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Würzburg: Als Joe Cocker Würzburg einen Hauch von Woodstock gab

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Als Joe Cocker Würzburg einen Hauch von Woodstock gab

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    Woodstock-Gefühl in Würzburg: Einige Besucher beim Rock- und Pop-Festival im Juli 1972. 
    Woodstock-Gefühl in Würzburg: Einige Besucher beim Rock- und Pop-Festival im Juli 1972.  Foto: Georg Heußner

    "Wintergeschichte(n)" heißt eine neue Vortragsreihe des Würzburger Stadtarchivs, in der Themen aus der jüngeren Stadtgeschichte dargestellt werden. Zum Auftakt gab es eine Geschichte, die mitten im Sommer spielte, an zwei heißen Tagen im Juli 1972. Drei Jahre nach dem legendären Woodstock-Festival wollte sich auch Würzburg auf der deutschen Festival-Landkarte verewigen. Ein knallgelbes Plakat warb mit illustren Namen aus der damaligen Rock- und Popszene  für das "Würzburg Giant Pop-Festival", das am 8. und 9. Juli stattfinden sollte.

    Als Zugpferd diente "Woodstock-Giant" Joe Cocker mit der Chris Stainton 14-Piece All Star Band, der drei Jahre zuvor bei der "Mutter aller Festivals" seinen internationalen Durchbruch hatte. Doch bis Joe Cocker auftreten konnte, waren jede Menge Hindernisse aus dem Weg zu räumen, wie Historiker Johannes Schellakowsky beim ersten Vortrag der "Wintergeschichten" berichten konnte.

    Der Referent war gerade mal sieben Jahre alt, als Würzburg seine ersten Gehversuche als Festivalstadt machte. Aber rückblickend hat er zahlreiche Quellen angezapft, um die Ereignisse rund um das Festival zu rekonstruieren. So entdeckte er einen Main-Post-Artikel vom 22. Juni, in dem als Austragungsort das Kickers-Stadion am Dallenberg genannt wurde, so wie es auch auf dem Plakat zu lesen war. Als Eintrittspreis für das Zweitagesfestival wurden 15 D-Mark angegeben.

    Stadt verbannte Festival aus dem Kickers-Stadion 

    Mit dem Kickers-Stadion fing das Durcheinander an. Denn die Stadt Würzburg, damals Eigentümerin der Sportanlage, untersagte dem Fußballclub, das Stadion für die geplante Musikveranstaltung unterzuvermieten. Nach der Vereinbarung zwischen der Stadt und den Kickers durfte das Stadion nur für sportliche Zwecke genutzt werden. Ihre Absage begründete die Stadtverwaltung damit, dass bei den erwarteten 20 000 Besuchern der Rasen des noch ziemlich neuen Stadions komplett zerstört werden könnte. Obwohl die Veranstalter keinen Vertrag hatten, starteten sie den Kartenvorverkauf.

    Das Plakat des Würzburger Popfestivals 1972.
    Das Plakat des Würzburger Popfestivals 1972. Foto: Archiv

    Nachdem die Festivalabsage auch überregional Schlagzeilen machte, befasste sich der Stadtrat am 3. Juli, fünf Tage vor Festivalbeginn, mit dem Thema, wie Schellakowsky anhand von Ratsprotokollen rekonstruieren konnte. Der damalige CSU-Fraktionschef Karl Hatzold sprach von Empörung in der Öffentlichkeit, dass das Festival ausgerechnet an Kiliani stattfinden sollte. Der städtische Sicherheitsreferent warnte vor Drogenmissbrauch und hielt es für unmöglich, das Festival im Stadion zu veranstalten. Er berichtete, dass die Stadt den Veranstaltern bereits am 29. Juni ein städtisches 20 000 Quadratmeter großes Grundstück bei den "Sieben Eichen" zur Verfügung gestellt und den Veranstaltern zahlreiche Auflagen gemacht habe. Am 6. Juli tagte der Stadtrat abermals, diesmal nichtöffentlich. In den Medien gab es zuvor Schlagzeilen wie "Pop-Jünger werden ausquartiert" oder "Pop bis die drei Pappeln" wackeln", fand Schellakowsky heraus.  

    Strenge Auflagen der Stadt Würzburg

    Letztendlich lenkte der Stadtrat ein und stimmte dem Festival zu, "wenn es polizeitaktisch möglich" ist. Drei Hundertschaften Bereitschaftspolizei und 30 Beamte des Landeskriminalamtes sollten dafür sorgen, dass alles in geordneten Bahnen verläuft. Insbesondere das Thema Drogenmissbrauch schlug hohe Wellen. Schließlich war zu dieser Zeit die Zahl der Drogenopfer bundesweit am Ansteigen. Der Stadtrat legte die Besucherzahl auf 15 000 bis maximal 30 000 fest, forderte Verkehrskontrollen vor dem Festival  und auch ein Staatsanwalt stand bereit. Zudem dürfe es nur zwei Zufahrtswege für Autos geben und um 22 Uhr müsse die Musik zu Ende sein. Im übrigen müsse der Veranstalter einen Ordnungsdienst stellen und "eine Auffangstelle für Personen mit Drogenproblemen" einrichten. Außerdem wurde gefordert, das gesamte Festivalareal einzuzäunen. 

    15 000 Rockfans versammelten sich am 8. und 9. Juli 1972 am Blosenberg (Drei Pappeln), um Joe Cocker und andere Bands beim "Würzburg Giant Pop-Festival zu erleben.
    15 000 Rockfans versammelten sich am 8. und 9. Juli 1972 am Blosenberg (Drei Pappeln), um Joe Cocker und andere Bands beim "Würzburg Giant Pop-Festival zu erleben. Foto: Georg Heußner

    Kurz vor Mitternacht kam Joe Cocker auf die Bühne

    Schließlich konnte das Festival bei großer Hitze starten. Und obwohl es ein Musikfestival war, konnte Schellakowsky fast keine Zeitungsberichte über das musikalische Geschehen ausfindig machen. Die einheimischen Medien hätten sich nahezu ausschließlich für die Begleitumstände interessiert, lediglich die Stuttgarter Zeitung berichtete, dass am ersten Tag die Bands Sixtynine, Frank K., Nazarteh, Raw Material, Juicy Lucy und der Sänger Gerry Lockran aufgetreten seien. Auf den Auftritt von Joe Cocker mussten die 15 000 Fans mehrere Stunden warten, ehe er kurz vor Mitternacht auf die Bühne kam und eineinhalb Stunden sang. Zuvor war die Licht- und Tonlage ausgefallen.

    Am Sonntag traten dann noch Zero, Kin Ping Meh, Odin, Status Quao und Barclay James auf, berichtete die Stuttgarter Zeitung. Jeff beck, der angekündigt war, trat nicht auf, angeblich weil ihm die Musikanlage zu klein war, hat Schellakowsky herausgefunden. Auch die Troggs zogen es vor fernzubleiben. Auch mehrere andere Bands standen zwar auf dem Plakat, aber nicht auf der Bühne. "Der Woodstock-Traum ist ausgeträumt" stand in einer "vernichtenden Kritik" über das Würzburger Festival, berichtete Schellakowsky, der auch die Polizeibilanz bei seinen Recherchen fand: 131 Festnahmen, bei denen 7,1 Kilogramm Haschisch und 75 LSD-Trips sichergestellt wurden, 17 Haftbefehle und 101 Jugendliche, die in die Verwahrstelle gebracht wurden. Aus der Sanderau gab es über 100 Beschwerden wegen des Lärms. Und schließlich gab es einen tragischen Selbstmord. Ein junger Mann, der mit 400 Gramm Haschisch festgenommen wurde, erhängte sich in der Gefängniszelle.

    Nach Würzburg: Festivalverbot in Bayern

    Auch über Würzburg hinaus hatte das Festival "ein politisches Nachbeben", fand der Referent heraus. Der Freistaat Bayern untersagte nämlich "bis auf Weiteres" die Veranstaltung von Rockfestivals. In Würzburg geriet das Pop-Festival, das im Vorfeld so viel Staub aufwirbelte, bald in Vergessenheit. Nur ein Anwohner, der bei dem Vortrag im Publikum saß, kann sich noch sehr gut erinnern. In seinem Garten, der an das Festivalgelände angrenzte, hatte sich nämlich Joe Cocker mitsamt seinem großen Tross häuslich eingerichtet. Natürlich ohne vorher zu fragen. Und da spielte sich, wie er berichtete, so ziemlich alles ab, was man von Rockmusikern in den 1970er-Jahren erwartete.  

    Heute ist der Blosenberg, so die korrekte geografische Bezeichnung für das Festivalgelände, ein Landschaftsschutzgebiet. Und nichts erinnert mehr an das das Ereignis vom Juli 1972, das in Würzburg für paar paar Tage große Aufregung hervorrief. 

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