungen, Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), ein hoher Cholesterinspiegel (Blutfettwerte), Übergewicht, Bewegungsmangel und Rauchen. Durch eine rechtzeitige Behandlung der Risikofaktoren ist eine prinzipielle Vorbeugung in puncto vaskuläre Demenz möglich.