"Wie finden Sie denn das Bild", fragt Birgit Höhl, Pädagogin des Museum Georg Schäferund deutet auf ein Gemälde. Und viel wichtiger: "Wie fühlen Sie sich denn dabei?" Konzentriert legen die Besucher ihre Stirn in Falten und gehen erst einmal in sich. "Schön" sei das Bild und wohl fühle man sich, ist die Gruppe sich schnell einig.
Sechs Besucher sind für die spezielle Demenzführung gekommen, die das Museum seit kurzer Zeit anbietet. Sie wollen Kunst erleben, nicht frontal oder von oben herab, sondern subjektiv und mittendrin. Barrierefrei soll die Führung laut Museumspädagogin Birgit Höhl sein, von ihren Inhalten her ebenso wie von ihrer Kommunikation.
"Wir wollen, dass Senioren das Museum als besonderen Ort erleben und mit der Führung ein paar schöne Stunden im Haus verbringen können."
Birgit Höhl, Museumspädagogin
"Wir wollen, dass Senioren das Museum als besonderen Ort erleben und mit der Führung ein paar schöne Stunden im Haus verbringen können", erklärt Museumspädagogin Birgit Höhl das Konzept der Führung. Durch Interaktion, Austausch und künstlerische Betätigung solle das psychosoziale Wohlbefinden und das Selbstbewusstsein dementer Menschen verbessert werden.
Nachdem geklärt ist, dass sich alle Besucher wohlfühlen, beginnt Museumspädagogin Birgit Höhl, vorsichtig, die Besucher durch das Gemälde "Junge Dame mit Brief" von Otto Scholderer zu geleiten. Stück für Stück macht sie Zeit und Kontext des Bildes erfahrbar. Je tiefer die Besucher in das Kunstwerk hereingezogen werden, desto detaillierter die Auseinandersetzung damit. "Schauen Sie mal, was die Dame da auf ihrem Schoß liegen hat. Können Sie sich noch daran erinnern, wann Sie das letzte Mal eine Rose bekommen haben?", fragt Birgit Höhl und reicht zur Stimulation eine Rosenblüte herum. "Mhhh Amore", brummt einer der Besucher.
Führung weckt Kindheitserinnerungen
Nach und nach wecken Birgit Höhl und Museumsführerin Anne Heß, die die Pädagogin bei der Konzeption der Demenzführung unterstützt hat, Erinnerungen bei ihren Besuchern. "So einen Kreisel hatte ich auch einmal", erinnert sich einer der Besucher, als Birgit Höhl mit einem Musikkreisel das Gemälde "Kinderreigen" des Malers Leopold von Kalckreuth zum Leben erweckt. "Wenn ich bedenke, was ich in meiner Kindheit selbst erlebt habe", seufzt eine andere.
Die Töne des Kreisels scheinen bei einigen Besuchern etwas auszulösen. Beim Anblick der spielenden Kinder beginnen sie leise zu singen: "Ringel, Ringel, Reihe, wir sind der Kinder dreie, wir sitzen unter'm Hollerbusch und machen alle husch, husch, husch."
Das Bedürfnis nach Kultur und gesellschaftlicher Teilhabe gehe mit dem kognitiven Abbau nicht automatisch verloren, erklärt Pädagogin Birgit Höhl. Das Museum wolle mit dem Projekt der steigenden Lebenserwartung und dem wachsenden Bevölkerungsanteil älterer Menschen in Deutschland gerecht werden. Wichtig seien dabei Flexibilität und Anpassung an die Bedürfnisse der jeweiligen Gruppe. So könne man ein individuell erfüllendes Erlebnis bieten.
Anschließender Workshop ermöglicht haptischen Bezug zur Kunst
Nach drei begutachteten Gemälden sinkt die Aufnahmefähigkeit der Besucher. Sie wolle bitte nicht noch ein Bild ansehen, meldet sich eine der Besucherinnen zu Wort. Birgit Höhl und Anne Heß sind darauf vorbereitet. "Sind Sie einverstanden, jetzt noch kurz selber etwas mit den Händen zu machen und dann gemeinsam einen Kaffee zu trinken?", fragt Birgit Höhl die Besucher. Die Idee wird allseits positiv aufgenommen.
In einem abschließenden Workshop wird die Gruppe dann selber noch aktiv. Die Besucher erhalten Wolle, Stoffe und Muscheln, Materialien, die sie zuvor in den vorgestellten Gemälden sehen konnten und sollen sie nach ihrer Beschaffenheit beurteilen. So soll ein haptischer Bezug zum Erlebten hergestellt werden.
"Ich finde es gut, dass sich das Museum für die Belange älterer Menschen öffnet", sagt Teilnehmer Hans-Otto von Westberg aus Diespek (Landkreis Neustadt an der Aisch), der die Führung älteren Freunden der Familie geschenkt hat. Einfühlsam und sympathisch sei die Führung gewesen, ergänzt seine Frau Marlies von Westberg. Das Ehepaar wird die Führung gerne weiterempfehlen.