Der Andrang war riesig: Noch knapp eine Stunde bis zur Podiumsdiskussion mit den beiden Landratskandidaten Florian Töpper (SPD) und Lothar Zachmann (CSU), und das Foyer der Kulturhalle ist schon gestopft voll. Die Schlange vor der Tür wird von Minute zu Minute länger. Für 550 Gäste ist der Saal bestuhlt, 20 Stühle werden noch dazugestellt. Mehr geht nicht, aus Sicherheitsgründen. Eine halbe Stunde vor Beginn werden die Türen geöffnet, binnen Minuten ist der Saal rappelvoll. Und draußen steht immer noch ein Pulk von gut 50 Menschen. Unter ihnen Staatssekretär Gerhard Eck, der sich zu seinem reservierten Platz durchkämpfen darf. Als es dann um 19.08 Uhr mit achtminütiger Verspätung losgeht, steht auch die Lautsprecherverbindung ins Foyer, so dass die Draußengebliebenen das Rededuell zumindest akustisch verfolgen können.

Die Podiumsdiskussion war von dieser Redaktion organisiert worden. Josef Schäfer und Oliver Schikora, Journalisten dieser Lokalredaktion, fühlten den beiden Kandidaten auf den Zahn, die sich am 15. März um den Chefsessel im Landratsamt bewerben. Um es vorweg zu nehmen: Sie gingen fair miteinander um, und so richtig gefetzt haben sie sich auch nicht. Erst gegen Ende der ersten Runde, als es um das Tempo bei der Konversion und den Neubau des Alfons-Goppel-Berufsschulzentrums geht, wird's etwas hitziger. Es gibt sogar Buh-Rufe aus dem Publikum – Für Zachmann, weil dieser der Landkreisbehörde Untätigkeit vorhält. Und Beifallstürme für Töpper, der den Angriff souverän kontert.

Apropos Beifall: Auch Zachmann wird in der Kulturhalle lautstark beklatscht, Töpper aber regelrecht bejubelt. Beide haben eine ganze Reihe Unterstützer aufgefahren.

Als Erstes steht die Vorstellungsrunde an. Jeder hat fünf Minuten. Der Jüngere macht den Anfang. Töpper (41) schildert seinen beruflichen und politischen Weg, der ihn 2012 auf den Chefsessel des Landratsamtes geführt hat. Er habe diesen Schritt nie bereut, weil er seinem Maßstab gerecht geworden sei, ein "Landrat für alle" zu sein. Zachmann (52) verweist auch auf seinen frühen Einstieg mit 22 Jahren in die Kommunalpolitik und seine Erfahrungen als Bürgermeister von Dingolshausen. Die will er nun auf der nächst höheren Ebene einbringen, "weil ich für den Landkreis brenne". Töpper ist mit seiner eloquenten Vorstellung 40 Sekunden vor dem Klingeln der Stoppuhr durch, Zachmann schafft mit seinem knackigen Abriss fast eine Punktlandung.
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Dann geht's zur Sache. Erstes Thema: Klimaschutz. Die Moderatoren wollen von Landrat Töpper wissen, ob er bei den "Fridays for Future"-Demos dabei wäre, wenn er jetzt Schüler wäre. Ein klares Ja. "Klimaschutz und Kommunalpolitik, da geht viel." Zachmann holt weiter aus. Er habe sich als Jugendlicher für ein besseres Müllkonzept eingesetzt und Vieles gemacht, ohne es Klimapolitik zu nennen. Dann platziert der Herausforder gleich mal eine Spitze gegen den Amtsinhaber: Der Landkreis könnte eine Vorreiterrolle beim Klimaschutz übernehmen und ein Klimaschutzprojekt entwickeln, das beispielhaft für ganz Deutschland sein könnte. Zum Beispiel indem man Bäume entlang von Kreisstraßen pflanzt oder im Brönnhof einen Klimalehrpfad anlegt. Kein Problem für Töpper, das zu kontern: "Wir sind bereits ein Vorreiter." Seit 2016 gebe es den Arbeitskreis Energie und Mobilität, der Projekte wie den Windlehrpfad bei Schwanfeld oder das neu erstellte Solarflächenkataster auf den Weg gebracht hat. "Wir sind ein Hotspot des Klimawandels", so Töpper, und mit der Förderung der dezentralen Energieversorgung werde der Landkreis auch zum Hotspot in Sachen Energiewende.
Beim Thema Öffentlicher Nahverkehr sind die beiden Kandidaten nah beieinander. Töpper verspricht bis 2024 eine Verkehrswende mit der Anbindung aller Dörfer im Stundentakt und auf Abruf bestellbare Zubringertaxis. Das Zweitauto soll so verzichtbar werden. Zachmann ist zwar skeptisch, ob die Bevölkerung das annimmt. Aber: "Der Versuch ist es allemal wert."

Zum ÖPNV waren im Vorfeld der Podiumsdiskussion in der Redaktion mehrere Leserfragen eingegangen. Beide Kandidaten räumen ein, dass man "noch nicht da ist, wo wir sein müssen", zum Beispiel was die Barrierefreiheit an den Haltestellen oder die Umsteigeproblematik bei Landlinien in der Stadt angeht. Das geforderte 365-Euro-Ticket fände Zachmann "für ganz Bayern super". Doch dafür braucht's den Verkehrsverbund in der Region, stellt Töpper klar, dass mit dem am Landratsamt erarbeiteten Mobilitätskonzept die richtige Entscheidung getroffen worden sei.
Klar, auch die Reaktivierung der Steigerwaldbahn kommt zur Sprache. "Wir prüfen das seriös", sagt Töpper und versichert, dass die Buslinien nach Sennfeld und Gochsheim bei einer Wiederinbetriebnahme der Bahnlinie bestehen bleiben würden. Zachmann bekennt sich zur Steigerwaldbahn, aber "wir müssen die Bevölkerung der Anrainergemeinden mitnehmen, weil, sie soll es ja nutzen".

Nach einer Stunde Diskussion der Schwenk zu den Wirtschaftsthemen im Landkreis. Zachmann macht es sich auf dem etwas zu hohen Hocker auf der Bühne bequem. Töpper bleibt die vollen dreieinhalb Stunden – bis 22.30 Uhr dauert die Podiumsdiskussion – ohne Ermüdungserscheinung stehen. In allen Punkten sieht der Landrat den Landkreis gut aufgestellt. Das Wirtschaftswachstum liege über dem Durchschnitt, es gebe einen gesunden Branchenmix und hochqualifizierte Arbeitsplätze. "Das Landratsamt leistet hier viel", sagt Töpper mit Blick auf die Wirtschaftsförderung.
Zachmann hingegen bezweifelt, ob das auch in Zukunft noch so sein wird und zitiert aus dem Prognos-Atlas, wonach der Landkreis im Bereich Innovation und Arbeitsplätze weit nach hinten abgerutscht sei. Er fordert mehr Innovation, um neue Arbeitsplätze in Zukunftsbranchen zu schaffen. Das lässt Töpper so nicht stehen, kennt andere Studien, die den Landkreis als zukunftsträchtig sehen.
Diskussion spitzt sich zu
Erstmals spitzt sich die Diskussion zu, als die Konversion der Conn Barracks zur Sprache kommt. Zachmann geht die Umwandlung des ehemaligen Militärgeländes in ein Gewerbegebiet zu langsam und er kritisiert die mit der Stadt geschlossene Aufteilung der Gewerbesteuer, die die zwei Landkreisgemeinden Niederwerrn und Geldersheim benachteilige. Auch hier widerspricht Töpper: "Die Konversion geht nicht im Schneckentempo voran, sondern hat viel Dynamik." Und es sei wichtig, mit der Stadt zusammenzuarbeiten. "Das haben wir hinbekommen, der Landkreis hat getan, was er konnte."
Nicht gut kommt Zachmann an, als er beim Thema Ankerzentrum von einer neuen "Einkaufssituation" durch die Asylbewerber am benachbarten Supermarkt spricht. Hier höre er so manches aus der Gemeinde. Töpper grätscht sofort dazwischen. Ihm ist es wichtig, über die "objektive Sicherheitslage" zu reden, und die kennt er, "weil jede Anzeige aus dem Ankerzentrum über meinen Schreibtisch geht". Meist seien es Diebstahlsdelikte. Das müsse man klarstellen, um der Verunsicherung der Bevölkerung keinen Vorschub zu leisten. Das Publikum quittiert die unpolemische Gegenrede mit langem Applaus.
Seinen letzten Trumpf versucht Zachmann dann beim Thema "Berufsschulzentrum Alfons Goppel" auszuspielen. Die Prüfung ob Sanierung oder Neubau sei von der CSU schon 2012 angefragt, vom Landratsamt aber erst 2015 begonnen worden. "Das ist zu langsam." Und Zachmann kann sich den Seitenhieb nicht verkneifen, dass es kleine Gemeinden – er meint Dingolshausen – gebe, die ohne großen Verwaltungsapparat schneller arbeiten. Im Publikum kommt das nicht überall gut an. Buh-Rufe werden laut. Und auch Töpper wehrt sich, nimmt seine Behördenmitarbeiter in Schutz, die viel, hart und unter Druck arbeiten würden. Zachmann rudert etwas zurück: "Ich gebe niemanden in der Verwaltung die Schuld." Töpper verzichtet auf einen Konter und punktet beim Publikum mit seiner Feststellung: "So zu reagieren, bräuchte es nicht."
Nach diesem Schlagabtausch ist erst einmal Pause. Die Kandidaten können verschnaufen. Während Zachmann von seinem Coaching-Team für die Fragerunde mit dem Publikum gebrieft wird, macht Töpper Smalltalk mit den Gästen im Foyer. Die stärken sich mit Kuchen und Laugenstangen. Der bewirtende Musikverein hat acht Kilo Gerupfter verschmiert.

Nach zehn Minuten geht's weiter. Die Publikumsfragen drehen sich unter anderem um bezahlbares Wohnen, würdige Pflege im Alter, die regionale Energieversorgung, Mobilfunk und Breitbandversorgung oder die Stärkung des ländlichen Raums. Keine Streitpunkte für die Kandidaten. Ein Grafenrheinfelder will wissen, welche Unterstützung sich Grafenrheinfeld in seinem Kampf gegen die Sand- und Kiesausbeute auf fruchtbarem Ackerland erhoffen könne. Zachmann setzt auf einen Kompromiss, um beiden Interessenlagen gerecht zu werden. Landrat Töpper würde sich einen Runden Tisch wünschen, an dem alle Beteiligten vertreten sind.

Um 22.30 Uhr dürfen die Kandidaten dann zu einem 30-sekündigen Schlusswort ansetzen. Zachmann und Töpper bitten die Teilnehmer um ihre Unterstützung und ernten beide viel Applaus. Die Anspannung ist weg, man schüttelt sich die Hand. Bei der CSU wird angestoßen, Landrat Töpper ist da schon auf dem Heimweg.