Den ersten Würzburger Abrisskalender gibt die Heiner-Reitberger-Stiftung heraus. Dafür wählte die Stiftung, die sich für Denkmäler in Würzburg einsetzt, zwölf Motive von "aktuellen oder anstehenden städtebaulichen Dramen“ aus. Die zwölf Monatsmotive thematisieren den Verlust von historischer Bausubstanz im Stadtbild. Die Initiatoren wollen mit dem Kalender das Bewusstsein dafür schärfen.

Die Fotos werden ergänzt von Texten, die erklären was versucht wurde, um die Objekte zu erhalten und woran diese Versuche gescheitert sind. "Es wird die Vielfalt an Ausreden aufgezeigt, warum es in Würzburg nicht gelingt, die wenigen noch vorhandenen Bauten zu erhalten. Unweigerlich muss man sich fragen, warum es andere Städte schaffen, gleich ein Vielfaches davon zu erhalten, seien es zum Beispiel Bamberg, Regensburg, Heidelberg, Tübingen oder Lüneburg", schreibt Florian Evenbye, der Sprecher des Arbeitskreises Denkmalschutz in einer Pressemitteilung.

So werden Wege aufgezeigt, wie mehr Denkmalschutz realisiert werden könnte. "Der Erhalt historischer Gebäude ist gerade in Zeiten des Klimawandels wichtig, da Neubau aus Beton der größte Einzelposten beim weltweiten Ausstoß von Klimagasen ist", nennt Evenbye ein aktuelles Argument für Denkmalschutz.

Elf Motive gehen auf Abrisse aus jüngster Zeit zurück. Dazu gehört das Torwächterhaus am Zeller Tor, das zum Gesamtensemble der barocken Würzburger Stadtbefestigung gehörte und in dem die städtische Umweltstation untergebracht war. Die US-amerikanische 50er-Jahre Tankstelle am Hubland wurde nach einer öffentlichen Diskussion und Petition für den Erhalt im Juni 2019 abgerissen . Auch das letzte Gerberhaus der Stadt, das aus dem Jahr 1725 stammt, wurde mitsamt seines Gewölbekellers und romanischer Mauerreste in diesem Jahr beseitigt. Der Text erklärt, dass es durchaus auch Investoren für eine Nutzung der historischen Mauern gegeben hätte.

Eine Wohnanlage aus der Gründerzeit mit Art déco Stilelementen in der Sanderau wurde im Sommer zerstört - hier zeigt der Kalender filigrane Details des Gebäudes und nennt Stadträte, die gegen den Abriss gestimmt haben.

Ein weiterer Monat ist dem barocken Pavillon und dem 2011 verschwundenen Garten in der Spiegelstraße gewidmet. "Dieses Thema halten wir weiterhin für aktuell, aufgrund der Diskussion um den Erhalt von Grünflächen in eng bebauter Umgebung in Zeiten des Klimawandels und sich aufheizender Städte im Sommer", erklärt dazu Evenbye. Auch werde die graue Fußgängerzone Eichhorn/Spiegelstraße, die heuer fertig gestellt wurde, nach wie vor von von vielen Würzburgern kritisiert.
Die filigranen Pavillons aus den 50er Jahren wurden am Hauptbahnhof bereits 2017 abgerissen. "Wir finden es schade, dass Oberbürgermeister Christian Schuchardt trotz mehrfacher Anschreiben verschiedener Stellen nicht auf die Bitte reagierte, wenigstens einen Pavillon stehen zu lassen," heißt es im Text der Reitberger-Stiftung dazu.

Auch für den Erhalt des Hauses der Gaststätte Zum Onkel in der Frankfurter Straße engagierten sich Würzburger Bürger. 2014 wurde es abgerissen.


Dass es bis vor kurzen noch eine originale Jugendstil-Bäckerei in der Innenstadt gab, sieht man auf einem anderen Monatsblatt. Gezeigt werden Details der Wandverkleidung aus Reliefkacheln mit Distelblüten-Ornamenten. Die Bäckerei Zierlein in der Haugerpfarrgasse verschwand 2018. "Die Einrichtung, die viele Menschen fasziniert hat, gibt es nicht mehr. Das ist auch ein Ergebnis zögerlicher Denkmalpflege beziehungsweise Stadtverwaltung", heißt es im Begleittext.

Einige Monatsblätter widmen sich Denkmälern, die man noch retten könnte. So zum Beispiel der denkmalgeschützten Frankenhalle, für die 2018 ein Investor gefunden wurde, der zumindest Teile der Halle erhalten möchte. Ein anders Objekt ist das Weinberghaus, das unterhalb des Neubergs zwischen den Reben verfällt. Hier gäbe es schon konkrete Rettungspläne.

Der Kalender ist kostenlos - über eine Spende freut sich die Reitberger-Stitung.
Abgeholt werden kann der Abrisskalender in den Läden Schuhhaus Dorsch in der Karmelitenstraße 27, in Der Hutladen in der Augustinerstraße 4, im Café Viertelkultur in der Sedanstraße 2, im Copy-Shop Englert in der Erthalstraße 36 sowie im ROT WEISS ROSÉ - Drei Farben Wein, im Bürgerbräu-Keller an der Frankfurter Str.87. Dort stehen Spendenboxen, die Kontoverbindung steht auf der Rückseite des Kalenders.